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OGH vom 27.02.2019, 6Ob22/19g

OGH vom 27.02.2019, 6Ob22/19g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** S 2. A***** H*****, beide *****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier und Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch Mag. Dr. Karin Kostan, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen 10.154 EUR sA sowie 4.858,20 EUR sA, über die Revision der Erstklägerin gegen das Teilurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 208/18x-28, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 2 C 298/17k-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Erstklägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 694,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Dem Sachverhalt liegen zwei getrennte Kaufverträge zugrunde: Zunächst vom über die Pferde „Julek“ und „Princess“ sowie vom ua über das Pferd „Fuchsi“. Die Erstklägerin macht aber Schadenersatzansprüche geltend, die sich nicht alle ausschließlich dem einen oder anderen Vertrag zuordnen lassen, so beispielsweise Verdienstentgang oder Kosten für Desinfektionsmittel. Daher ist unbedenklich, die von der Erstklägerin geltend gemachten Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 iVm § 55 Abs 4 JN zusammenzurechnen. Nach dem Klagsvorbringen ist zudem auch die Erkrankung des Pferdes „Fuchsi“ durch die Druse-Erkrankung des Pony „Julek“ ausgelöst worden, sodass letztlich alle Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt abgeleitet werden (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 150). Die von der Revisionsbeantwortung angestrebte Unzulässigkeit der Revision im Teilbetrag von 1.400 EUR betreffend die Wandlung des Kaufvertrags über das Pferd „Fuchsi“ (richtig wohl „Julek“) oder betreffend die nachträglich ausgedehnten Versorgungskosten hinsichtlich des Pferdes „Julek“ liegt damit nicht vor.

2.1. Die Revision ist jedoch entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2.2. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften bei einem innergemeinschaftlichen Verbringen von Pferden ausgehend von der Richtlinie 2009/156/EG und der Veterinärbehördlichen Binnenmarktverordnung BVO 2008, BGBl II 2008/473, fehle. Im Zusammenhang mit einer Schutzgesetzverletzung gelte dies insbesondere für die Frage, ob auch der Beklagte als Normadressat der BVO 2008 anzusehen sei, womit ihm neben der Erstklägerin eine Schutzgesetzverletzung anzulasten wäre.

2.3. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Frage kommt es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht an:

3.1. Die Anwendung österreichischen Sachrechts ist nicht strittig, zumal der Beklagte – insoweit in Übereinstimmung mit dem Klagsvorbringen – ausdrücklich die Anwendung österreichischen Rechts zugestanden hat. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht von einer beachtlichen Rechtswahl der Parteien ausgegangen (vgl RIS-Justiz RS0040169).

3.2. Die Revision steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, auch der Beklagte sei als Normadressat der „PVO 2008“ (richtig: BVO 2008) anzusehen. Er hafte daher für den Schaden, der dadurch entstanden sei, dass die Tiere ohne die notwendigen Dokumente und Untersuchungen von Deutschland nach Österreich gebracht wurden. Der Beklagte hätte die Tiere nicht verkaufen dürfen.

3.3. Die BVO 2008 gilt gemäß ihrem § 1 Z 1 ua für das innergemeinschaftliche Verbringen der in der Anlage 1 Spalte 1 genannten lebenden Tiere. Dort werden unter anderem die „Einhufer“ genannt, zu denen gemäß § 2 Abs 1 Z 7 BVO 2008 auch Pferde zählen. Nach § 6 Abs 1 BVO 2008 dürfen Tiere gemäß Anlage 1 Spalte 1 innergemeinschaftlich nur dann verbracht werden, wenn sie von einer Bescheinigung gemäß Anlage 1 Spalte 4 (im Fall der Einhufer ein Equidenpass) begleitet werden und der bescheinigungsbefugte amtliche Tierarzt des Herkunftsbetriebs oder einer Sammelstelle bescheinigt, dass die Anforderungen der in der Anlage 1 Spalte 3 sowie gegebenenfalls Anlage 8 genannten Rechtsnormen eingehalten werden.

3.4. Gemäß § 6 Abs 3 BVO 2008 hat die zuständige Behörde des Versandorts beim innergemeinschaftlichen Verbringen die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats möglichst am Tag der Ausstellung der Bescheinigung, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden nach Ausstellung der Bescheinigung, mittels TRACES zu verständigen. Bei TRACES (TRAde Control and Expert System) handelt es sich um ein von der Europäischen Union eingeführtes Datenbanksystem, mit dem der gesamte Tierverkehr innerhalb der EU sowie aus der und in die EU erfasst wird. Grundlage ist die Entscheidung 2003/623/EG der Europäischen Kommission vom über die Entwicklung eines integrierten EDV-Systems für das Veterinärwesen.

