OGH vom 19.01.1999, 1Ob349/98z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria R*****, vertreten durch Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 43,195.000 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom , GZ 14 R 53/98m-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 32 Cg 1/96v-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 70.906,87 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am übermittelte eine Gerichtsabteilung des Bezirksgerichts Fünfhaus einer anderen Abteilung desselben Gerichts einige Akten zur Überprüfung der Prozeßfähigkeit der Klägerin. Diese erschien am bei Gericht und gab zu Protokoll, wegen einer Erbschaft nach ihrem Vater 1,5 bis 2 Mio S Schulden, aufgrund eines Pensionsvorschusses aber nur ein monatliches Einkommen von 6.300 S zu haben. Überdies erklärte sie, zur Erbschaft gehöre eine in Zwangsversteigerung gezogene Liegenschaft, die sie jedoch zur Deckung ihrer Schulden vermarkten könne. Das Bezirksgericht Fünfhaus zog im Verfahren auf Bestellung eines Sachwalters am einen ärztlichen Sachverständigen bei, dessen Gutachten am bei Gericht einlangte. Am bestellte das Gericht einen Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter zwecks Vertretung der Klägerin bei der am bewilligten Zwangsversteigerung, zur Vertretung vor „Ämtern und Behörden“ und zur Liegenschaftsverwaltung. Der Sachwalter wurde deshalb bestellt, weil der ärztliche Sachverständige eine psychisch abnorme, äußerst affektlabile Persönlichkeit der Klägerin „im Sinne einer paranoid-querulatorisch gefärbten Charakterneurose“ diagnostizierte, die die Betroffene außerstande setze, sich „eine vermögensrechtlich und pekuniär abgesicherte Existenz zu schaffen“. Die Klägerin bekämpfte den Beschluß auf Beigebung eines einstweiligen Sachwalters. Ihrem Rekurs wurde jedoch am nicht Folge gegeben. Später bestellte das Gericht eine Rechtsanwältin zur einstweiligen Sachwalterin. Auch dagegen wehrte sich die Klägerin im Rechtsmittelverfahren erfolglos: Ihr außerordentlicher Revisionsrekurs wurde am zurückgewiesen. Im Laufe des Verfahrens beantragten die anwaltlich vertretene Klägerin und die einstweilige Sachwalterin die Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens. Dem wurde am stattgegeben und als Frist zur Erstattung von Befund und Gutachten ein Zeitraum von vier Wochen bestimmt. Am gab der Sachverständige bekannt er müsse „unbedingt“ in die Akten der beim Bezirksgericht Fünfhaus anhängigen Verfahren der Klägerin, in den Zwangsversteigerungsakt und in einen Strafakt Einsicht nehmen. Deren Beischaffung wurde am verfügt. Die insgesamt 9 Akten wurden dem Sachverständigen am übersandt. Das Gericht kalendierte den als Termin einer allfälligen Urgenz beim Sachverständigen. Dieser teilte der Klägerin und deren Rechtsanwalt mit Schreiben vom mit, daß er jene am untersuchen werde. Er wies darauf hin, daß es ihm trotz mehrmaliger Versuche nicht gelungen sei, die Klägerin zwecks Vereinbarung eines Untersuchungstermins telefonisch zu erreichen. Am urgierte die einstweilige Sachwalterin bei Gericht das noch ausständige Gutachten. Das Gericht forderte den Sachverständigen am schriftlich zur Abgabe des Gutachtens oder zur Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse binnen 14 Tagen auf (Zustelldatum ). In einem Telefonat am erklärte der Sachverständige dem Gericht, das Gutachten werde bis „fertig sein“. Am forderte das Gericht den Sachverständigen schriftlich neuerlich zur Übermittlung des Gutachtens binnen 8 Tagen auf (Zustelldatum ). Am setzte das Gericht dem Sachverständigen eine Frist von 8 Tagen „zur Erstellung des Gutachtens“ (Zustelldatum ). Am beantragte die einstweilige Sachwalterin, dem Sachverständigen „den Gutachtensauftrag zu entziehen“. Am selben Tag erhob das Gericht, daß der Sachverständige wegen eine Todesfalls im Ausland weilte. Am langte das Gutachten (Umfang 55 Seiten) bei Gericht ein. Darin gelangte der Sachverständige zum Ergebnis, daß die medizinischen Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung trotz einer hyperthymen Persönlichkeit der Klägerin erfüllt seien. Die Gutachtenserörterung wurde auf den den anberaumt und fand an diesem Tag auch statt. Zuvor war für die Klägerin ein anderer Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden. An der Tagsatzung, die zur Gutachtenserörterung bestimmt war, nahmen beide ärztlichen Sachverständigen, die Klägerin, ihr anwaltlicher Vertreter und der einstweilige Sachwalter teil. Der erste Sachverständige bestand darauf, daß die Klägerin zumindest im Zwangsversteigerungsverfahren der Vertretung durch einen Sachwalter bedürfe; der zweite Sachverständige verneinte das, weil „die Liegenschaften ohnehin versteigert würden“ und es der Klägerin unter Umständen „ohne einen Sachwalter gelingen könnte“, sie „anders zu verwerten“. Am stellte sodann das Bezirksgericht Fünfhaus das Verfahren auf Bestellung eines Sachwalters ein.
