OGH vom 25.01.2000, 1Ob345/99p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander H*****, geboren am *****, infolge "ordentlichen" Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch Dr. Roland Gabl & Dr. Josef Kogler & Mag. Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 14 R 312/99x-78, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 5 P 1836/95d-64, teilweise bestätigt und teilweise als nichtig aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die dem Obersten Gerichtshof am vorgelegten Akten werden dem Bezirksgericht Linz zur gesetzmäßigen Behandlung zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der unehelich geborene Minderjährige beantragte am (ON 60), den bisherigen Unterhaltsbeitrag seines Vaters von 3.500 S monatlich ab auf 4.000 S monatlich ab zu erhöhen und "den Kindesvater beschlussmäßig zu verpflichten, aus den verspätet geleisteten Unterhaltsteilbeträgen und aus den rückständigen Unterhaltsbeträgen jeweils 4 % Zinsen zu bezahlen", weil er mit der Bezahlung des aufgrund des bisherigen Exekutionstitels zu leistenden Unterhalts in Verzug geraten sei und für Zinsen kein Exekutionstitel bestehe. Das beziehe sich auf die Monate November 1998 bis einschließlich Februar 1999. Der Vater habe am nur 2.000 S, am nur 2.500 S sowie am 14. Jänner und am gleichfalls nur 2.500 S geleistet. Der Vater schulde somit Verzugszinsen "aus den rückständigen Unterhaltsbeträgen bzw aus den verspätet beglichenen Unterhaltsteilbeträgen". Der Antrag auf Unterhaltserhöhung stütze sich auf eine wesentliche Änderung der Umstände. Das Einkommen des Vaters habe sich erhöht und der Unterhaltsgläubiger sei "wiederum ein Jahr älter geworden".
Der Vater sprach sich gegen den Erhöhungsantrag aus.
Das Erstgericht wies das Erhöhungs- und das Zinsenbegehren ab.
Das Gericht zweiter Instanz hob den angefochtenen Beschluss aus Anlass des Rekurses im "Ausspruch über das Zinsenbegehren als nichtig" auf und trug dem Erstgericht "die Verweisung des Begehrens auf den streitigen Rechtsweg" auf. Dagegen bestätigte es die Abweisung des Erhöhungsbegehrens und sprach ferner aus, dass "der ordentliche Revisionsrekurs zulässig" sei. Zur Frage, "in welcher Verfahrensart ein Zinsenbegehren auf vollstreckbare Unterhaltsrückstände ohne Zusammenhang mit einem Unterhaltsleistungsbegehren zu behandeln" sei, fehle es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichthshofs. "Betreffend den bestätigenden Beschlußteil" hänge die Entscheidung dagegen nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG ab, weil sich das Rekursgericht an der "vorhandenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert" habe. Das Gericht zweiter Instanz ließ also den "Revisionsrekurs" gegen den Aufhebungsbeschluss im Zinsenpunkt zu und sprach - wenngleich nur in den Gründen - der Sache nach überdies aus, dass gegen die Bestätigung der Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat hat erwogen:
1. Unterhaltsansprüche sind gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten. Wird die Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so errechnet sich der Entscheidungsgegenstand nicht aus dem Gesamtbetrag, sondern nur aus dem dreifachen Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (1 Ob 277/99p; 1 Ob 229/99d; 1 Ob 133/99m; 4 Ob 182/99i; 5 Ob 67/99k; 7 Ob 19/99s uva). Daher bedarf es bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt auch keines Bewertungsausspruchs durch das Gericht zweiter Instanz (1 Ob 277/99p; 1 Ob 229/99d; 6 Ob 236/98v).
Im Anlassfall begehrte der Minderjährige eine Erhöhung seines Unterhalts von 3.500 S auf 4.000 S monatlich. Der Entscheidungsgegenstand, über den das Gericht zweiter Instanz soweit abzusprechen hatte, beträgt daher 18.000 S.
2. Mehrere in einem Antrag geltend gemachte Ansprüche sind zusammenzurechnen, wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund abgeleitet werden, nicht jedoch dann, wenn es sich bloß um gleichartige Ansprüche handelt (4 Ob 182/99i; 5 Ob 67/99k uva).
