OGH vom 08.04.2014, 3Ob30/14d

OGH vom 08.04.2014, 3Ob30/14d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G*****, Rechtsanwalt, *****, als Treuhänder zur Verwertung der Anfechtungsansprüche gegen die beklagte Partei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der T***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen 42.271,34 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 78/13g 15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 21 Cg 22/13s 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.977,66 EUR (darin 329,61 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet die Frage, ob der klagende Treuhänder (§§ 157 ff IO) zur Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs aktiv legitimiert ist; die Vorinstanzen haben die Aktivlegitimation bejaht.

Mit Beschluss vom hat das Handelsgericht Wien über das Vermögen der T***** GmbH im Folgenden kurz „Schuldnerin“ das Insolvenzverfahren (Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Sanierungsplanvorschlag der Schuldnerin vom sah eine 20 %-ige Quote, zahlbar binnen zwei Jahren vor.

Am brachte der Insolvenzverwalter die gegenständliche, insbesondere auf § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 IO gestützte Anfechtungsklage gegen die beklagte Bank ein. Diese sei am von der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin in Kenntnis gesetzt worden. Zwischen 6. und , dem Tag der Insolvenzeröffnung, habe sich das Kreditobligo auf einem Kontokorrentkreditkonto durch diverse Zahlungen von Debitoren um 42.271,34 EUR verringert.

In der Sanierungsplantagsatzung am verbesserte die Schuldnerin den Sanierungsplanvorschlag in Bezug auf die Zahlungsfristen für die 20%-ige Quote sowie dahin, dass ein allenfalls zu erzielender Erlös aus dem gegenständlichen Anfechtungsprozess als Superquote zu verteilen sei.

Die Gläubiger haben den verbesserten Sanierungsplan mit Mehrheit angenommen (die beklagte Partei hat gegen die Annahme gestimmt). Mit dem in der Tagsatzung vom verkündeten, auf Antrag der Schuldnerin gefassten Beschluss bestätigte das Handelsgericht Wien den angenommenen Sanierungsplan; weiters genehmigte es die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters und bestellte den Insolvenzverwalter zum Treuhänder für die Verwertung des Anfechtungsanspruchs und die Weiterbetreibung des gegenständlichen Anfechtungsverfahrens. Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Im gegenständlichen Anfechtungsverfahren stellte die beklagte Partei in Bezug auf die Zahlungseingänge von 42.271,34 EUR das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen nach § 31 IO außer Streit (Schriftsatz vom , ON 5) und bestritt allein die Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen, weil § 157i IO eine isolierte Übertragung von Anfechtungsansprüchen an den Treuhänder ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögen nicht zulasse.

Das Erstgericht gab der Anfechtungsklage statt. Der Beschluss des Insolvenzgerichts vom , mit dem der Kläger zum Treuhänder für die Verwertung des klagegegenständlichen Anfechtungsanspruchs und die Weiterbetreibung des Anfechtungsverfahrens gegen die beklagte Partei bestellt worden sei, sei in Rechtskraft erwachsen, woraus sich bindend die Aktivlegitimation des Klägers ergebe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zutreffenderweise habe das Erstgericht die Aktivlegitimation des Klägers bereits aus dessen rechtskräftiger Bestellung zum Treuhänder durch das Insolvenzgericht abgeleitet. Darüber hinaus handle es sich bei Anfechtungsansprüchen um Vermögen im Sinne von § 157i Abs 1 Satz 1 IO. Aus dem Wortlaut des § 157i Abs 2 IO sei abzuleiten, dass der Treuhänder auch ausschließlich mit der „Verwertung“ von Anfechtungsansprüchen betraut werden könne.

Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Fortsetzung eines Anfechtungsprozesses nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung nach der seit Inkrafttreten des IRÄG 2010 geltenden Rechtslage fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klageabweisenden Sinn.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrer Revision wiederholt die beklagte Partei hier kurz zusammengefasst ihren Rechtsstandpunkt, dass die Aktivlegitimation des Klägers (mangels Bindungswirkung) nicht aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom abgeleitet werden könne. Im Übrigen sei der Kläger aus materiellrechtlichen Gründen nicht zur Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs legitimiert. Die Führung eines Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter als Treuhänder sei nur dann zulässig, wenn ihm das gesamte Vermögen des Schuldners zur Verwertung übergeben worden sei; eine isolierte Übertragung von Anfechtungsansprüchen an den Treuhänder werde von § 157i Abs 1 IO ausgeschlossen. Auch das Kostenrecht spreche gegen eine isolierte Übertragung, weil der Treuhänder dann, wenn ihm kein Vermögen übertragen werde, ohne jedes Kostenrisiko den Anfechtungsprozess (weiter-)führen könne und das gesamte Einbringlichkeitsrisiko in Bezug auf Prozesskostenersatz allein beim Anfechtungsgegner liege. Aus diesem Grund werde für den Fall, dass das Höchstgericht den Standpunkt der Vorinstanzen teile, ein Gesetzesprüfungsantrag in Bezug auf § 157i IO wegen Verletzung des Gleichheitssatzes und des Grundrechts auf Eigentum angeregt.

