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OGH vom 23.11.1999, 7Ob307/99v

OGH vom 23.11.1999, 7Ob307/99v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, Italien, vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen (eingeschränkt) S 3,543.000,-- sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 67/99a-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Höhe der berechtigten Klageforderung, nachdem die beklagte Partei ihre Deckungspflicht (nach Vorlage des Originalzertifikats) bereits in erster Instanz ausdrücklich anerkannt und Teilzahlung geleistet hatte. Gegen die vom Berufungsgericht (insoweit in Übereinstimmung mit dem Erstgericht, weil die Abänderung in zweiter Instanz nur das Zinsenbegehren betraf) zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, wonach einerseits gemäß § 57 VersVG in der Schaden-(hier: Transport-)versicherung der Versicherungswert durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgelegt werden könne, und andererseits eine solche Vereinbarung hier zwischen den Streitteilen anzunehmen sei, weil die beklagte Partei selbst im Transportversicherungs-Zertifikat als "Versicherungswert" den Fakturenwert der transportierten Ware festgelegt habe, richten sich alle in der außerordentlichen Revision geltend gemachten Revisionsgründe.

Rechtliche Beurteilung

Welche Auslegung die beklagte Partei ihrerseits diesem Begriff "Versicherungswert" beigemessen hat bzw wie die diesbezügliche Vereinbarung der Streitteile auslegungsmäßig zu verstehen ist, ist grundsätzlich eine Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles, abhängig von der Kausistik der Umstände des konkret zur Beurteilung anstehenden Falles (so wie grundsätzlich jede Auslegung von Verträgen, Vereinbarungen, Willenserklärungen etc). Insoweit wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO releviert, zumal sowohl der Oberste Gerichtshof (8 Ob 657/87 = VersR 1989, 980) als auch der deutsche BGH (VersR 1994, 91) die Ansetzung des Verkaufspreises eines transportierten, jedoch noch nicht verkauften Guts als Versicherungswert in der Transportversicherung für zulässig erachtet haben. Mit den Zulässigkeitskriterien einer Taxvereinbarung im Sinne des § 57 VersVG hat sich der Oberste Gerichtshof überdies auch erst jüngst zu 7 Ob 346/98b befasst. Die hierin wiedergegebenen Kriterien wurden vom Berufungsgericht beachtet, insbesondere dass der Versicherungsnehmer bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung nicht die Höhe des tatsächlichen Schadens dartun muss, vielmehr von der Richtigkeit der vereinbarten Taxe auszugehen ist, und der Gesetzgeber (wegen des damit verbundenen Vorteils der erleichterten Feststellung der Höhe des vom Versicherer zu leistenden Schadenersatzes) sogar gewisse Bereicherungen des Versicherungsnehmers in Kauf nimmt. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann sich damit auf eine gefestigte Judikatur stützen.

Diese Durchbrechung des Bereicherungsverbotes begegnet allerdings insofern einer Schranke, als sich der Versicherer darauf berufen kann, dass zur Zeit des Versicherungsfalles die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteigt; insoweit trifft die Beweislast den Versicherer (Brock/Möller, VersVG8 Anm 4 zu § 57; Prölss/Martin VersVG26 Rz 23 zu § 57; Schauer, Österr Versicherungsvertragsrecht3, 174 f; derselbe in Berliner Kommentar, Rz 21 zu § 57; 7 Ob 346/98h; RIS-Justiz RS0111473). Das Berufungsgericht hat hiezu vermeint, dass die beklagte Partei diesen (Gegen-)Beweis, dass die (vereinbarte) Taxe den wirklichen Versicherungswert im Zeitpunkt des Versicherungsfalles erheblich übersteigt (§ 57 zweiter Satz VersVG), gar nicht angetreten habe. Nach der Aktenlage ist dies zwar nicht völlig zutreffend:

Sowohl in der Klagebeantwortung (ON 2 Punkt 4. ff) als auch in den vorbereitenden Schriftsätzen ON 6 (Punkt 3.) und 16 wurde nämlich von der beklagten Partei dargelegt, dass der "wirkliche Versicherungswert" erheblich geringer als der in der Polizze angeführte "Versicherungswert" liegt. Darin ist auch die von den genannten Autoren und dem Obersten Gerichtshof (7 Ob 346/98b) aufgestellte Forderung, der Versicherer müsse bei Geltendmachung des Bestreitungsrechtes nach § 57 zweiter Satz VersVG Behauptungen darüber aufstellen, dass die Taxe den Ersatzwert um mehr als 10 % übersteigt, inkludiert. Dieser Umstand führt jedoch deshalb zu keiner Korrektur der berufungsgerichtlichen Entscheidung (im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht), weil das Erstgericht die Feststellung getroffen hat (S 4 des Ersturteils = AS 113), dass "die transportierte Ware vor Beginn des Transportes von der klagenden Partei an den russischen Käufer um einen Betrag von US-$ 412.872,46 gemäß Rechnung Nr 699 vom verkauft worden war". Diese Feststellung wurde in der Berufung der beklagten Partei zwar bekämpft (S 3 des Berufungsschriftsatzes ON 21 = AS 127), diese Beweisrüge entspricht jedoch nicht dem Gesetz (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 8 zu § 471; 10 ObS 2068/96g; 10 ObS 37/99k). Demgemäß wurde diese Feststellung auch vom Berufungsgericht unverändert übernommen (S 12 in ON 24 = AS 193). Damit ist aber - rechtlich - davon auszugehen, dass dieser Betrag auch dem "Versicherungswert" und damit der Taxe iSd § 57 VersVG entspricht, sodass in der Stattgebung des (restlichen) Klagebegehrens auch - insgesamt gesehen - keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden kann.

Daraus folgt - zusammenfassend -, dass in der außerordentlichen Revision der beklagten Partei keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, weshalb das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen ist.