Ein tatsächlicher Zusammenhang mehrerer Ansprüche liegt vor, wenn alle Ansprüche aus dem gleichen Sachverhalt abgeleitet werden, also schon das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen zur Gänze ausreicht, um auch über die anderen Ansprüche entscheiden zu können. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche auf einem Vertrag beruhen oder ihnen die gleiche(n) Rechtsnorm(en), die auf einen einheitlichen Sachverhalt anzuwenden sind, zugrunde liegen. Die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung mehrerer gemeinsam erhobener Ansprüche ist daher zu verneinen, wenn die Ansprüche nicht aus für sie gemeinsamen Tatsachen und Rechtsgründen abgeleitet werden, demgemäß jeder Anspruch unabhängig von den anderen besteht und ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann (Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO2 Rz 2 zu § 55 JN mN aus der Rsp).
2. 1. Der im Anlassfall geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen, der sich einerseits auf vollstreckbare Unterhaltsrückstände und andererseits auf "verspätet beglichene Unterhaltsteilbeträge" bezieht, ist mit dem gleichzeitig erhobenen Anspruch auf Unterhaltserhöhung bei Anwendung der unter 2. erläuterten Grundsätze nicht zusammenzurechnen. Ersterer beruht auf den §§ 1333, 1334 ABGB (6 Ob 540/94 = RZ 1995/18 = EFSlg 75.454 = AnwBl 1994, 709 [Butschek]), letzterem liegen die Regelungen der §§ 140, 166 ABGB zugrunde. Die Durchsetzung der einzelnen Ansprüche erfordert den Nachweis jeweils verschiedener Tatsachen. Der Anspruch auf Verzugszinsen aufgrund einer bereits titulierten Unterhaltsschuld erfordert den Beweis des behaupteten Zahlungsverzugs, jener auf Unterhaltserhöhung hängt vom Zutreffen der behaupteten Änderung der Bemessungstatsachen ab. Beide Ansprüche haben daher ein verschiedenes rechtliches Schicksal. Damit besteht zwischen ihnen aber auch kein unlösbarer Sachzusammenhang, der eine einheitliche Entscheidung über den aufhebenden und den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses erzwänge (vgl SZ 70/48 mwN). Das Gericht zweiter Instanz nahm daher in seine Entscheidung - wenngleich nur in seine Gründe - zutreffend einen gesonderten Ausspruch nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG in Hinsicht auf die Bestätigung der Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags auf. Demgemäß ist im Anlassfall gar nicht zu beurteilen, welchem konkreten Geldbetrag der Entscheidungsgegenstand, über den das Rekursgericht erkannte, entspräche, wenn eine Zusammenrechnung beider Ansprüche vorzunehmen wäre.
3. Nach § 14 Abs 3 AußStrG idF WGN 1997 BGBl I 140 ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 14a Abs 3 dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt S 260.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs - wie hier in Ansehung des Begehrens auf Unterhaltserhöhung - für nicht zulässig erklärte. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 14a Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung beim Erstgericht einzubringenden (§ 14a Abs 2 AußStrG) - Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird.
Der Antrag und das Rechtsmittel sind gemäß § 16 Abs 2 Z 2 AußStrG dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen, das darüber nach § 14a Abs 3 und 4 AußStrG abzusprechen hat. Dieser Gang des Verfahrens ist auch dann einzuhalten, wenn das Rechtsmittel - wie im Anlassfall - keinen Antrag auf Änderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gemäß § 14a Abs 1 AußStrG enthält. Ein solcher Mangel ist verbesserungsfähig. Allerdings setzt die Kognitionsbefugnis des Obersten Gerichtshofs einen Ausspruch des Rekursgerichts gemäß § 14a Abs 3 AußStrG voraus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei.
Weil der gemäß § 58 Abs 1 JN zwingend mit der dreifachen Jahresleistung zu bewertende Streitgegenstand, über den das Rekursgericht bei Erledigung des Unterhaltserhöhungsantrags zu entscheiden hatte, 260.000 S nicht erreicht, wird das Erstgericht den "ordentlichen" Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen die Bestätigung der Antragsabweisung dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen haben (1 Ob 354/99m; 1 Ob 177/98f; 2 Ob 80/98y; 2 Ob 100/98i; 2 Ob 113/98a), wobei es der Beurteilung der Vorinstanzen überlassen bleibt, ob die Rechtsmittelanträge den Erfordernissen nach § 14a Abs 1 AußStrG genügen oder ob ein Verbesserungsverfahren einzuleiten ist.
Erst eine Entscheidung des Rekursgerichts nach § 14a Abs 3 oder 4 AußStrG wird klären, ob der Oberste Gerichtshof nur über das Rechtsmittel gegen die Entscheidung im Zinsenpunkt oder auch über den Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags abzusprechen haben wird.