OGH 18.06.2013, 4Ob40/13f
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, Wien 4, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 173/12v-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 29 Cg 205/10g-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass - unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Ausspruchs über das Zinsenmehrbegehren - das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.206,27 EUR (darin 502,04 EUR USt und 194 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist die aufgrund von § 32 Z 8 WAG 1996 geschaffene Entschädigungseinrichtung für Wertpapierunternehmen.
Der Kläger veranlagte insgesamt 42.940,42 EUR bei der A***** AG und bei der A***** AG, zwei miteinander verbundenen Mitgliedsunternehmen der Beklagten (idF A*****-Gesellschaften). Diese veranlagten die Gelder ihrer Kunden in zwei als „Sociétés d’Investissement à Capital Variable“ (Investitionsgesellschaften mit variablem Kapital, idF: SICAV-Fonds) organisierten luxemburgischen Fonds. Am wurden Rückkäufe und Zeichnungen für diese Fonds suspendiert, in weiterer Folge wurde darüber ein - noch immer anhängiges - Liquidationsverfahren nach luxemburgischem Recht eingeleitet. Am wurde auch über das Vermögen der beiden österreichischen A*****-Gesellschaften der Konkurs eröffnet; in weiterer Folge zeigte der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit an.
Die Veranlagungen des Klägers erfolgten zu Depot Nr 921215 (43.603,70 EUR, wovon ihm später 25.008,35 EUR refundiert wurden, weshalb noch 18.595,35 EUR offen sind), zu Depot Nr 931593 (15.215,31 EUR) und zu Depot Nr 931636 (10.000 EUR). Diese Einzahlungen stehen außer Streit.
Der Kläger begehrte zuletzt (ON 13, Anhang S 1 = AS 109), gestützt auf § 23b Abs 3 Z 1 WAG 1996, 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit und 4 % Zinseszinsen seit bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der Beklagten; hilfsweise strebte er die Feststellung an, dass ihm die Beklagte für sämtliche Schäden aus der klagsgegenständlichen Veranlagung dem Grunde und der Höhe nach hafte (ON 13). Er legte zum Nachweis seiner Ansprüche folgende Urkunden vor: zu Depot Nr 921215 mit Schriftsatz vom (ON 6) ein Anlegerzertifikat vom über die Annahme seines Antrags über einen Einmalerlag von 43.603,70 EUR (Beil ./B) und einen Einzahlungsbeleg vom über diesen Betrag 43.603,70 EUR (Beil ./C); zu Depot Nr 931593 mit Schriftsatz vom (ON 6) ein Anlegerzertifikat vom über die Annahme seines Antrags über einen Einmalerlag von 14.354,07 EUR (Beil ./D); zu Depot Nr 931636 in der Tagsatzung vom (ON 13) ein Anlegerzertifikat vom über die Annahme seines Antrags über einen Einmalerlag von 10.000 EUR (Beil ./G) und ein Schreiben einer der A*****-Gesellschaften vom , aus dem eine entsprechende Einzahlung hervorgeht (Beil ./I).
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Forderung des Klägers sei mangels rechtzeitiger bzw ordnungsgemäßer Legitimierung nicht fällig: Zu Depot Nr 921215 sei laut Anlegerzertifikat neben dem Kläger auch H***** H***** zeichnungsberechtigt, doch habe nur der Kläger einen Entschädigungsanspruch bei der Beklagten angemeldet und gerichtlich geltend gemacht. Der Kläger habe einen direkten Anspruch gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse und könne dadurch 70 % seiner Forderungen befriedigen; im selben Ausmaß reduziere sich die Haftung der Beklagten. Das in § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG 2007 vorgesehene Treuhandvermögen der Beklagten reiche nicht zur Erfüllung sämtlicher Anlegeransprüche aus, weshalb eine quotenmäßige Befriedigung stattfinden müsse, deren Ausmaß noch nicht feststellbar sei. Der Kläger habe daher derzeit noch keinen fälligen Leistungsanspruch. Hilfsweise stellt die Beklagte folgende Anträge: Dem Klagebegehren möge Zug um Zug gegen Übertragung der Forderung des Klägers im Zusammenhang mit dem Konkursfall A***** von 20.000 EUR samt zugesprochenen Zinsen gegen die Liquidationsmasse der SICAV-Fonds Top Ten Multifonds und A***** in Luxemburg (Nr B 42287 des luxemburgischen Handelsregisters) gegen M***** und M***** in ihrer Eigenschaft als Liquidatoren der genannten SICAV-Fonds (je nachdem, ob die Forderung gegen die Liquidationsmasse oder die Liquidatoren besteht), gegen die Republik Österreich (insbesondere aus dem Titel der Amtshaftung) sowie gegen die B***** GmbH und die D***** AG - Zweigniederlassung Wien (insbesondere aus dem Titel des Schadenersatzes) zugesprochen werden; der Zuspruch auf Zahlung sei durch den Zusatz „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007“ zu präzisieren.