OGH vom 30.08.1961, 1Ob353/61
Norm
Kopf
SZ 34/111
Spruch
Ein Installationsbetrieb ist kein "gefährlicher Betrieb".
Entscheidung vom , 1 Ob 353/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Am wurden im Bereich des Hauses Wien 2., H.-Gasse 4, verschiedene Arbeiten auf der Straße und im Haus durchgeführt. Der Zweitbeklagte, der ein Installationsunternehmen betreibt und mit dem Kläger in keinem Vertragsverhältnis stand, führte Installationsarbeiten durch, die sein Gehilfe Paul A. vornahm. Im Zusammenhang damit kam es zu einer Explosion des Gaszählers im Lokal des Klägers. Gegen Paul A. wurde vom Strafbezirksgericht Wien rechtskräftig eine Strafverfügung wegen Übertretung nach § 431 StG. erlassen, weil er fahrlässig einen Zundschlag herbeigeführt habe. Paul A. hat als Installateurgehilfe die Gesellenprüfung abgelegt, hat stets selbständig gearbeitet und nie einen Arbeitsunfall gehabt. Eine solche Arbeit wie am hatte er jedoch noch nie durchzuführen gehabt. Er wurde dabei weder beaufsichtigt noch kontrolliert. Er unterließ nach Herstellung der neuen Leitungen die Schließung der sogenannten Sektionshähne, wodurch Gas in die Gasgeräte gelangen konnte und die Explosion möglich wurde.
Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von 12.830 S s. A. Diesen Anspruch richtete er gegen die Firma Ing. Herbert L. als Erstbeklagte, die als Generalunternehmerin die Bauarbeiten durchführte, und gegen den nunmehr allein als Beklagter verbliebenen früheren Zweitbeklagten Ing. Hans M., der im Auftrag der Generalunternehmerin die Installationsarbeiten durchführte.
Das Erstgericht wies das Begehren gegen beide Beklagten ab. Hinsichtlich des früheren Erstbeklagten wurde dieses Erkenntnis rechtskräftig. Der Erstrichter verneinte, daß Paul A. als untüchtige Person im Sinne einer habituellen Untüchtigkeit angesehen werden könne, weil eine einmalige Verfehlung eine solche Untüchtigkeit nicht erweise. Eine ausdehnende Interpretation der Haftpflichtgesetze werde durch deren Sinn begrenzt. Als gefährlicher Betrieb könne wohl ein Elektrizitätswerk, unter Umständen ein Gaswerk, nicht aber ein Bau- oder Installationsunternehmen gewertet werden. Auch eine Haftung nach § 1299 ABGB. komme nicht in Frage.
Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage bezüglich des Zweitbeklagten Ing. Hans M. blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht befand das Verfahren vor dem Erstgericht als mangelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstrichters und bestätigte das Ersturteil, soweit es angefochten war. Da feststehe, daß Paul A. durch Ablegung der Gesellenprüfung die notwendigen Kenntnisse nachgewiesen habe, da er bisher immer ohne Anstand gearbeitet und als Zeuge auch ausgesagt habe, es sei ihm bewußt gewesen, daß er die Sektionshähne hätte schließen sollen, also über die notwendigen Vorkehrungen unterrichtet war, sei dem Erstgericht beizustimmen, daß der Nachweis der habituellen Untüchtigkeit des Paul A. nicht erbracht sei. Richtig sei zwar, daß nach ständiger Rechtsprechung die Grundsätze der erweiterten Haftung nach den Haftpflichtgesetzen auch auf in diesen Gesetzen nicht genannte "gefährliche Betriebe" analog anzuwenden seien. Daß Anlagen zur Fortleitung von Gas zu den gefährlichen Betrieben gehören, gehe aus § 1a RHG. hervor. Da der Kläger aber nicht behauptet habe, daß der Beklagte der Inhaber der Anlage im Sinne der oben genannten Gesetzesstelle sei, müsse nicht auf § 1a Abs. 3 dieses Gesetzes