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OGH 26.05.1994, 2Ob30/94

OGH 26.05.1994, 2Ob30/94

Rechtssatz


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Normen
KHVG 1987 §22
VersVG §158c Abs3
RS0065850
Im Falle einer Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer ist im Spruch der Entscheidung zum Ausdruck zu bringen, daß der Anspruch nach § 158 c Abs 3 VersVG begrenzt ist.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Snezana M*****, vertreten durch Dr.Kurt Hanusch und Dr.Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagten Parteien 1. Josef T***** jun., Landwirt, und 2. Josef T***** sen., beide *****vertreten durch Dr.Gerhard Folk und Dr.Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, und 3. ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Bernd Fritsch ua Rechtsanwälte in Graz, wegen S 288.182 sA, Zahlung einer Rente und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 183/93-27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom , GZ 4 Cg 118/92-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision der erst- und zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die erst- und die zweitbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die auf sie entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens in der Höhe von S 2.222,72 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 370,45, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision der drittbeklagten Partei wird, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet, ebenfalls zurückgewiesen.

Im übrigen wird aber der Revision der drittbeklagten Partei Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß Punkt II des Ersturteiles wie folgt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien der klagenden Partei für alle in Hinkunft aus dem Verkehrsunfall vom auf der S*****-Bundesstraße ***** bei Straßenkilometer ***** entstehenden Schäden zur ungeteilten Hand haften, wobei jedoch die Haftung der drittbeklagten Partei auf den Rahmen der zum Unfallszeitpunkt amtlich festgesetzten Mindestversicherungssumme beschränkt ist.

Das darüber hinausgehende Begehren auf Beschränkung der Haftung lediglich auf den Rahmen des Versicherungsvertrages wird abgewiesen."

Insoweit werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erlitt bei dem am vom Erstbeklagten als Lenker eines bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten LKW des Zweitbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Die Drittbeklagte ist infolge Prämienverzuges des Zweitbeklagten diesem gegenüber leistungsfrei.

Die Klägerin begehrt aufgrund des Verkehrsunfalles vom Schmerzengeld in der Höhe von 350.000 S abzüglich geleisteter Zahlungen von 199.000 S, den Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe im Gesamtbetrag von S 144.270 abzüglich einer Akontozahlung von 35.000 S, Verdienstentgang in der Höhe von S 27.912, eine monatliche Rente von S 2.625 ab sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Unfallschäden, in Beziehung auf die drittbeklagte Partei mit der Beschränkung auf den Rahmen des mit dem Zweitbeklagten hinsichtlich des Unfallsfahrzeuges abgeschlossenen Versicherungsvertrages.

