OGH vom 20.04.2006, 4Ob40/06w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johann S*****, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei Ingeborg E*****, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl, Rechtsanwalt in Horn, wegen Einverleibung des Eigentums und Löschung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 173/05d-11, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Die Parteien sind zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft Grundbuch M***** EZ 43, zu der bis zum Jahr 2004 auch das GSt Nr 141/2 (alt) gehörte. Aufgrund eines 1994 rechtskräftig gewordenen Urteils aus dem Jahr 1992, dem eine Teilungsvereinbarung aus dem Jahr 1973 zugrunde lag, war der Kläger verpflichtet, in einen Teilungsplan und in Grundbuchshandlungen zur Realteilung dieses Grundstücks einzuwilligen. Die Beklagte setzte diesen Anspruch im Jahr 2004 durch Exekution nach § 350 EO durch. Dazu wurde das Grundstück in zwei Teile geteilt, die neu gebildeten Parzellen wurden von der EZ 43 abgeschrieben, und bei den dafür neu eröffneten Einlagen wurde das Alleineigentum für jeweils eine der Parteien einverleibt (Kläger: EZ 447, GSt Nr 141/2 [neu]; Beklagte: EZ 446, GSt Nr 141/3). Die diese Grundbuchshandlungen anordnende Exekutionsbewilligung ist rechtskräftig.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger, die Beklagte zur Einwilligung in näher bezeichnete Grundbuchshandlungen zu verpflichten, die zu einer Rückgängigmachung der Teilung und zu seinem Alleineigentum am GSt Nr 141/2 (alt) führen sollen. Hilfsweise strebt er die Feststellung an, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts der Beklagen beim ihr zugefallenen Trennstück ungültig sei; die Beklagte sei daher schuldig, in die Wiederherstellung des früheren Buchstandes (vor der exekutiven Teilung) einzuwilligen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision vorbehaltlich des § 508 ZPO nicht zulässig sei.
Zum Bewertungsausspruch führte das Berufungsgericht aus, dass nach § 60 Abs 2 JN als Wert einer unbeweglichen Sache jener Betrag anzusehen sei, der als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht komme. Der Einheitswert des GSt Nr 141/2 (alt) habe 7.049,26 EUR betragen. Auch wenn man aufgrund § 6 GrEStG das Dreifache dieses Wertes heranziehe, ergebe das für die Hälfte des Grundstücks keinen 20.000 EUR übersteigenden Betrag.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist zwar nicht nach § 502 Abs 3 ZPO, wohl aber deswegen unzulässig, weil sie keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
1. Das Berufungsgericht hat den Entscheidungsgegenstand mit über 4.000 EUR, nicht aber mit über 20.000 EUR bewertet. Das müsste an sich zur Einleitung des vom Kläger hilfsweise beantragten Verfahrens nach § 508 ZPO führen. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings an einen Bewertungsausspruch nicht gebunden, wenn damit zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden (RIS-Justiz RS0042450; RS0042437).
Eine zwingende Bewertungsvorschrift ist insbesondere § 60 Abs 2 JN (RIS-Justiz RS0042315). Danach ist bei unbeweglichen Sachen auf den „Steuerwert für die Gebührenbemessung" abzustellen. Die Bestimmung ist anzuwenden, wenn eine grundsteuerpflichtige unbewegliche Sache streitverfangen ist (RIS-Justiz RS0046509). Das gilt insbesondere für Teilungsklagen (RIS-Justiz RS0042315) und für Klagen auf Einverleibung des Eigentumsrechts (6 Ob 2326/96v). Die Bewertung hat aufgrund jenes Betrages zu erfolgen, der im Normalfall für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgeblich ist. Das ist nach § 6 GrEStG der dreifache Einheitswert (5 Ob 180/02k; 3 Ob 320/02h = SZ 2003/134; 2 Ob 40/05d).
