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OGH vom 14.12.2006, 5Ob226/06f

OGH vom 14.12.2006, 5Ob226/06f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Beate T 2. Franz T*****, beide vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 17.480 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 81/05h-33, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 8 Cg 42/05k-18, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin, die Beklagten zur Erbringung bestimmter Leistungen sowie zur Zahlung eines Betrages von EUR 6.480 sA zu verpflichten. Das Erstgericht trug den Beklagten die Erstattung einer Klagebeantwortung auf, welchem Auftrag diese auch fristgerecht nachkamen. In der Klagebeantwortung wurde die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes erhoben. Das Erstgericht beraumte für den eine mündliche Verhandlung an, verfügte eine Ladung der Parteien zu einer „Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung" (Lad B 1) und ordnete weiters an, dass auf dieser Ladung der Beisatz „Einschränkung auf Zuständigkeitsfrage" angebracht werde. So erhielt der Rechtsvertreter der Beklagten für den nicht die „Ladung zur eingeschränkten vorbereitenden Tagsatzung" (Lad A 1), auch nicht die „Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung" (Lad A 2), sondern eine „Ladung zu einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung" mit dem Beisatz „Einschränkung auf Zuständigkeitsfrage".

Beide Parteien brachten danach noch Schriftsätze ein. Die Tagsatzung vom wurde von der Klägerin versäumt. Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese Versäumung wurde rechtskräftig abgewiesen.

Aus dem Protokoll dieser Tagsatzung ergibt sich Folgendes:

„Für die Klägerseite ist niemand erschienen. Die Ladung des Klagsvertreters ist ausgewiesen.

Der Beklagtenvertreter zieht schließlich die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurück und beantragt negatives Versäumungsurteil und legt Kostenverzeichnis. Die Entscheidung erfolgt schriftlich". Das Erstgericht erließ nach Erledigung des Wiedereinsetzungsantrags ein abweisendes Versäumungsurteil, das es wie folgt begründete:

Es handle sich um ein negatives Versäumungsurteil, nachdem „klägerseits" die Verhandlung vom versäumt wurde. Der zur Vermeidung der Versäumnisfolgen - nämlich des negativen Versäumungsurteils - „klägerseits" erhobene Wiedereinsetzungsantrag sei mittlerweile rechtskräftig abgewiesen. Der Fällung des „beklagterseits" beantragten negativen Versäumungsurteils stünde daher kein prozessuales Hindernis mehr entgegen.

Einer dagegen von der Klägerin erhobenen Nichtigkeitsberufung gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es hob das angefochtene Versäumungsurteil als nichtig auf, wies den Antrag der Beklagten auf Fällung eines Versäumungsurteils ab und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Zum angezogenen Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO führte das Berufungsgericht aus, dass dieser nur durch den völligen Mangel der Gründe, nicht jedoch durch eine mangelhafte Begründung verwirklicht werde. Darüber hinaus werde dieser Nichtigkeitsgrund auch dann verwirklicht, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlten und allgemeine Wendungen gebraucht würden, also bloß eine Scheinbegründung vorliege. Eine bloß mangelhafte, aber verfehlte oder unvollständige Begründung stelle den Nichtigkeitsgrund nicht her. Ob das angefochtene Urteil im Sinn dieser Überlegungen allenfalls wegen eines Verstoßes gegen § 417 ZPO nichtig sei, könne jedoch dahingestellt bleiben, weil das Urteil aus anderen Gründen jedenfalls als nichtig aufzuheben sei.

Das angefochtene Urteil sei nämlich mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO behaftet, was der Berufungswerber - wenn auch unter dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens - zutreffend aufgezeigt habe.