Die Beklagten bestritten die Angemessenheit des Schmerzengeldes; die Drittbeklagte anerkannte das Feststellungsbegehren mit der Einschränkung, daß ihre Haftung mit der am Unfallstag in Geltung gestandenen Mindestdeckungssumme begrenzt sei. Sie brachte hiezu vor, der Zweitbeklagte habe die Prämie zum Unfallszeitpunkt trotz qualifizierter Einmahnung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nicht bezahlt gehabt.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten unter Berücksichtigung einer Gegenforderung von S 8.485,60 zur Zahlung von S 241.679,40 und einer Hausfrauenrente von S 1.750 monatlich. Es stellte die Haftpflicht der Beklagten für alle künftigen Unfallschäden der Klägerin fest und sprach aus, daß die Haftung der Drittbeklagten im Rahmen des mit der Zweitbeklagten für den LKW mit dem Kennzeichen St ***** abgeschlossenen Versicherungsvertrages beschränkt sei.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteiles erhoben die beklagten Parteien Berufung, in der sie unter anderem auch die Unterlassung der Beschränkung der festgestellten Haftpflicht der drittbeklagten Partei auf die gesetzliche Mindestdeckungssumme rügten.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und führte zur Begrenzung der Haftpflicht der drittbeklagten Partei in rechtlicher Hinsicht aus, daß diese nach § 22 Abs 1 KHVG "im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages" zu haften habe. Der Versicherungsvertrag sei für die Grenze maßgebend, innerhalb derer der Schadenersatzanspruch auch gegen den Versicherer geltend gemacht werden könne. Die den Schadenersatzanspruch einschränkende Generalklausel "im Rahmen des Versicherungsvertrages" werde ausgefüllt durch die Bestimmungen des Versicherungsvertrages, die Normen der Versicherungsbedingungen und des Versicherungsvertragsgesetzes. Versicherungsvertragliche Grenzen gegen den Versicherer seien zB die Deckungssumme und bei "kranken" Versicherungen die gesetzlichen Mindestdeckungssummen im Sinne des § 158 c Abs 3 VersVG. Bei einem "kranken"Versicherungsverhältnis greife daher die Bestimmung des § 158c Abs 1 VersVG, nach welcher die Haftung des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten auch dann bestehe, wenn im Innenverhältnis der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Leistung ganz oder teilweise befreit sei, insoweit nicht ein, als die Mindestversicherungssumme überschritten werde. Wegen des Mehrbetrages könne sich der Versicherer also auf die Leistungsfreiheit berufen. Daraus ergebe sich, daß der Haftpflichtversicherer im Falle der Vereinbarung einer höheren Deckungssumme in der Regel bis zu deren Höhe, im Falle eines "kranken" Versicherungsverhältnisses trotz vereinbarter höherer Deckungssumme aber nur bis zur Höhe der gesetzlichen Mindesthaftpflichtversicherungssumme hafte. Die vertragsmäßige Begrenzung des Haftungsumfanges sei aber nur eine der Beschränkungen der Haftung des Versicherers im Rahmen des Versicherungsvertrages und betreffe nur die Höhe des Schadens, für den der Versicherer einzustehen habe, was Gegenstand einer allfälligen künftigen Leistungsklage und der dort zu erhebenden Einwendungen sei. Die Feststellung der Haftung des Haftpflichtversicherers sei daher im Rahmen des Wortlautes des § 22 Abs 1 KHVG auch im Falle eines "kranken" Versicherungsverhältnisses nur auf den "Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages" zu beschränken (SZ 51/188).

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß der Senat 2 des Berufungsgerichtes eine andere Meinung - wenngleich zu den Bestimmungen des EKHG - vertreten habe und auch die Rechtsprechung in Deutschland auf dem Standpunkt stehe, über die Frage der Haftungsbegrenzung nach § 158c Abs 3 VVG sei bereits mit derjenigen über den Haftungsgrund zu entscheiden. Weiters liege es auf der Hand, daß die Aufnahme der Haftungsbegrenzung in den Spruch des Feststellungsurteiles im Anlaßfall im Hinblick auf die im Berufungsverfahren erklärte Außerstreitstellung des Bestehens einer höheren Versicherungssumme als der amtlich festgelegten Mindestversicherungssumme und im Hinblick auf das Versäumungsurteil des Kreisgerichtes Leoben, aus dem sich die Leistungsfreiheit der drittbeklagten Partei ergebe, nicht verfehlt sein könne.

Gegen die Unterlassung der Einschränkung der Haftung der drittbeklagten Partei auf die Mindestdeckungssumme zum Unfallszeitpunkt sowie gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision aller beklagten Parteien.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie auch Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Parteien geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz im Kostenpunkte nicht anfechtbar sind und daß die erst- und zweitbeklagte Partei durch die Unterlassung der Aufnahme einer Beschränkung der Haftung der drittbeklagten Partei auf die Mindestdeckungssumme nicht beschwert sind. Die Revisionen der erst- und zweitbeklagten Partei sind daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich insoweit auf die §§ 41, 50 ZPO.

Im übrigen ist aber die Revision der drittbeklagten Partei zulässig und berechtigt.