Im vorliegenden Fall strebt der Kläger die Rückgängigmachung der Teilung des GSt Nr 141/2 (alt) und die Einverleibung seines Alleineigentums an. Damit bezieht sich die Klage nicht bloß, wie vom Berufungsgericht angenommen, auf das nun der Beklagten gehörende GSt Nr 141/3. Vielmehr ist das gesamte GSt Nr 142/2 (alt) streitverfangen. Die Rückgängigmachung einer Teilung kann nicht anders behandelt werden als die Teilung selbst. Die Bewertung des Streitgegenstandes hat daher gemäß § 60 Abs 2 JN zwingend nach dem Steuerschätzwert des GSt Nr 141/2 (alt) zu erfolgen. Ausgehend von einem Einheitswert von 7.049,26 EUR beträgt dieser Wert 21.147,78 EUR. Die davon abweichende Bewertung durch das Berufungsgericht bindet den Obersten Gerichtshof nicht.
Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der in einem Parallelverfahren zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung 3 Ob 41/06k. Dort war nur das (neue) GSt Nr 141/3 streitverfangen. Für dieses Grundstück gibt es noch keinen Einheitswert, sodass die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung mit unter 20.000 EUR nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstieß.
2. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts lag somit über 20.000 EUR. § 508 ZPO ist daher nicht anzuwenden; der Rechtsmittelwerber konnte nach § 505 Abs 4 ZPO ohne Zulassungsantrag an das Berufungsgericht eine außerordentliche Revision erheben. Allerdings gelingt es ihm nicht, darin erhebliche Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
2.1. Es mag zutreffen, dass in der Vereinbarung aus dem Jahr 1973 vorgesehen war, beim der Beklagten zufallenden Trennstück ein Vorkaufsrecht für den Kläger einzuverleiben. Nach dem Urteil im Vorprozess war der Kläger aber ohne weitere Einschränkung verpflichtet, in die Teilung des Grundstücks und (bei einem Teilstück) in die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagte einzuwilligen. Insbesondere war diese Verpflichtung im Urteil nicht mit einer Zug um Zug abzugebenden Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung eines Vorkaufsrechts verknüpft.
Durch die Rechtskraft eines Urteils ist der Beklagte mit allen vor Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen Einwendungen präkludiert (3 Ob 80/29 = SZ 11/37 [Einwendung der Nichterfüllung des Kaufvertrages gegen die Kaufpreisklage]; 1 Ob 601/85 ua [Mitverschuldenseinwand im Scheidungsverfahren]; 8 Ob 213/99b = SZ 73/184 [Einwendung aus dem Grundgeschäft gegen Wechselklage]; 3 Ob 502/95 = SZ 68/12, 4 Ob 240/04d = ZIK 2005/59 ua [Anfechtung des der titulierten Verpflichtung zugrunde liegenden Vertrages]; RIS-Justiz RS0106966; vgl Fasching/Klicka in Fasching2, § 411 Rz 91 mwN). Das gilt auch für den Einwand, dass die Einverleibung des Eigentumsrechts zugleich mit der Einverleibung des Vorkaufsrechts erfolgen müsste. Auch das hätte der Kläger im Vorprozess einwenden müssen. Der Versuch, das Klagebegehren nun auf das Unterbleiben der gleichzeitigen Einverleibung des Vorkaufsrechts zu stützen, muss daher an der Präklusionswirkung der Rechtskraft scheitern. Auf die im Rechtsmittel erörterte Auslegung der Teilungsvereinbarung kommt es somit im vorliegenden Verfahren nicht an. Ob der Beklagte die Einverleibung des Vorkaufsrechts in einem gesonderten Verfahren erzwingen kann, ist hier nicht zu beurteilen.
2.2. Es kann dahinstehen, ob eine nach Schluss der Verhandlung im Vorverfahren vollendete Ersitzung tatsächlich eine von der Rechtskraft der dort ergangenen Entscheidung nicht erfasste Neuerung wäre, die im konkreten Fall möglicherweise auch mit Klage nach § 70 GBG geltend gemacht werden könnte. Schon das Berufungsgericht hat nämlich zutreffend ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls seit der Entscheidung im Vorprozess nicht mehr gutgläubig sein konnte. Dort war nämlich (wie auch im hier vorliegenden Verfahren) festgestellt worden, dass es keinen die Ersitzung rechtfertigenden Titel gibt. Damit ist das Erfordernis eines dreißigjährigen gutgläubigen Besitzes jedenfalls nicht erfüllt (vgl RIS-Justiz RS0034103, RS0010184, RS0010175).