OGH vom 26.08.1994, 6Ob22/94

OGH vom 26.08.1994, 6Ob22/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Baumann als weitere Richter in der gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit über den Antrag der Aktionäre 1. Dr.Erich B*****, und

2. Gertrude B*****, beide vertreten durch Dr.Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, gegen die A***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr.Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, auf gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung nach Art des § 106 Abs 4 AktG infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den zum Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , *****ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 6 R 2/94 ***** den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Am fand eine außerordentliche Hauptversammlung statt. Als Zweck dieser Hauptversammlung waren die Beschlußfassung über eine Reihe von Satzungsänderungen (Punkt 1 der Tagesordnung), die - neuerliche - Beschlußfassung über den Vortrag des Bilanzverlustes zum auf neue Rechnung (Punkt 2 der Tagesordnung) und die - neuerliche - Beschlußfassung über die Entlastung des Vorstandes und der Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 1992 (Punkt 3 der Tagesordnung) bekanntgemacht worden.

Nach dem Vollzug einer Kapitalserhöhung (im Sinne eines vom ersten Antragsteller mit Nichtigkeitsklage bekämpften Hauptversammlungsbeschlusses vom ) betrug das Grundkapital der Gesellschaft 153 Mio S und war in 152.500 Inhaberaktien mit einem Nennwert von 1.000 S sowie 1.000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von 500 S gestückelt.

Nach dem Teilnehmerverzeichnis nahm an der Hauptversammlung vom der Antragstellervertreter als Vertreter des ersten Antragstellers mit hinterlegten Aktien im Geamtnennbetrag von 471.000 S sowie als Vertreter der zweiten Antragstellerin mit hinterlegten Aktien im Gesamtnennbetrag von 25.000 S teil und stellte nach dem Inhalt des notariellen Protokolls über den Verlauf der Hauptversammlung zum dritten Tagesordnungspunkt zunächst im Sinne einer vorgelegten Liste an den Vorstand eine Reihe von Fragen, die mit Ausnahme jener nach der Auslastung einer neu angeschafften maschinellen Anlage in den Jahren 1991, 1992 und 1993 beantwortet wurden, während die Verweigerung der Beantwortung der erwähnten Frage mit der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen begründet wurde.

Hierauf stellte der Antragstellervertreter namens der beiden Antragsteller den Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung betreffend die erwähnte maschinelle Anlage.

Der den Vorsitz in der Hauptversammlung führende Aufsichtsratsvorsitzende erachtete den Sonderprüfungsantrag durch die Tagesordnung nicht gedeckt und ließ eine Verhandlung über diesen Antrag nicht zu; er ließ vielmehr über die Entlastung des Vorstandes und der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder abstimmen. Die beiden Antragsteller stimmten jeweils gegen die Entlastung und erklärten jeweils Widerspruch zu Protokoll.

Am stellten die beiden Antragsteller bei dem nach § 14 AktG zuständigen Gericht das Begehren, sie zur Einberufung einer Hauptversammlung mit den Tagesordnungspunkten 1.) Beschlußfassung über die Durchführung einer Sonderprüfung zur Anschaffung der mehrfach erwähnten maschinellen Anlage sowie zu deren außerplanmäßigen Abschreibung und 2.) Wahl eines Sonderprüfers unter gleichzeitiger Bestimmung der Person des Vorsitzenden der Versammlung zu ermächtigen.

Diesen Antrag begründeten die Antragsteller (deren Anteile den zwanzigsten Teil des Grundkapitals nicht erreichen) damit, daß sie in der Hauptversammlung vom durch die Verhandlungsleitung des Vorsitzenden in ihren in der Hauptversammlung auszuübenden Aktionärsrechten gröblichst verletzt worden wären, das Gesetz hiefür keine ausdrückliche unmittelbare Sanktion vorsehe, nach der schwerwiegenden Bedeutung der Rechtsverletzung aber unmittelbare Rechtsfolgen angeordnet sein müßten und insofern eine systemwidrige Gesetzeslücke vorläge, die dadurch zu schließen sei, daß ein in seinen Rechten an wirkungsvoller Teilnahme an der Hauptversammlung verletzter Aktionär - unabhängig vom Erfordernis einer Anteilsmindestquote - nach der Art des § 106 Abs 4 AktG zur Einberufung einer Hauptversammlung ermächtigt werde.