Nach dem Akteninhalt habe das Erstgericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 260 Abs 1 ZPO iVm § 258 Abs 1 ZPO abgesondert über die von den Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zu verhandeln und zu entscheiden. Aus der entsprechenden Verfügung sei klar zu entnehmen, dass vor Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung gemäß § 258 ZPO (Verhandlung in der Sache) eine abgesonderte Tagsatzung stattfinden sollte. Dem Erstgericht sei es sodann verwehrt gewesen, nach Erledigung der Einrede sofort in die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Sache selbst einzutreten, weil dadurch die Bestimmung des § 257 Abs 1 ZPO, welche eine dreiwöchige Vorbereitungsfrist als Mindestfrist vor einer vorbereitenden Tagsatzung vorsehe, verletzt worden sei. Diese Frist - eine instruktionelle Frist - müsse von der Zustellung der Ladung an gewahrt sein. Die Unterschreitung dieser Frist könne zum einen einen Verfahrensmangel begründen, der auf seine Relevanz zu prüfen sei. Sie könne aber auch Nichtigkeit nach sich ziehen, wenn die Zeit zwischen der Zustellung der Ladung und der Tagsatzung so kurz gewesen sei, dass es den Parteien unmöglich war, ohne besondere Schwierigkeiten bei Gericht zu erscheinen. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen. Stets sei jedoch das Vorliegen einer wirksamen Zustellung Voraussetzung für eine Säumnis und damit von Säumnisfolgen. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO schütze den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör und sei dann verwirklicht, wenn folgende Voraussetzungen zusammenträfen: Ein ungesetzlicher Vorgang, der einer Partei die Möglichkeit nehme, vor Gericht zu verhandeln. Die gesetzwidrige Anwendung von Säumnisfolgen und Präklusion bewirke dort, wo kein solcher im Gesetz vorgegebener Säumnis- oder Präklusionstatbestand vorliege, ebenfalls Nichtigkeit. Im vorliegenden Fall sei das sofortige Eingehen in die Hauptsache nach Erledigung der Prozesseinrede unzulässig gewesen, weil noch keine vorbereitende Tagsatzung gemäß § 257 ZPO anberaumt gewesen sei und den Parteien also die Vorbereitungsfrist des § 257 Abs 1 ZPO nicht zur Verfügung gestanden sei. Zudem sei anzumerken, dass die Klägerin (nur) eine Ladung zur Tagsatzung über die Verhandlung der Prozesseinrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts erhalten habe. Eine Ladung der Klägerin zur Verhandlung in der Hauptsache sei nach der Aktenlage nicht erfolgt. Damit könne die Klägerin aber nur von weiterem Prozessvorbringen bezogen auf den eingeschränkten Entscheidungsgegenstand ausgeschlossen werden. Andere Säumnisfolgen seien nicht eingetreten.

Daraus ergebe sich zusammenfassend, dass das Erstgericht in gesetzwidriger Weise Säumnis- und Präklusionsfolgen angewendet habe, überdies die Bestimmung des § 257 Abs 1 ZPO verletzt habe, sodass die Voraussetzungen des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO gegeben seien. Das Berufungsgericht führte noch aus, dass - sehe man vom Vorliegen des Nichtigkeitstatbestandes ab - das erstinstanzliche Verfahren überdies auch mangelhaft geblieben sei. Die Beklagten hätten nämlich mangels Vortrags der Klagebeantwortung in der mündlichen Verhandlung nicht einmal unsubstantiiert das Klagebegehren bestritten. Deshalb seien die Voraussetzungen für die Fällung eines negativen Versäumungsurteils nicht vorgelegen. Der bloße Antrag auf Fällung eines „negativen Versäumungsurteils" genüge nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht.

Das Erstgericht werde nunmehr von Amts wegen eine vorbereitende Tagsatzung iSd § 258 ZPO anzuberaumen haben.

Die Kostenentscheidung gründete das Berufungsgericht auf die Bestimmungen der §§ 40, 41 und 50 ZPO; eine Kostenentscheidung nach § 51 ZPO hätte nämlich zur Voraussetzung, dass eine Aufhebung des Verfahrens verfügt werde.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, dass zur hier zu beurteilenden prozessrechtlichen Frage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Versäumungsurteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben, der Klage vollinhaltlich stattzugeben, in eventu die zweitinstanzliche Entscheidung zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Entscheidend dafür, ob das vom Erstgericht gefällte negative Versäumungsurteil mit dem durch die Verletzung des rechtlichen Gehörs verwirklichten Nichtigkeitsbestand des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO behaftet ist, ist zunächst, ob die Klägerin überhaupt zu einer mündlichen Streitverhandlung geladen worden war.