3.5. Nach § 11 BVO 2008
– Innergemeinschaftliches Verbringen nach Österreich – haben die Empfänger von lebenden Tieren die voraussichtliche Ankunftszeit unter Angabe der Art und der Anzahl der Tiere mindestens einen Werktag vor der Ankunft der für den Bestimmungsort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde mitzuteilen. Ausgenommen von dieser Mitteilungspflicht sind registrierte Pferde mit einem Dokument zu ihrer Identifizierung nach der Richtlinie 90/427/EWG.

3.6. Nach § 22 BVO 2008 müssen registrierte Equiden, zu denen auch Pferde zählen, beim innergemeinschaftlichen Verbringen von einem Pass gemäß der Entscheidung 93/623/EWG einschließlich Änderung durch die Entscheidung 2000/68/EG begleitet werden; weiters muss das Kapitel VIII des Passes von einem amtlichen Tierarzt vor dem Transport bestätigt worden sein. Sollten registrierte Equiden gehandelt werden, ist zusätzlich zum Pass auch die Bescheinigung gemäß Anhang B der Richtlinie 90/426/EWG mitzuführen (§ 22 Abs 2 BVO 2008).

4.1. Im vorliegenden Fall steht fest, dass diese Vorschriften nicht eingehalten wurden. § 5 Abs 9 BVO 2008 bestimmt, dass zur Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung über Bescheinigungen sowohl der Bescheinigungsbefugte, als auch der Absender, der Verfügungsberechtigte und der Empfänger der Sendung verpflichtet sind. Bescheinigungsbefugter ist gemäß § 2 Abs 1 Z 3 BVO 2008 ein amtlicher Tierarzt, oder, falls die veterinärrechtlichen Vorschriften dies vorsehen, jede andere Person, die von der zuständigen Behörde zur Unterzeichnung der in den genannten Vorschriften vorgesehenen Bescheinigungen befugt ist.

4.2. Die Begriffe des Absenders und des Empfängers werden in der Verordnung nicht definiert. Verfügungsberechtigter ist gemäß § 2 Abs 1 Z 30 BVO 2008 jene Person, die berechtigt ist, über die Behandlung der Sendung (insbesondere über die Maßnahmen bei deren Beförderung) zu bestimmen. Nach dem Sachverhalt, wonach die Erstklägerin die Pferde selbst beim Beklagten in Deutschland abgeholt hat, ist diese daher ab dem Beginn des Transports als alleinige Verfügungsberechtigte anzusehen. Nicht zu beanstanden ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte den Begriff des „Absenders“ nicht erfüllt, da er die Pferde nicht „abgesendet“ hat, sondern die Erstklägerin die Pferde selbst bei ihm abgeholt hat. Der Beklagte hat auch keinen Tiertransport nach Österreich in Auftrag gegeben oder diesen im Sinn eines „Absenders“ veranlasst.

4.3. Aus der in der Revision zitierten Richtlinie 2009/156/EG des Rates vom zur Festlegung der tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Verbringen von Equiden und für ihre Einfuhr aus Drittstaaten können im Übrigen keine unmittelbaren Pflichten des Beklagten abgeleitet werden, weil Richtlinien grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden müssen; der Einzelne kann durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden, ebensowenig besteht eine unmittelbare Wirkung von Bestimmungen nicht umgesetzter Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen (RIS-Justiz RS0111214).

4.4. Die Erstklägerin hat ihre Ansprüche auf Schadenersatz gestützt. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte Adressat der dargestellten Pflichten war, ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen ein für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche erforderliches Verschulden des Beklagten verneint haben: Nach den Feststellungen wies der Beklagte die Erstklägerin jeweils ausdrücklich darauf hin, dass sie TRACES für die Pferde benötige bzw eine veterinärmedizinische Bescheinigung für den Transport und Lieferung innerhalb der EU notwendig sei, und bot ihr auch an, dabei behilflich zu sein. Die Erstklägerin erklärte jedoch jeweils, sie brauche dies nicht, obwohl sie über die Einfuhrbestimmungen und die erforderlichen TRACES Bescheid wusste; zudem waren ihr die Untersuchungen zu teuer und sie hatte es eilig.

4.5. Bei dieser Sachlage ist aber der Einschätzung der Vorinstanzen beizutreten, dass der Beklagte seinen Pflichten zur Aufklärung der Erstklägerin (vgl RIS-Justiz RS0014811) ausreichend nachgekommen ist und ihn kein Verschulden an jenen Schäden trifft, die die Erstklägerin in der Klage geltend macht. Am Vorgang des Verbringens über die Staatsgrenze hat der Beklagte in keiner Weise mitgewirkt, sodass es ausschließlich die Erstklägerin selbst war, die jene Vorschriften übertreten hat, die Schäden wie die hier durch Einschleppung von Tierseuchen entstandenen gerade verhindern sollen (vgl § 4 Tierseuchengesetz). Dazu kann auch auf den allgemeinen Grundsatz verwiesen werden, wonach das weitaus überwiegende Verschulden des Beschädigten die Haftung des anderen Teils gänzlich aufhebt (RIS-Justiz RS0027202). Der Beklagte kann nicht dazu verpflichtet werden, nach dem bereits abgeschlossenen Erwerbsvorgang ein Verbringen der Pferde über die Grenze durch die Erstklägerin zu verhindern.