Die drittbeklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, daß zumindest dann, wenn bereits alle relevanten Umstände feststehen und es keines aufwendigen Beweisverfahrens bedürfe, die begehrte Haftungsbegrenzung in den Spruch aus Gründen der Rechtssicherheit aufzunehmen sei, so daß allenfalls auch in entfernterer Zeit bereits aus dem vorliegenden Titel der Haftungsumfang erkannt werden könne. Es wäre auch dem Berechtigten nicht dienlich, nach Jahrzehnten sich mit der Frage einer Haftungsbegrenzung auseinandersetzen zu müssen, wenn dies bereits zu einem Zeitpunkt hätte abgeklärt werden können, zu welchem die Haftungsfrage ohnehin geprüft wurde und kein sonderlicher Aufwand für die Frage der Haftungsbeschränkung erforderlich war.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung SZ 51/188 (= ZVR 1979/282) mit der Frage befaßt, wie die Feststellung der Haftung des Haftpflichtversicherers im Urteilsspruch zu beschränken ist und ausgeführt, die Beschränkung habe im Sinne des Wortlautes des § 63 Abs 1 KFG auf den "Rahmen des betreffenden Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungs- oder Schadenbehandlungsversicherungsvertrages" zu erfolgen. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt lag jedoch ein sogenanntes "krankes" Versicherungsverhältnis nicht vor.

Gemäß § 22 Abs 1 KHVG kann der geschädigte Dritte den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages auch gegen den Versicherer geltend machen. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß der Versicherer von seiner Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer frei ist; gemäß § 158c VersVG bleibt zwar die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten (Klägerin) bestehen, doch haftet der Versicherer nur im Rahmen der amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen und der von ihm übernommenen Gefahr (§ 158c Abs 3 VersVG). Nach der Absicht des Gesetzgebers soll durch die Bestimmung des § 158c VersVG der geschädigte Dritte in seinem berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines Versicherungsvertrages geschützt und sein Ersatzanspruch im Deckungsprozeß von den Zufälligkeiten der oft verworrenen Versicherungsrechtsbeziehungen des Versicherers zum Versicherungsnehmer unabhängig gemacht werden (VR 1984, 179). Im Falle eines sogenannten "kranken" Versicherungsverhältnisses besteht daher keine Pflicht zur Deckung gegenüber dem Schädiger, eine solche wird nur fingiert. Daraus folgt, daß der Klägerin schon vom Zeitpunkte des Schadenseintritts an gegen den Versicherer nur ein begrenzter Anspruch nach § 158c Abs 3 VersVG zustand, was auch im Spruch der Entscheidung zum Ausdruck zu bringen ist (BGH in NJW 1979, 1046). Der Versicherer muß also im Falle eines Prozesses ausdrücklich einwenden, daß er nur im Rahmen der Mindestdeckungsumme haftet, ansonst wirkt die Rechtskraft eines einschränkungslosen Feststellungsurteiles dahin, daß er sich später nicht mehr auf § 158c Abs 3 VersVG berufen kann (Schlegelmilch in Geigel, Der Haftpflichtprozeß21, 330). Auch Zweckmäßigkeitsgründe sprechen für diese Lösung, weil in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt die Frage, ob das Versicherungsverhältnis zum Unfallszeitpunkt "krank" war, nur mehr schwerer geklärt werden kann.

Es war daher insoweit der Revision der drittbeklagten Partei Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Eine Änderung der Kostenentscheidung im Verfahren erster und zweiter Instanz hatte nicht zu erfolgen, weil die drittbeklagte Partei insgesamt nur geringfügig obsiegt hat. Im Revisionsverfahren sind die Kosten der klagenden Partei und jene der drittbeklagten Partei gegenseitig aufzuheben, weil die drittbeklagte Partei wohl zum Teil durchgedrungen ist, zu einem annähernd gleichen Teil (Kostenpunkt) ihr Rechtsmittel aber unzulässig war, worauf die klagende Partei auch hingewiesen hat.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1994:0020OB00030.94.0526.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAD-57363