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der Beklagten zu und wies das Zinsenmehrbegehren und die beiden Eventualanträge der Beklagten ab. Die vom Kläger am vorgelegten Urkunden seien ausreichend gewesen, ihn als geschädigten A*****-Anleger auszuweisen; ab Vorlage dieser Belege habe die Beklagte den geltend gemachten Anspruch prüfen können. Eine Prüffrist von bis zu sechs Monaten und eine Zahlungsfrist von drei Monaten sei angemessen, weshalb der Zinsenlauf am beginne. Die Beklagte sei zur Zahlung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ zu verpflichten. Allfällige zu erwartende Ausschüttungen im Konkursverfahren kürzten den gegenüber der Beklagten verfolgten Anspruch auf Entschädigungsleistung nicht. Die von der Beklagten zu erbringende Leistung stehe in keinem Austauschverhältnis zu einer vom Kläger zu erbringenden Gegenleistung, weshalb die Zug-um-Zug-Einrede der Beklagten unbegründet sei.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren mit 18.595,35 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 1.404,65 EUR mangels Fälligkeit ab. Der Urteilsspruch einschließlich der unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Teile lautete (nach Berichtigung):
„1. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger 18.595,35 EUR samt 4 % Zinsen seit binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen zu zahlen.
2. Das Hauptmehrbegehren von 1.404,65 EUR samt 4 % Zinsen aus 20.000 EUR vom bis und aus 1.404,65 EUR seit sowie von 4 % Zinseszinsen aus 20.000 EUR seit wird abgewiesen.
3. Das Eventualbegehren, es möge festgestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche Schäden aus der klagsgegenständlichen Veranlagung dem Grunde und der Höhe nach hafte, wird abgewiesen.
4. Der Eventualantrag der Beklagten, dem Klagebegehren Zug um Zug gegen Übertragung der Forderung des Klägers im Zusammenhang mit dem Konkursfall A***** von 20.000 EUR samt zugesprochenen Zinsen gegen die Liquidationsmasse der SICAV-Fonds Top Ten Multifonds und A***** in Luxemburg (Nr B 42287 des luxemburgischen Handelsregisters) gegen M***** und M***** in ihrer Eigenschaft als Liquidatoren der genannten SICAV-Fonds (je nachdem, ob die Forderung gegen die Liquidationsmasse oder die Liquidatoren besteht), gegen die Republik Österreich (insbesondere aus dem Titel der Amtshaftung) sowie gegen die B***** GmbH und die D***** AG - Zweigniederlassung Wien (insbesondere aus dem Titel des Schadenersatzes) zuzusprechen, wird abgewiesen.
5. Der Eventualantrag der Beklagten, den Zuspruch auf Zahlung bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 107/2007 zu präzisieren, wird abgewiesen.“
Der Kläger habe zum Nachweis seiner aus Depot Nr 921215 resultierenden Forderung am sowohl ein Anlegerzertifikat als auch einen Einzahlungsbeleg vorgelegt und damit seine Legitimationspflicht rechtzeitig erfüllt. Anderes gelte jedoch für die anderen beiden Depots: Zum Nachweis seiner auf Depot Nr 931593 beruhenden Forderung habe der Kläger nur ein Anlegerzertifikat beigebracht, das bloß belege, dass sein Antrag über einen Einmalerlag angenommen worden sei, aber nicht beweise, dass er diesen Betrag in weiterer Folge auch tatsächlich geleistet habe. Seine auf Depot Nr 913636 gestützte Forderung habe der Kläger erst am ordnungsgemäß nachgewiesen; sie sei daher mangels Ablaufs der in § 23b Abs 2 WAG 1996 verankerten dreimonatigen Auszahlungsfrist noch nicht fällig. Der Einwand der mangelnden Fälligkeit sei daher im Umfang von 1.404,65 EUR sA berechtigt. Der Einwand fehlender Aktivlegitimation zu Depot Nr 921215 sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Angesichts der Massearmut der in Konkurs verfallenen A*****-Gesellschaften lägen die Auszahlungsvoraussetzungen in Ansehung von 18.595,35 EUR sA vor. Die Beklagte habe in diesem Umfang zu leisten, ohne dass abgewartet werden müsse, ob und in welchem Umfang in den in Österreich anhängigen Konkursverfahren und/oder in dem in Luxemburg geführten SICAV-Liquidationsverfahren Ausschüttungen erfolgen werden. Der Einwand der Beklagten, ihr Treuhandvermögen reiche zur Erfüllung aller Forderungen nicht aus, weshalb diese quotenmäßig zu befriedigen seien, sei nicht stichhältig und fände keine Stütze im Gesetz. Die im Klagebegehren enthaltene Einschränkung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ entspreche den gesetzlichen Vorgaben, für eine weitere Präzisierung bleibe kein Raum. Folge man der Argumentation der Beklagten, wonach dem Kläger gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse unmittelbare Ansprüche zustünden, so trete die Beklagte, deren Rechtsbeziehungen zum Kläger dem österreichischen Recht unterlägen, gemäß § 1358 ABGB in diese Ansprüche ein. Angesichts dieses gesetzlichen Forderungsübergangs sei auch der zweite Eventualantrag der Beklagten unbegründet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen beider Parteien sind zulässig; jene des Klägers ist auch berechtigt.