eingegangen werden. Im vorliegenden Fall sei nur behauptet worden, daß der Beklagte Arbeiten an einer solchen Anlage auszuführen hatte und durch Paul A. ausführen ließ. Dem Gewerbetreibenden, der solche Arbeiten ausführe, könne nicht die gleiche Haftung wie dem Inhaber der Anlage auferlegt werden. Wenn auch zu bejahen sei, daß eine Anlage zur Fortleitung und Abgabe von Gas als gefährlicher Betrieb zu bezeichnen sei, so sei damit noch nicht eine über den Rahmen des § 1315 ABGB. hinausgehende Haftung des Beklagten, für die Tätigkeit des Paul A. begrundet, weil die nach den Haftpflichtgesetzen analog anzuwendende Erfolgshaftung für den gefährlichen Betrieb eben nur den treffe, der als Unternehmer des Betriebes für seine Zwecke die Gefahr schaffe, sie nutze und dafür verantwortlich sei. Daß aber einem Installationsunternehmen selbst (abgesehen von dem Fall, daß sich seine Arbeiten auf gefährliche Anlagen beziehen) Gefahren für die Öffentlichkeit innewohnten und solche, diesem Gewerbe immanente, Gefahren den Unfall hervorgerufen hätten, sei nicht behauptet worden. Die Sachverständigenhaftung nach § 1299 ABGB. treffe den Gewerbeinhaber nur gegenüber dem Vertragspartner und erstrecke sich nicht auf unbeteiligte Dritte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage, ob ein Installationsbetrieb ein "gefährlicher Betrieb" ist, der die analoge Anwendung der Haftpflichtgesetze rechtfertigt, ist eine Rechtsfrage, wie der Kläger selbst zugesteht. Der Kläger nimmt demnach auch in der Rechtsrüge zu dieser Frage ausführlich Stellung und führt im wesentlichen aus, daß man bei konsequenter Verfolgung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes dazu käme, eine Anlage zur Fortleitung und Abgabe von Gas als gefährlichen Betrieb zu bezeichnen, für welchen über den Rahmen des § 1315 ABGB hinausgehend gehaftet würde, während für den Installateur, welcher gewerbsmäßig davon lebe, an diesen gefährlichen Anlagen Anschlüsse, Reparaturen u. dgl. zu besorgen, eine Haftung nicht gegeben sei. Die Anlage zur Fortleitung und Abgabe von Gas sei, wenn sie einmal geschaffen worden ist, so gut wie überhaupt nicht gefährlich. Eine Gefahr entstehe immer erst dann, wenn durch Anschlüsse, Reparaturen usw. die Gefahr des unkontrollierten Abströmens von Gas geschaffen werde. Eine wirkliche Betriebsgefahr einer Gasfortleitungs- und - abgabeanlage entstehe effektiv erst dann, wenn von Installationsunternehmen daran Arbeiten durchgeführt würden; das Installationsunternehmen lebe ständig und gewerbsmäßig davon, jene Arbeiten gerade an Gasleitungs- und -abgabeanlagen durchzuführen, durch welche erst die spezifischen Gefahren entstunden. Auch ziehe aus den gefährlichen Arbeiten gerade der Installateur den Nutzen, weil er sich gewerbsmäßig mit dieser gefährlichen Tätigkeit beschäftige und davon lebe.
Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum angenommen, daß es sich bei dem Installationsunternehmen des Beklagten nicht um einen gefährlichen Betrieb handelt, bei welchem nach der herrschenden Lehre (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 690 ff.; Wolff in Klang 2. Aufl. VI 34) und Rechtsprechung (vgl. insbesondere 1 Ob 500/47, 2 Ob 119/54, 2 Ob 931/54, 2 Ob 168, 169/56) der Unternehmer für seine Angestellten ohne Rücksicht auf deren Untüchtigkeit haftet, soweit es sich um die von ihm geschaffenen Betriebsgefahren handelt und der Schaden von einem seiner Angestellten in Ausübung seines Dienstes herbeigeführt wurde.