Dazu wurde erwogen:

1. Mit dem IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) wurden die Regelungen der §§ 157 ff KO über den Sachwalter- und Liquidationsausgleich in zahlreichen Detailpunkten geändert. So wurde zur Vermeidung von Verwechslungen mit dem Sachwalter für behinderte Personen nach § 268 ABGB der Sachwalter nach § 157 KO in Treuhänder umbenannt (§ 157 IO). Gemäß § 157i Abs 1 IO kann der Schuldner im Sanierungsplan auch vorschlagen, sein Vermögen an einen Treuhänder zur Verwertung zu übergeben, wobei auch vorgesehen werden kann, dass der Treuhänder bestimmt zu bezeichnende Ansprüche geltend zu machen hat, aus deren Beträgen die Insolvenzgläubiger zu befriedigen sind. „Insbesondere“ betrifft dies nach dem letzten Halbsatz des § 157i Abs 1 IO „die Hereinbringung offener Forderungen und Anfechtungsansprüche“. Damit kann nur über Vorschlag des Schuldners ein Anfechtungsanspruch auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verfolgt werden, wobei aus den vereinnahmten Beträgen die Insolvenzgläubiger zu befriedigen sind. Gleichzeitig wurde der Grundsatz der Unabtretbarkeit des Anfechtungsanspruchs durchbrochen (siehe etwa Riel , Zur Anfechtung im Sanierungsverfahren, ZIK 2010, 131 [133]).

Die gesetzliche Neuregelung war bereits in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugrundegelegt: Obwohl Anfechtungsansprüche gerade nicht Vermögen des Schuldners darstellen, hat der Oberste Gerichtshof eine Fortsetzung eines anhängigen Anfechtungsprozesses (unter anderem) bei Bestellung eines Sachwalters der Gläubiger iSd § 157e KO bejaht, dem die Ermächtigung erteilt wurde, einen bereits anhängigen Anfechtungsprozess auch nach Aufhebung des Konkurses fortzuführen (2 Ob 243/05g = RIS-Justiz RS0064543 [T1]; 3 Ob 184/11x = ÖBA 2012/1827, 545 [ Bollenberger ]). Hintergrund war die Erwägung, dass nicht einzusehen ist, dass mit der Konkursaufhebung auf den rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsprozesses gewartet werden muss (damit die Gläubiger nicht den Erlös aus dem Anfechtungsprozess verlieren), und dass für den Anfechtungsgegner kein Anreiz bestehen soll, einen Anfechtungsprozess bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens zu verschleppen (2 Ob 243/05g; G. Kodek , Von der KO zur IO Das IRÄG 2010 im Überblick, ÖBA 2010, 498 [501]; siehe auch ErläutRV 621 BlgNR 24. GP 27).

Rechtskräftige Entscheidungen in einem Prozess des Treuhänders wirken auch gegenüber dem Schuldner (§ 157h Abs 1 IO). Dieser und nicht der Treuhänder hat daher insbesondere im Unterliegensfall die Kosten des Verfahrens zu ersetzen, wenn dafür bei Abschluss des Sanierungsplans (etwa durch einen Treuhanderlag) nicht vorgesorgt wurde ( Riel , ZIK 2010, 133).

2. Die ganz herrschende Lehre geht davon aus, dass die Möglichkeit der (Weiter-)Führung von Anfechtungsverfahren nicht auf den Fall des „Liquidationsausgleichs“, also der Übergabe des gesamten Vermögens an einen Treuhänder zur Verwertung, beschränkt ist. Der Treuhänder kann auch ausschließlich mit der „Verwertung“ von Anfechtungsansprüchen betraut werden. Dies wird etwa aus dem Wort „soweit“ in § 157i Abs 2 IO geschlossen ( Riel , ZIK 2010, 133 [Fn 24]; König , Insolvenzanfechtung im Sanierungsverfahren, ZIK 2012, 11 [12]; König , Die Anfechtung nach der IO 5 [2014] Rz 19/8); außerdem wird ein Schluss aus der Zulässigkeit der Übergabe des gesamten Vermögens gezogen dann müsse auch die Übergabe einzelner Vermögensteile an den Treuhänder zulässig sein ( Dallinger in Dallinger/Wöber , Sanierungskredit und Anfechtung, in Konecny [Hrsg], Insolvenz-Forum 2011 [2012] 33 [50]). Auch der Entscheidung 3 Ob 129/12k lag bereits eine solche Konstellation zugrunde, in der der frühere Insolvenzverwalter mit der Fortsetzung eines bereits anhängigen Anfechtungsverfahrens als Treuhänder gemäß §§ 157 ff IO betraut wurde.

Gegen die herrschende Ansicht hat Wöber (Sanierung aus Bankensicht, in Lichtkoppler/Reisch [Hrsg], Handbuch Unternehmenssanierung [2010] 280 ff, und Dallinger/Wöber , Sanierungskredit und Anfechtung, in Konecny [Hrsg], Insolvenz-Forum 2011 [2012] 33 [50 ff]) Bedenken in dem Sinn geäußert, wie sie nun von der beklagten Partei vorgetragen werden.