6. Zu den weiteren Vorwürfen

6.1. Die Revision macht geltend, hinsichtlich des Pferdes „Fuchsi“ sei auch kein Pferdepass vorgelegen. Weiters habe der Beklagte beim Verkauf am auch gegen die Bestimmungen zum Tierschutz bei Tiertransporten verstoßen, da ein sofortiger Weitertransport nach einem Transport von 10 bis 11 Stunden nicht hätte stattfinden dürfen.

6.2. Nach den Feststellungen wurde der Erstklägerin bis zuletzt kein Pferdepass für das Pferd „Fuchsi“ übergeben. Die Bezugnahme darauf in der Revision ist jedoch nicht relevant, weil nicht festgestellt werden konnte, woran das Pferd „Fuchsi“ verendet ist und ob eine Erkrankung erkennbar gewesen war, sondern nur, dass es drei Bakterienarten aufwies. Im Sachverhalt finden sich keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Beklagten, weil sich das Pferd „Fuchsi“ nur etwa eine Stunde am Hof des Beklagten befunden hatte, was der Erstklägerin auch bekannt war, sodass der Beklagte keine Möglichkeit zur Begutachtung des Gesundheitszustands des von der Erstklägerin ausgesuchten Pferdes hatte.

6.3. Zutreffend ist zwar, dass der Erstklägerin bislang kein Pferdepass für das Pony „Fuchsi“ übergeben wurde; einen Anspruch auf Übergabe des Pferdepasses macht die Erstklägerin aber nicht geltend. Hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen die Vorschriften über den Tiertransport ist eine Relevanz nicht ersichtlich, zumal nicht festgestellt werden konnte, woran das Pferd „Fuchsi“ verendet ist. Zudem war es die Erstklägerin selbst, die die Tiere weiter transportierte, obwohl ihr der davor stattgefundene lange Transport bekannt war. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den von der Erstklägerin geltend gemachten Schäden und der Nichtübergabe eines Pferdepasses für das Pferd „Fuchsi“ sowie einer allfälligen Verletzung der tiertransportrechtlichen Vorschriften lässt sich damit aus dem Sachverhalt nicht ableiten.

7. Zur Kaufvertragsrückabwicklung hinsichtlich des Ponys „Julek“:

7.1. Die Revision begründet den Rückzahlungsanspruch nur noch damit, dass der Beklagte eine Gesundheitsattestation gemäß Art 8 Abs 1 lit a der Richtlinie 2009/156/EG übergeben hätte müssen. Diesbezüglich wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass die Richtlinie keine unmittelbaren Pflichten des Beklagten begründet.

8. Zum Pferd „Fuchsi“:

8.1. Zum Pferd „Fuchsi“ macht die Revision geltend, der Beklagte hätte den Gesundheitszustand zu überprüfen gehabt bzw hätte ein Weitertransport nicht stattfinden dürfen; zudem sei das Pferd entgegen den gesetzlichen Bestimmungen ohne Pferdepass gehandelt worden. Schließlich sei gemäß § 924 ABGB von der Vermutung der Erkrankung des Pferdes zum Übergabezeitpunkt auszugehen.

8.2. Dazu kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Am Verbringen über die Staatsgrenze war der Beklagte nicht beteiligt und hat dieses auch nicht beauftragt, zudem wies er die Erstklägerin auf die erforderlichen Untersuchungen und Dokumente hin.

8.3. § 924 ABGB enthält keine Vermutung der Mangelhaftigkeit einer Sache, sondern nur die Vermutung, dass ein innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorgekommener Mangel bereits im Übergabezeitpunkt vorlag. Diese Bestimmung berührt aber in keiner Weise die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich: Die Beweislast dafür, dass die übergebene Sache überhaupt mangelhaft ist, trägt somit (weiterhin) der Übernehmer der Sache (RIS-Justiz RS0124354). Der Beweis eines Mangels ist der Erstklägerin nicht gelungen, weil nur feststeht, dass das Pferd „Fuchsi“ drei Bakterienarten aufwies, jedoch nicht, woran das Pferd verendet ist. Selbst wenn man von einer Erkrankung von „Fuchsi“ zum Übergabezeitpunkt ausgeht, fehlt es aber für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche an einem Verschulden des Beklagten.

9. Zusammenfassend bringt die Erstklägerin sohin keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

10. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat zwar nicht formell die Zurückweisung der Revision beantragt, aber inhaltlich Gründe angeführt, die die Unzulässigkeit der Revision zur Folge hatten. Ein Streitgenossenzuschlag war jedoch nicht zuzuerkennen, weil dem Beklagten im Revisionsverfahren ausschließlich die Erstklägerin gegenüberstand. USt war nicht zuzusprechen (RIS-Justiz RS0114955).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00022.19G.0227.000

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