Dabei folgt der erkennende Senat der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass durch die bedingungslose Einschränkung der Verhandlung auf die Zuständigkeitsfrage trotz Verwendung eines an sich nicht geeigneten Formblatts für den Empfänger einer solchen Ladung der Eindruck bewirkt wurde, es werde in der anberaumten Verhandlung ausschließlich über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes verhandelt und entschieden, nicht aber dann gemäß § 261 Abs 2 ZPO angeordnet werden, dass die Verhandlung zur Hauptsache aufgenommen werde. Das wäre nur durch einen Beisatz wie etwa „vorerst Einschränkung auf Zuständigkeitsfrage" oder eine ähnliche Klarstellung geschehen.

Für die Bedeutung und den Umfang einer gerichtlichen Prozesshandlung ist der tatsächliche Wille des Staatsorgans unbeachtlich, es kommt nur auf die geäußerte Erklärung des Gerichtswillens an, also auf die nach außen getretene Erklärung nach ihrem Wortlaut, objektiven Erklärungswert und Deckung durch das Gesetz (vgl Fasching, Lehrbuch² Rz 745).

Der Empfänger der Ladung, hier die Klägerin konnte daher durch die Verwendung des Begriffs „Einschränkung auf Zuständigkeitsfrage" in der gerichtlichen Ladung annehmen, dass durch diese unanfechtbare prozessleitende Verfügung (vgl Kodek in Fasching² Rz 29 zu § 261 ZPO) nach § 189 ZPO eine abgesonderte Verhandlung über die Prozesseinrede des Gegners anberaumt war.

Eine das Gebot des rechtlichen Gehörs ausreichend erfüllende Ladung (vgl RIS-Justiz RS0042202) zu einer mündlichen Verhandlung in der Hauptsache liegt dann nicht vor, wenn die Ladung bloß zu einer auf die Erörterung und Entscheidung einer Prozesseinrede eingeschränkten Verhandlung erfolgte. Damit wird dem Gebot der Gewährung des Gehörs nicht Genüge getan, weil infolge Information über die Einschränkung des Verhandlungsgegenstandes die Partei nicht mit einem sofortigen Eingehen in die Sache und einer Verhandlung in der Sache bzw entsprechenden Säumnisfolgen rechnen musste. Ein nach § 396 Abs 2 ZPO gefälltes Versäumungsurteil ist daher aufgrund des ungesetzlichen Zustellvorganges mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO behaftet.

Dazu kommt, dass ein sofortiges Eingehen in die Verhandlung der Bestimmung des § 257 ZPO widersprach, weil noch keine vorbereitende Tagsatzung anberaumt war und den Parteien daher noch die Vorbereitungsfrist des § 257 Abs 1 ZPO zustand (vgl Kodek aaO Rz 22 zu § 261 ZPO). Durch die Nichtbeachtung der instruktionellen Frist des § 257 Abs 1 ZPO wird zwar in der Regel nur eine Mangelhaftigkeit bewirkt, eine Nichtigkeit jedoch dann, wenn es einer Partei durch die Vorgangsweise unmöglich gemacht wurde, ohne besondere Schwierigkeiten bei Gericht zu erscheinen (vgl Kodek aaO Rz 7 zu § 257 ZPO mwN). Voraussetzung für den Eintritt von Säumnisfolgen ist daher stets das Vorliegen einer wirksamen Zustellung der Ladung und Fristsetzung. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass diese Voraussetzung dann nicht gegeben ist, wenn ausschließlich eine abgesonderte Verhandlung über Prozesseinreden anberaumt wurde, dann aber in die Verhandlung in der Sache eingegangen wurde.

Ob unter diesem Aspekt auch der Verstoß gegen die Bestimmung des § 257 ZPO den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO herstellt, muss hier nicht erörtert werden, weil dieser Nichtigkeitsgrund ohnehin schon durch die zuvor beanstandete Vorgangsweise verwirklicht ist. Es erübrigt sich deshalb auch ein Eingehen auf die weiters geltend gemachten Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder der Nichtigkeit aus dem Grund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO, weil es nicht zur Aufhebung des Verfahrens sondern nur zur Aufhebung der Entscheidung kam (vgl Bydlinski in Fasching² Rz 1 f zu § 50 ZPO;4 Ob 192/98t; 6 Ob 88/04s ua).

Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.