Dagegen hat sich wiederum König (Anfechtung 5 Rz 19/8 [Fn 16]) gewandt: Bei der Weiterführung eines Anfechtungsverfahrens nach einem Sanierungsplan (außer einem Liquidationssanierungsplan) gehe es nicht um die Frage, ob Vermögen verteilt werde oder nicht, sondern darum, dass das Vermögensopfer der Gläubiger gleich verteilt werde; durch die Anfechtung werde diese Gleichbehandlung realisiert.

3. Indes kann eine Antwort auf die Frage, ob der Treuhänder auch ausschließlich mit der „Verwertung“ von Anfechtungsansprüchen betraut werden darf, im vorliegenden Fall dahinstehen, wurde doch der frühere Insolvenzverwalter und nunmehrige Treuhänder rechtskräftig gerade mit einer Fortführung des anhängigen Anfechtungsprozesses betraut.

3.1. Durch die Bestellung des Klägers zum Treuhänder wurde materiellrechtlich der Untergang des Anfechtungsanspruchs verhindert und seine Verfolgung ermöglicht: Da der Anfechtungsanspruch nur der Masse zusteht und vom Insolvenzverwalter, dem das Anfechtungsmonopol zukommt, geltend zu machen ist, bewirkt eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens (sei es nach Schlussverteilung, sei es infolge Bestätigung des Sanierungsplans), dass der Anfechtungsanspruch „als erledigt“ anzusehen ist (3 Ob 184/11x; König , Anfechtung 5 Rz 21/7). Noch nicht geltend gemachte Ansprüche könnten allenfalls im Weg einer Nachtragsverteilung ( König , Anfechtung 5 Rz 21/4) verfolgt werden, die allerdings hier nicht zur Debatte steht und bei einem Quotenzwangsausgleich (jetzt: Quotensanierungsplan) auch gar nicht möglich wäre (8 Ob 240/02f).

3.2. Die beklagte Anfechtungsgegnerin war unstrittig Insolvenzgläubigerin (siehe Forderungsanmeldung Blg ./B und Anmeldungsverzeichnis Blg ./C). Sie gesteht selbst zu, in der Sanierungsplantagsatzung gegen den Sanierungsplan gestimmt zu haben (Vorbringen im Schriftsatz ON 5, Seite 7). Schon aus diesem Grund kam ihr ein Rekursrecht gegen den Bestätigungsbeschluss zu (§ 155 Abs 1 Z 1 IO). Mit einem Rekurs gegen den Bestätigungsbeschluss hätte die Anfechtungsgegnerin auch die Unzulässigkeit der Bestellung des bisherigen Insolvenzverwalters zum Treuhänder gemäß § 157i Abs 1 IO mit sämtlichen nun im Anfechtungsverfahren gebrauchten Argumenten geltend machen können.

Da der beklagten Partei im Insolvenzverfahren rechtliches Gehör (iSd Art 6 EMRK) gewährt wurde, sie sich gegen die Treuhänderbestellung aber nicht zur Wehr setzte, ist sie im Anfechtungsverfahren an die rechtsgestaltende Wirkung der Treuhänderbestellung, die auch ihre Rechtsposition tangierte, gebunden.

3.3. Ob in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner (weil nicht Insolvenzgläubiger) nicht am Insolvenzverfahren beteiligt war, anders zu entscheiden wäre oder ob das Insolvenzgericht in diesem Fall den ohnedies konkret zu bezeichnenden Anfechtungsgegner (vgl Riel , Zik 2010, 133) vor Beschlussfassung beiziehen müsste, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

3.4. Damit bedarf es aber auch keines Eingehens auf die von der beklagten Partei geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken: Nicht aufgrund unmittelbarer Anwendung der von der beklagten Partei als verfassungsrechtlich bedenklich erachteten Bestimmung des § 157i Abs 1 IO, sondern unter Zugrundelegung der aus den dargelegten Gründen zu bejahenden bindenden Rechtsgestaltungswirkung des im Insolvenzverfahren gefassten Beschlusses ist die Stattgebung des Klagebegehrens zu bestätigen. Im Übrigen ist die beklagte Partei zu der von ihr thematisierten Kostenproblematik darauf zu verweisen, dass das Insolvenzgericht im Sanierungsplan auch zu regeln hat, wie im Fall des Prozessverlustes die Mittel zur Abdeckung der Kosten aufgebracht werden ( König , Änderungen im Anfechtungsrecht, in Konecny [Hrsg], IRÄG 2010, 79 [90]; Riel , ZIK 2010, 133), also eine dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Vorsorge für die Kosten zu treffen hat.

4. Die Aktivlegitimation des Treuhänders für die weitere Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs ist daher aus den unter 3. genannten Gründen zu bejahen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00030.14D.0408.000