I. Zur Revision des Klägers
Der Kläger bekämpft die Abweisung des Zahlungsbegehrens von 1.404,65 EUR sA durch das Berufungsgericht; er habe mit Vorlage des Anlegerzertifikats seinen Anspruch auf Entschädigung ausreichend nachgewiesen.
1. Der Oberste Gerichtshof hat zur Fälligkeit von Ansprüchen gegen die Entschädigungseinrichtung nach §§ 23b bis 23d WAG 1996 in ständiger Rechtsprechung Folgendes ausgesprochen:
Die Feststellung der Forderung gemäß § 23b Abs 2 und § 23c Abs 4 WAG 1996 beruht auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen sind jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszubezahlen. Je nach Komplexität des Sachverhalts zur Feststellung der Forderung wird der Entschädigungseinrichtung daher eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen sein. Eine Überschreitung eines Prüfungszeitraums von sechs Monaten wird aber nur in besonderen Fällen gerechtfertigt sein, weil die Anlegerentschädigungseinrichtung ohne ungebührliche Verzögerung zu entschädigen hat. Der Entschädigungsanspruch des Anlegers ist daher - unter der Voraussetzung der hier erfolgten fristgerechten Anmeldung nach § 23c Abs 2 WAG 1996 (ein Jahr ab Eröffnung des Konkurses) - grundsätzlich mit Ablauf der Auszahlungsfrist fällig (2 Ob 171/12d mwN; RIS-Justiz RS0126982).
2. Im Zusammenhalt von Beweislast und dem klaren und eindeutigen Text des § 23b Abs 2 WAG 1996, der eine „Legitimierung“ verlangt, liegt es auf der Hand, dass der Anleger mehr tun muss, als nur seine Daten bekannt zu geben (RIS-Justiz RS0126982 [T3]). Für die Legitimierung des Anlegers nach § 23b Abs 2 Satz 3 WAG 1996 reicht es nicht aus, auf einer Liste von Geschädigten neben Namen und Adresse lediglich eine Depotnummer und die Höhe der gestellten Forderung anzugeben (RIS-Justiz RS0126982 [T4]). Anlegerzertifikat und Kopie des Einzahlungsbelegs reichen zur Prüfung der Legitimation aus; die Vorlage dieser Urkunden löst den Beginn der Prüffrist aus (2 Ob 171/12d).
3. Das Berufungsgericht hat die Vorlage allein des Anlegerzertifikats Beil ./D, nicht als ausreichenden Nachweis dafür angesehen, dass der in Aussicht genommene Einmalerlag in weiterer Folge auch tatsächlich geleistet worden sei, und deshalb die Fälligkeit eines entsprechenden Teilbetrags des Klagebegehrens verneint.
Diese rechtliche Schlussfolgerung allein aufgrund einer Urkunde ist eine in dritter Instanz grundsätzlich revisible rechtliche Beurteilung (vgl RIS-Justiz RS0017911 [T13]). Sie bedarf auch einer Berichtigung.
Das Anlegerzertifikat Beil ./D bestätigt seinem Wortlaut nach nämlich nicht nur, dass der Antrag des Klägers über einen Einmalerlag angenommen wird, sondern nennt in der Folge nicht nur die Höhe des Einzahlungsbetrags und den Beginn der zehnjährigen Laufzeit (), sondern vor allem auch ein Investitionsdatum (). Gibt aber der Vertragspartner des Investors diesem ein „Investitionsdatum“ bekannt, lässt dies nur den Schluss zu, dass er über die zu veranlagende Summe bereits verfügt, weil ohne Verfügungsgewalt über die Investitionssumme aus seiner Sicht ja noch keine Investition vorliegen kann. Beilage ./D ist daher als ausreichender Nachweis dafür anzusehen, dass der darin genannte Einmalerlag bereits eingezahlt worden ist. Das Berufungsgericht hat deshalb die Fälligkeit eines entsprechenden Teilbetrags des Klagebegehrens unrichtig verneint.