Wenn auch die vom Gesetzgeber in einzelnen Fällen (RHG., SachschadenHG., KraftfVerkG., EKHG., LuftVerkG.) besonders ausgesprochene erweiterte Haftung des Unternehmers für die spezifische Betriebsgefahr grundsätzlich auf alle "gefährlichen Betriebe" anzuwenden ist, so darf doch gerade mit Rücksicht auf diese erweiterte Haftung des Unternehmens der Begriff des gefährlichen Betriebes nicht zu weit ausgelegt werden. Wie Ehrenzweig a. a. O. zutreffend ausführt, liegt der Grund für die erweiterte Haftung des Unternehmers bei gefährlichen Betrieben darin, daß bei solchen Betrieben dem Unternehmer Handlungen gestattet werden, die verboten wären, wenn die Rechtsordnung nur die gefährdeten Interessen Dritter im Auge hätte. So darf der Unternehmer bei solchen gefährlichen Betrieben gewaltige Elementarkräfte entfesseln, schwere Massen mit ungeheurer Geschwindigkeit dahingleiten lassen, Zundstoffe erzeugen oder verwenden, den festen Boden untergraben oder den Luftraum unsicher machen. Es muß sich also um Betriebe handeln, bei welchen nicht bloß infolge zufälliger konkreter Umstände, sondern infolge ihrer allgemeinen Beschaffenheit die Interessen Dritter schon dadurch in einer das normale Ausmaß der im modernen Leben stets bestehenden Gefährdung wesentlich übersteigenden Art gefährdet werden. Um die sonderrechtlichen Vorschriften über die erweiterte Haftung des Unternehmers für die spezifische Betriebsgefahr und das Verschulden der Personen, deren er sich beim Betrieb seines Unternehmens bedient, analog anwenden zu können, ist immer Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses Voraussetzung (2 Ob 255/52, 1 Ob 27/54, 2 Ob 168, 169/56). Bei dem Betrieb eines Gasinstallationsunternehmens werden nun nach seiner allgemeinen Beschaffenheit keineswegs so gewaltige Kräfte in Bewegung gesetzt oder gefährliche Stoffe in so bedrohend großem Umfang verwendet, daß damit schon an und für sich die Interessen Dritter in einem das Durchschnittsausmaß erheblich übersteigenden Grad gefährdet werden. Wenn eine in einem solchen Installationsbetrieb beschäftigte Person es fahrlässigerweise unterläßt, bestimmte Absperrungshähne zu schließen, so handelt es sich nicht um eine infolge der allgemeinen Beschaffenheit des Betriebes entstandene Gefährdung; diese Gefährdung ist vielmehr auf einen besonderen, zufälligen, konkreten Umstand zurückzuführen, nämlich darauf, daß eine im Betrieb beschäftigte Person, von der angenommen werden muß und von der im vorliegenden Fall auch feststeht, daß sie weiß, daß diese Absperrungshähne geschlossen werden müssen, zufolge Nachlässigkeit die Absperrung dieser Hähne nicht vorgenommen hat. Wenn aber die Gefährdung nicht auf die allgemeine Beschaffenheit des Betriebes, sondern nur auf zufällige konkrete Umstände zurückzuführen ist, kann im Sinne der Entscheidungen 1 Ob 27/54 und 2 Ob 168, 169/56 noch nicht von einem "gefährlichen Betrieb" gesprochen werden, aus welchen die erweiterten Haftpflichtbestimmungen für die spezifische Betriebsgefahr anzuwenden sind.
Der Kläger versucht auch, die Haftung des Beklagten aus der Vorschrift des § 1315 ABGB. abzuleiten. Er meint, es könne dem Geschädigten vollständig gleichgültig sein, ob die Schädigung durch einen Besorgungsgehilfen erfolgte, welcher seine Untüchtigkeit durch mehrmalige Verfehlungen unter Beweis gestellt habe, oder ob die Untüchtigkeit durch einen einzigen krassen Fahrlässigkeitsfall erwiesen sei. Die Auslegung der gesetzlichen Bestimmung des § 1315 ABGB. im Sinne der von den Untergerichten vertretenen Rechtsansicht hätte zur Folge, daß der Geschädigte nur in den allerseltensten Fällen Ersatz erlangen könne; die Absicht des § 1315 ABGB. sei es, eine Erfolgshaftung eines Dritten ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden zu schaffen. Auch dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung begrundet ein einmaliges Versagen einer sonst tüchtigen Person noch nicht die Annahme ihrer Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB. (vgl. die zahlreichen Entscheidungen zu Nr. 12 bei § 1315 ABGB. in der Großen Manzschen Ausgabe des ABGB., 26. Aufl., ferner ZVR. 1959 Nr. 214). Von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlaß.
Nach den Feststellungen der Untergerichte hat Paul A. gewußt, daß er die Sektionshähne vor der Entlüftung zu schließen habe, hat dies aber unterlassen, weil er die Arbeit rasch beenden wollte. Dem Paul A. kann daher nicht eine grobe Unkenntnis betriebswichtiger Vorschriften vorgeworfen werden. Aus dieser seiner einmaligen und nicht auf Unkenntnis zurückzuführenden Nachlässigkeit haben daher die Untergerichte mit Recht nicht den Schluß gezogen, Paul A. sei eine untüchtige Person im Sinne des § 1315 ABGB. (SZ. XXV 68, SZ. XXV 84).
Die Rechtsansicht der Untergerichte, der Beklagte hafte auch nicht nach § 1299 ABGB., weil der Beklagte zum Kläger in keinem Vertragsverhältnis stand, wird in der Revision nicht mehr bekämpft. Sie entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 141/58).