Die im Zwangsversteigerungsverfahren von einer Pfandgläubigerin betriebene vollstreckbare Forderung betrug 894.776,72 S sA. Der Schätzwert der betroffenen Liegenschaften betrug nach dem ersten Gutachten rund 860.000 S. Allein für eine dieser Liegenschaften wurde ein Teilbetrag von rund 850.000 S ausgeworfen. Dagegen erhob die Klägerin Einwendungen. Nach Einstellung des Verfahrens auf Bestellung eines Sachwalters ordnete das Exekutionsgericht die neuerliche Schätzung bestimmter Grundstücke jener Liegenschaft an, die im ersten Gutachten mit rund 850.000 S bewertet worden war. Am wurde schließlich der Schätzwert beider exekutionsunterworfenen Liegenschaften mit insgesamt 1,071.170 S festgesetzt. Deren gesamte Pfandbelastung betrug „weitaus mehr als 1 Mio S“. Die maßgebliche Pfandgläubigerin war „unter keinen Umständen bereit“, das Versteigerungsverfahren „allenfalls anders zu betreiben“. Sie beabsichtigte keine „Gespräche“ mit der Klägerin und wollte auch auf keinen ihrer allfälligen „Vorschläge“ eingehen. Die Liegenschaften wurden beim Versteigerungstermin am dem Ersteher um das Meistbot von 805.000 S zugeschlagen. Dem Akt über das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters ist nicht zu entnehmen, daß die Klägerin dem Gericht jemals einen Kaufvertrag zwecks freihändigen Verkaufs der versteigerten Liegenschaften vorgelegt oder derartiges sonst erwähnt hätte.
Die Klägerin begehrte den Zuspruch von 43,195.000 S sA und brachte vor, sie habe ein Altenheimmodell mit günstigen Konditionen zum Erwerb von Wohnungseigentum entwickelt und umfangreiche Akquisitionsleistungen erbracht. Im Sommer 1992 habe ein deutsches Unternehmen für die später versteigerten Liegenschaften „rechtsverbindlich“ 44 Mio S geboten. Die Wirksamkeit dieses Anbots habe als Bedingung ihre volle Eigenberechtigung vorausgesetzt. Ab Herbst 1992 sei die Anbotstellerin wegen des Verfahrens auf Bestellung eines Sachwalters nicht mehr an einem Liegenschaftserwerb interessiert gewesen. Das Gericht sei wiederholt eindringlich auf die Bedeutung einer raschen Beendigung des Verfahrens hingewiesen worden. Dabei sei offengelegt worden, daß ein Vertrag aufgrund des außerordentlich günstigen Kaufanbots nur dann zustandekommen werde, „wenn das Sachwalterschaftsverfahren zu einem (für die Klägerin positiven) Abschluß käme“. Das zu Unrecht eingeleitete Verfahren habe jedoch mehr als zwei Jahre gedauert. Es wäre bei ordnungsgemäßer Abwicklung bereits im Sommer 1992 - also noch vor den maßgeblichen Verhandlungen mit der Kaufinteressentin - eingestellt worden. Der geltend gemachte Schaden bestehe in der Differenz zwischen dem Meistbot im Exekutionsverfahren und dem von der deutschen Interessentin gebotenen Kaufpreis.