Die Aktiengesellschaft sprach sich gegen die beantragte Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung aus. Sie bestritt das Vorliegen der behaupteten Gesetzeslücke, wertete die von den Antragstellern als notwendig erachtete Lückenschließung als unangemessene Ausweitung des Minderheitsschutzes und hielt die behaupteten, aber bestrittenen Verstöße nach der gegebenen Sachlage als unerheblich.

Das Gericht erster Instanz wies den Antrag der beiden Antragsteller ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dazu sprach es aus, daß eine Revisionsrekursvoraussetzung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG vorliege.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Das Recht des Aktionärs auf Teilnahme an der Hauptversammlung durch Wortmeldung, Fragestellung und Antragstellung zu den nach der Tagesordnung zu behandelnden Themen und die Mitwirkung an den Abstimmungen mag als Grundrecht des Aktionärs angesprochen werden. Dennoch ist daraus nicht der im Sinne der Ausführungen von Reich-Rohrwig, ecolex 1991, 460 ff, gezogene Schluß gerechtfertigt, daß Verstöße gegen den Kerngehalt des Teilnahmerechtes des Aktionärs an der Hauptversammlung Grund für unmittelbare Sanktionen sein müßten und der Mangel von Anordnungen solcher unmittelbarer Rechtsfolgen eine systemwidrige Gesetzeslücke darstelle. Mittelbar ist das Recht jedes Aktionärs auf wirksame Beteiligung an der Hauptversammlung jedenfalls dadurch geschützt, daß Hauptversammlungsbeschlüsse, die unter relevanter Verletzung des Teilnahmerechtes eines Aktionärs an der Hauptversammlung zustandekamen, deshalb einer klageweisen Anfechtung unterliegen.

Ob dies in allen denkbaren Fällen ungerechtfertigter Wortentziehung, Antwortverweigerung oder Übergehung eines Antrages hinreicht, braucht zur Lösung des vorliegenden Falles nicht erörtert zu werden.

Ein Antrag auf Sonderprüfung stand als solcher nicht auf der Tagesordnung. Der von den Antragstellern in der Hauptversammlung gestellte Antrag auf Sonderprüfung konnte daher nur insofern beachtlich sein, als ihm Erheblichkeit für ein auf die Tagesordnung gesetztes Thema zukam. Über alle Tagesordnungsthemen wurden Beschlüsse gefaßt. Soweit in der Verhandlung zu diesen Beschlüssen ein relevanter Verstoß gegen das Teilnahmerecht der antragstellenden Aktionäre unterlaufen sein sollte, wäre er im Rahmen einer Anfechtung der betreffenden Hauptversammlungsbeschlüsse geltend zu machen.

Darüberhinaus besteht keine Notwendigkeit einer unmittelbaren Sanktion.

Nur als solche im Gesetz nicht angeordnete, aber zur Schließung einer vermeintlichen Gesetzeslücke notwendige Sanktion ließe sich aber die beantragte gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung an Aktionäre ohne Anteile in dem in § 106 Abs 2 AktG vorgesehenen Mindestmaß rechtfertigen. Für Fälle wie den vorliegenden, in denen die mittelbare Sanktion auf die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen eines Klagsgrundes zur Anfechtung der Hauptversammlungsbeschlüsse zwecks Wahrung der Aktionärsrechte hinreicht, ist keine - wie immer, auch nicht durch Nutzbarmachung der Rechtseinrichtung im Sinne des § 106 Abs 4 AktG zu schließende - Gesetzeslücke anzunehmen.

Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum den Antrag auf Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung abgewiesen.

Dem Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.