4. Der Revision des Klägers ist Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Hauptleistungsbegehren mit einem weiteren Betrag von 1.404,65 EUR samt 4 % seit zuzusprechen ist. Da der Kläger die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens durch das Erstgericht unbekämpft gelassen hat, kann dieser Teil des Zahlungsbegehrens - ungeachtet des darauf abzielenden Revisionsantrags - in dritter Instanz nicht weiter verfolgt werden.
II. Zur Revision der Beklagten
Soweit sich die Beklagte in ihrer Revision auf eine Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Berufungsurteils aufgrund eines Widerspruchs zwischen Spruch und Gründen beruft, wurde dieser durch den Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichts ON 26 beseitigt, wonach die Beklagte Zahlung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ zu leisten hat.
Zur behaupteten mangelnden Fälligkeit von Teilen der Klagsforderung ist die Beklagte auf die Ausführungen zur Revision des Klägers zu verweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass zufolge Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens derzeit kein Leistungsbegehren zulässig sei, was zur Abweisung der Klage führen müsse. Jedenfalls sei aber die Haftung auf das „alte“, also nach den Vorschriften des § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG 2007 idF BGBl I 107/2007 gebildete Treuhandvermögen zu beschränken. Abgesehen davon müsse die Beklagte nur soweit Entschädigung leisten, als die Anleger nicht auf Ansprüche gegen die SICAV-Fonds zugreifen könnten. Dem ist nicht zu folgen.
5. Zur Frage, ob jene Beträge, die in den SICAV-Fonds noch zugunsten des Klägers vorhanden sind, seinen Schaden - und damit gegebenenfalls auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagte - mindern, hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs bereits ausführlich Stellung genommen (2 Ob 171/12d); der hier erkennende Senat ist dem gefolgt (4 Ob 182/12m). Danach hat auch in Fällen wie dem vorliegenden eine Entschädigung des Anlegers zu erfolgen. Dieser ist nicht nur geschädigt, wenn das Mitgliedsunternehmen der Beklagten Anlegergelder rechtswidrig an sich gebracht hat, sondern auch dann, wenn das indirekte Halten von Geldern oder Finanzinstrumenten des Anlegers durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (hier in den SICAV-Fonds) dazu geführt hat, dass der Anleger - für einen längeren Zeitraum - keinen Zugriff auf sein Vermögen hat. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu, steht doch fest, dass über die Fonds schon 2005 ein Liquidationsverfahren eingeleitet wurde. Dass allenfalls weitere Zahlungen zu erwarten sind, steht unter diesen Umständen dem Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegen.
6. Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der Beklagten das Prioritätsprinzip; bei Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens entscheidet daher faktisch das Zuvorkommen (2 Ob 171/12d; 4 Ob 243/12g). Für eine kridamäßige Verteilung außerhalb eines Insolvenzverfahrens fehlt die gesetzliche Grundlage; zudem ließe sich aus dem Gesetz weder ein zeitlicher noch ein betraglicher Fixpunkt ableiten, der für eine Bestimmung der Verteilungsmasse einerseits und der zu berücksichtigenden Anlegerforderungen andererseits in Betracht käme (4 Ob 243/12g).
7.1. Die Ausführungen der Beklagten können auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass lediglich ein (einheitliches) Treuhandvermögen existiere, das nicht auf Entschädigungsfälle vor und nach der WAG-Novelle BGBl I 2009/39 aufzuteilen sei, nicht widerlegen (1 Ob 21/13i). Weder aus dem (novellierten) Gesetz noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme, dass zwei unterschiedliche Treuhandvermögen für verschiedene Zeiträume bestünden. Hätte der Gesetzgeber solches im Auge gehabt, hätte er dies zweifellos auch im Gesetzestext ausreichend klargestellt, insbesondere auch durch eindeutige Anordnungen zur Abgrenzung der beiden Vermögen. Auch den Gesetzesmaterialien (EB zur RV der WAG-Novelle 2009; 48 BlgNR 24. GP) lässt sich eine Zweiteilung des Treuhandvermögens nicht entnehmen. Sie nennen als Ziel der Neuregelung eine „Stärkung der Leistungsfähigkeit der Anlegerentschädigung“ und verweisen zur Begründung auf eine mit Blick auf den A*****-Konkurs gefasste Entschließung des Nationalrats (683 BlgNR 23. GP). Darin hatte der Nationalrat den Finanzminister und die Justizministerin aufgefordert, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich alles vorzukehren, um eine Insolvenz der Beklagten „aufgrund der derzeitig anhängigen Konkursverfahren über das Vermögen der Wertpapierdienstleister A***** zu verhindern.“ Weiters hatte er sie ersucht, einen Gesetzesvorschlag „zur Verbesserung der österreichischen Anlegerentschädigung“ vorzulegen, bei dem die Ziele Rechtssicherheit und Leistungsfähigkeit „im Vordergrund“ stehen sollten. Dass diese Zielsetzung nur „Neufälle“, nicht aber die Entschließung ausdrücklich genannter Folgen des A*****-Konkurses, erfassen sollte, lässt weder der Entschließung noch dem letztlich darauf beruhenden Gesetz entnehmen (so auch schon 4 Ob 243/12g).