Die beklagte Partei wendete ein, die Verfahrensdauer beruhe nicht auf einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten richterlicher Organe. Die Klägerin hätte die versteigerten Liegenschaften auch ohne ein Sachwalterschaftsverfahren nicht um 44 Mio S verwerten können. Ihr sei auch gar kein verbindliches Kaufanbot von 44 Mio S vorgelegen. Ihre „mangelnde Eigenberechtigung“ sei für das Scheitern allfälliger Verkaufsverhandlungen nicht kausal gewesen. Die Exekution sei bereits vor Bestellung des einstweiligen Sachwalters bewilligt worden, und die betreibende Partei habe keine Bereitschaft gezeigt, anstelle der Zwangsversteigerung andere Maßnahmen zu akzeptieren. Die Enthebung des zweiten ärztlichen Sachverständigen und die Bestellung eines anderen Gutachters hätten das Verfahren nur noch weiter verzögert. Der geltend gemachte Anspruch sei überdies verjährt, habe doch der angebliche Kaufinteressent die Liegenschaften - nach den Klagebehauptungen - schon ab Herbst 1992 nicht mehr erwerben wollen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil das Verfahren nicht unangemessen lang gedauert habe. Es fehle daher schon an einem rechtswidrigen und schuldhaften Organverhalten. Überdies wäre der Klageanspruch verjährt, weil die Verhandlungspartnerin der Klägerin - nach deren Behauptungen - ihr Kaufinteresse schon im Herbst 1992 verloren habe, die Amtshaftungsklage aber erst am eingebracht worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, ein gerichtlicher Sachverständiger sei „nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre“ kein Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG. Die allfällige Säumnis eines solchen Sachverständigen sei daher der Republik Österreich nicht zurechenbar. Mangels Sonderregelungen seien die Bestimmungen der §§ 351 ff ZPO über den Sachverständigenbeweis im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Maßgeblich sei daher auch § 354 ZPO. Dem Gericht könne bei Betreibung des zweiten Gutachtens keine unvertretbare Unterlassung vorgeworfen werden. Es sei gerichtsbekannt, daß Sachverständige „keineswegs immer ihr Gutachten innerhalb des zunächst festgelegten Zeitraums“ erstatteten und „deshalb von Richterseite nicht selten eine Urgenz“ erforderlich sei. Habe daher ein Richter zunächst „auf die glaubhaften Zusagen des Sachverständigen, das Gutachten in Kürze zu erstatten, vertraut“, so sei darin noch keine Sorglosigkeit zu erblicken. Eine Auftragsentziehung nach Fristablauf wäre in vielen Fällen „kontraproduktiv“, weil auch die Bestellung eines anderen Sachverständigen eine Verfahrensverzögerung bewirke. Ob eine solche „vorausschauend geringer ausfallen“ werde als die „durch den säumigen Sachverständigen“ verursachte, sei „schwer abzuschätzen“. Die wiederholten Urgenzen über einen Zeitraum von rund 6 Monaten ab der Befundaufnahme sei hier noch nicht als schuldhaft unterlassene Enthebung des säumigen Sachverständigen anzusehen, lasse sich doch die Rechtspflicht zur „Entziehung der Gutachtenserstattung“ nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilen. Außerdem fehle es an Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs „zur Vorgangsweise gegenüber säumigen Sachverständigen“. Bei Beurteilung der gesamten Verfahrensdauer verkenne die Klägerin, daß die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters erst nach der Beschlußfassung über ihren außerordentlichen Revisionsrekurs am rechtskräftig geworden sei. Von Bedeutung seien auch Hindernisse bei der Befundaufnahme. Der Zeitbedarf für das zweite Gutachten sei aber auch darauf zurückzuführen, daß der Sachverständige neun Akten habe studieren müssen und die Untersuchung der Klägerin trotz der Bemühungen des Sachverständigen, einen früheren Termin zu vereinbaren, erst am möglich gewesen sei. Unzutreffenderweise habe das Erstgericht allerdings die Verjährung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs angenommen. Die Klägerin habe erst aufgrund des zweiten ärztlichen Gutachtens einen allfälligen Vermögensschaden wegen der behaupteten „Verfahrensverzögerung“ erkennen können. Die Verjährung habe daher jedenfalls nicht vor „Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens bzw Einstellung des Sachwalterschaftsverfahrens“ begonnen. Im übrigen fehle es an Feststellungen zum Hemmungstatbestand des § 8 AHG. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof „bisher keinen vergleichbaren Fall entschieden“ habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird, zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, daß die Klägerin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der gerichtliche Sachverständige sei kein Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG, ausdrücklich teilt und den behaupteten Amtshaftungsanspruch im Verfahren erster Instanz insofern bloß darauf stützte, daß das Sachwalterschaftsgericht seiner prozessualen Handlungspflicht gegenüber dem säumigen zweiten Sachverständigen nicht nachgekommen sei. Der Oberste Gerichtshof sieht sich schon deshalb nicht veranlaßt, seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der dem gerichtlichen Sachverständigen keine Organstellung im Sinne des § 1 Abs 2 AHG zukommt (zuletzt SZ 60/2), zu überprüfen, obgleich sie im Schrifttum mehrfacher Kritik ausgesetzt war (Davy, ZfV 1983, 493 f; Harrer in Aicher/Funk, Der Sachverständige im Wirtschaftsleben [1990] 189 ff; Krammer, Die „Allmacht“ des Sachverständigen [1990] 31 f; Mader in Schwimann, ABGB2 Rz 10 zu § 1 AHG; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23 zu § 1299; Vrba/Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 115 f; Zechner, JBl 1986, 415; unklar Funk in Aicher/Funk aaO 16 ff).
Die Klägerin dehnte ihren Prozeßstandpunkt im Revisionsverfahren nunmehr auch darauf aus, daß schon das erste ärztliche Gutachten vom nach der Auftragserteilung am verspätet erstattet worden sei: Sie übersieht indes dabei, daß sie - wie bereits erwähnt - den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch im Verfahren erster Instanz, jedenfalls soweit sie sich auf ungerechtfertigte Verfahrensverzögerungen berief, konkret nur auf den Zeitaufwand von der Bestellung des zweiten Sachverständigen bis zur Verfahrenseinstellung stützte und keinen Sachverhalt behauptete, der den Schluß auf Versäumnisse richterlicher Organe vor Erstattung des ersten Gutachtens zuließe. Nach den maßgeblichen Feststellungen wurde eine zügige Durchführung und damit auch die möglichst rasche Beendigung des Verfahrens im Abschnitt vor der Beiziehung des zweiten Sachverständigen sogar von der Klägerin selbst durch ungerechtfertigte Rechtsmittel gegen die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters hinausgezögert. Die Frage nach einer allenfalls ungerechtfertigen Verfahrensverzögerung infolge gesetzwidriger Unterlassungen richterlicher Organe muß sich daher auf den Zeitaufwand von der Bestellung des zweiten Sachverständigen bis zur Verfahrenseinstellung beschränken.
Nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichts ist auf den Beweis durch Sachverständige im Verfahren außer Streitsachen unter anderem auch § 354 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach kann das Gericht mangels Erstattung des Gutachtens ohne genügende Entschuldigung innerhalb der festgesetzten Frist unter anderem eine Ordnungsstrafe über den Sachverständigen verhängen oder auch einen anderen Sachverständigen bestellen.
Der Beurteilung der Verfahrensdauer ist voranzustellen, daß die dem zweiten Sachverständigen zunächst eingeräumte Begutachtungsfrist von vier Wochen von vornherein unrealistisch kurz war. Der Sachverständige hätte innerhalb dieses Zeitraum nicht nur die Klägerin zu einem Untersuchungstermin laden müssen, der sowohl ihm als auch der Klägerin einen gewissen zeitlichen Dispositionsspielraum belassen hätte, sondern er hätte nach insgesamt vier Wochen ab Zustellung des Bestellungsbeschlusses auch schon das Gutachten bei Gericht abliefern müssen, ein Gutachten, in dem er nicht zuletzt deshalb, weil bereits das Gutachten eines anderen Arztes vorlag, besonderen Sorgfaltsanforderungen genügen mußte. Außerdem mußte der Sachverständige noch vor der Untersuchung der Klägerin neun Gerichtsakten studieren und konnte den Untersuchungstermin zudem erst auf den festlegen, weil er Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme mit der Klägerin hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt scheidet eine Säumnis des Sachverständigen oder des Gerichts daher jedenfalls aus.