7.2. Das von der Revisionswerberin aufgeworfene Problem einer „Rückwirkung“ der durch die WAG-Novelle BGBl I 2009/39 geschaffenen neuen Rechtslage bei der Aufbringung der Beiträge zum Treuhandvermögen stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Denn es geht hier nicht um die Beitragspflicht der Mitgliedsinstitute, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Zugriff der früher Geschädigten auf einen Teil des Treuhandvermögens zu beschränken (4 Ob 243/12g).
8.1. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Eventualantrag der Beklagten, nur Zug um Zug gegen Abtretung allfälliger Ansprüche des Klägers gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse leisten zu müssen, als nicht berechtigt abgewiesen.
8.2. Ein gesetzlicher Forderungsübergang ist nach Art 15 Rom I-VO dem Zessionsgrundstatut unterstellt, also jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht des Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (vgl RIS-Justiz RS0077439 [T1]; RS0083638). Die Zahlungspflicht der Beklagten gründet sich auf österreichisches Recht, das damit auch für den Forderungsübergang maßgeblich ist.
8.3. § 1358 ABGB geht - entgegen seinem Wortlaut - weit über die Regelung des Bürgenregresses hinaus und findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er dem Gläubiger - aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes - haftet (Gamerith in Rummel, ABGB³ § 1358 Rz 1; P. Bydlinski in KBB³ § 1358 Rz 1; vgl RIS-Justiz RS0112742).
8.4. Zahlt etwa ein beklagter Anlageberater - auch im Wege des Schadenersatzes - eine fremde Schuld, tritt er nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers ein, die ua in einem Teilnahmeanspruch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin samt Anspruch auf Auszahlung einer allfälligen Quote bestehen können (4 Ob 140/12k = RIS-Justiz RS0112742 [T9]).
8.5. Die Zahlung führt ipso iure zum Übergang der Forderung auf den Zahler, ohne dass es eines besonderen Übertragungsaktes bedarf (Nachweise zur Rechtsprechung bei Gamerith in Rummel, ABGB³ § 1358 Rz 5).
8.6. Die Beklagte haftet geschädigten Anlegern kraft eines österreichischen Gesetzes für eine fremde Schuld, nämlich für Verpflichtungen ihrer Mitgliedsinstitute. Im Fall einer Zahlung tritt sie daher nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB ipso iure und ohne weiteren Übertragungsakt in die Rechte des Gläubigers ein. Für eine Einschränkung ihrer Zahlungspflicht nur Zug um Zug gegen Abtretung allfälliger Ansprüche des Klägers gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse bleibt damit kein Raum.
9. Der Revision der Beklagten kann damit kein Erfolg beschieden sein. Im Ergebnis ist deshalb das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen.
10. Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet. Zur Kostenentscheidung erster Instanz ist auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts zu verweisen. Im Rechtsmittelverfahren hat nur der Kläger - dies zur Gänze - obsiegt. Die Bemessungsgrundlage im Berufungsverfahren beträgt 18.595,35 EUR, der Einheitssatz mangels Berufungsverhandlung 150 % (§ 23 Abs 9 RATG).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, im Verfahren über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 173/12v-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 29 Cg 205/10g-15, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Urteil vom , 4 Ob 40/13f, wird dahin berichtigt und ergänzt, dass die beiden ersten Sätze des Spruchs nunmehr richtig und vollständig zu lauten haben:
„Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.“
Das Erstgericht hat den Parteien die Entscheidungsausfertigungen abzufordern und die Berichtigung darauf ersichtlich zu machen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die offenbare Unrichtigkeit im Spruch war gemäß § 419 Abs 1 ZPO zu berichtigen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00040.13F.0618.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAD-57168