Die beklagte Partei stützte ihren Urteilsgegenantrag, würdigt man ihr Tatsachenvorbringen im Verfahren erster Instanz, auch darauf, daß selbst rechtmäßiges richterliches Organverhalten den behaupteten Schaden - unter Zugrundelegung des Prozeßstandpunkts der Klägerin zur Säumnis - nicht mehr hätte verhindern können. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist beachtlich und entzieht einem Amtshaftungsanspruch - bei seinem Zutreffen - die bereits auf der Ebene der Rechtswidrigkeit erforderliche Erfolgsvoraussetzung (SZ 68/191 mwN). Es ist daher vorerst bedeutsam, welcher Mindestzeitbedarf nach dem Untersuchungstermin vom bis zur Verfahrenseinstellung - selbst bei Bedachtnahme auf die nach dem Prozeßstandpunkt der Klägerin günstigsten Bedingungen - erforderlich war.
§ 415 ZPO billigt dem Gericht einen Zeitraum von vier Wochen nach Schluß der Verhandlung zu, ein vorbehaltenes Urteil - in schriftlicher Abfassung samt den vollständigen Entscheidungsgründen - der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung zu übergeben. Diese Frist für die Abfassung einer Entscheidung, der gewöhnlich ein mehr oder weniger umfangreiches Beweisverfahren vorausgegangen ist, kann auf den im Durchschnitt einzuräumenden Zeitbedarf für die schriftliche Abfassung und Abgabe eines Gutachtens nach Beendigung der Befundaufnahme übertragen werden, weil die Anforderungen an die Abfassung eines Urteils unter Erörterung der Beweisergebnisse jenen der Gutachtenserstattung unter Verarbeitung des erhobenen Befunds vergleichbar sind. Dem Sachverständigen ist daher nach dem Untersuchungstermin zumindest ein Zeitraum von vier Wochen für die Erarbeitung, Abfassung, Korrektur und Abgabe von Befund und Gutachten zuzugestehen, soweit nicht aus besonderen, hier nicht vorliegenden Gründen eine kürzere Frist möglich oder geboten ist. Die Bestellung eines anderen Sachverständigen unter sinngemäßer Anwendung des § 354 Abs 2 ZPO hätte daher in diesem Fall frühestens Anfang Juli 1992 in Erwägung gezogen werden können. Nach einer solchen Bestellung hätte die Gutachtenserstattung - bei wertender Beurteilung - im günstigsten Fall mindestens zwei weitere Monate in Anspruch nehmen müssen, hätte doch auch ein solcher Sachverständiger vorerst die neun Gerichtsakten studieren, sodann die Klägerin laden und untersuchen und schließlich Befund und Gutachten schriftlich abfassen müssen. Nach Einlangen eines solchen Gutachtens Anfang bis Mitte September 1992 hätte eine Tagsatzung zur Erörterung der Gutachten beider Sachverständigen im günstigsten Fall zwei bis drei Wochen später - also nicht vor Ende September bzw Anfang Oktober 1992 - stattfinden und erst danach der Beschluß auf Verfahrenseinstellung gefaßt werden können.
Diesen Erwägungen zufolge wäre eine Beendigung des Verfahrens vor dem Herbst 1992 selbst dann unmöglich gewesen, wenn der Entscheidung der fiktiv raschestmögliche Verfahrensfortgang ab dem bei unverzüglicher Anwendung der dem Gericht gemäß § 354 ZPO zu Gebote stehenden Mittel nach Eintritt einer Säumnis im Sinne der voranstehenden Ausführungen unterstellt wird. Ab „Herbst 1992“ war aber der - angebliche - Verhandlungspartner der Klägerin nach deren Prozeßbehauptungen nicht mehr am Erwerb der später versteigerten Liegenschaften um 44 Mio S interessiert.
Selbst wenn sich der Prozeßstandpunkt der Klägerin, das Gericht habe nach dem Eintritt der Säumnis des zweiten Sachverständigen Handlungspflichten gemäß § 354 ZPO verletzt, bewahrheiten ließe, hätte rechtmäßiges richterliches Organverhalten unter Annahme der für die Klägerin günstigsten Prämissen den behaupteten Schaden nicht mehr verhindern können. Demgemäß stellt sich gar nicht mehr die Frage nach einem allfälligen Organverschulden.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.