OGH vom 07.03.2006, 5Ob225/05g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Gertraud G*****, vertreten durch Dr. Michael Cermak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. Verena S*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG (§ 46c MRG), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 40 R 209/05i-25, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 30 Msch 8/04z-18, aufgehoben wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die Anzeige über Widmungsänderungen geringer Art hinsichtlich der Wohnung top Nr 13 (ident mit top Nr 12a) zur Kenntnis genommen, wonach die Widmung für Wohnzwecke aufgelassen und die Räume in Arbeitsräume (für fotografische Zwecke) umgewidmet wurden. Das Objekt top Nr 13, das aus einer Küche und einem Zimmer bestand, wurde vom Mieter des Geschäftslokales top Nr 1 bis zum als Lager bzw Werkstätte verwendet.
Die damalige Hauseigentümerin vermietete mit Mietvertrag vom die Wohnung top Nr 13 der Antragsgegnerin, ihrer Tochter, beginnend mit . Es war vermerkt, dass die Wohnung top Nr 13 der Kategorie D zuzuordnen sei, zu Wohnzwecken vermietet werde und aus einem Zimmer und einer Küche bestehe. Die Räumlichkeiten wurden von der Antragsgegnerin ab und zu zum Lernen verwendet. Eine ausdrückliche Rückwidmung als Wohnung erfolgte nicht. Die Vermieterin beabsichtigte, das Objekt top Nr 13 mit der daneben liegenden leerstehenden Wohnung top Nr 12 zusammenzulegen und die am Gang befindliche Toilette in den Wohnungsverband einzugliedern. Die geplante Zusammenlegung der beiden „Wohnungen" wurde baubehördlich bewilligt und am mit den Bauarbeiten begonnen. Die Antragsgegnerin wurde im Jahr 1996 infolge Schenkung Eigentümerin der Liegenschaft.
Die Antragstellerin mietete die zusammengelegten Objekte als top 13 zu einem monatlichen Hauptmietzins von EUR 504,20. Der Richtwertmietzins für die Wohnung beträgt EUR 323,28 (exklusive eines 25 %igen Abschlags für die Befristung des Mietverhältnisses), der angemessene Mietzins auf Basis Kategorie B nach § 16 Abs 1 iVm § 46c MRG beträgt EUR 457,84.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß für die Wohnung top Nr 13 durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von EUR 504,20 um monatlich EUR 261,74 überschritten habe. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass bei Zusammenlegung einer Wohnung mit einem Geschäftslokal der Belohnungstatbestand des § 46c MRG nicht zur Anwendung komme, da es bei einem Geschäftslokal nicht zur geforderten Standardanhebung komme. Die vormalige Wohnung top Nr 13 sei vom Vormieter als Lager zu Geschäftszwecken verwendet worden und habe eine diesbezügliche Widmung aufgewiesen. Die Antragsgegnerin sei nur berechtigt, den Richtwertmietzins unter Berücksichtigung eines 25 %igen Befristungsabschlags zu begehren.
Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Sachbeschluss auf und vertrat die Rechtsansicht, dass die Wohnung top Nr 13 ursprünglich als Wohnung gewidmet und gleich ausgestattet gewesen sei wie das daneben liegende Objekt top Nr 12, das unstrittigermaßen eine Wohnung der Kategorie D gewesen sei. Es handle sich bei beiden Objekten jeweils um einen selbständigen, baulich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes, der geeignet gewesen sei, der Befriedigung der individuellen Wohnbedürfnisse von Menschen zu dienen. Das Rekursgericht folge dem in der Entscheidung 5 Ob 244/99i dargelegten Wohnungsbegriff. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin die top Nr 13 als Wohnung zu Wohnzwecken gemietet. Auch die Baubehörde sei bei der Bewilligung des Bauvorhabens von der Zusammenlegung zweier Wohnungen ausgegangen. Der erstinstanzliche Beschluss sei schon deshalb aufzuheben, weil das Erstgericht keine Feststellungen zu der Frage getroffen habe, ob die Zusammenlegung von der damaligen Vermieterin durchgeführt worden sei. Gehe man aber davon aus, dass top Nr 13 keine Wohnung gewesen sei, so wären Feststellungen zu der konkreten bautechnischen Aus- und Umgestaltung der Wohnung top Nr 12 zu treffen, um das Ausmaß der Standardanhebung beurteilen zu können. Selbst wenn man die zweite Anhebungsmöglichkeit nach § 46c MRG verneinen würde, bliebe die dritte Anhebungsmöglichkeit, nämlich die Standardanhebung unter Aufwendung erheblicher Mittel. Auch dazu fehlten Feststellungen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil einerseits die Entscheidungen 5 Ob 244/99i und 5 Ob 310/99w einen gewissen Widerspruch im Hinblick auf die Definition des Begriffs Wohnung im Sinne des § 46c MRG erkennen ließen. Andererseits gebe es keine oberstgerichtliche Judikatur zum Vorliegen der Voraussetzungen der zweiten und dritten Möglichkeit des § 46c MRG, nämlich Standardanhebung durch Aus- und Umgestaltung im größeren Ausmaß bzw durch Aufwendung erheblicher Mittel unter gleichzeitiger Einbeziehung von Räumen, die zu Lagerzwecken dienten. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Abänderungsantrag dahingehend, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss wiederhergestellt werde.
Die Antragsgegnerin verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Nach § 46c MRG ist, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 MRG nicht vorliegen, dennoch eine Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses über eine Wohnung ohne die Beschränkungen des § 16 Abs 2 bis 4 und 6 MRG zulässig, wenn der Mietgegenstand eine Wohnung der Ausstattungskategorie A oder B in ordnungsgemäßem Zustand ist, deren Standard vom Vermieter nach dem durch Zusammenlegung von Wohnungen der Ausstattungskategorie B, C oder D, durch eine andere bautechnische Aus- oder Umgestaltung größeren Ausmaßes einer Wohnung oder mehrerer Wohnungen der Ausstattungskategorien B, C oder D oder sonst unter Aufwendung erheblicher Mittel angehoben wurde. § 46c MRG stellt eine befristete Übergangsregelung für nach dem abgeschlossene Mietverträge nach einer Standardanhebung nach § 16 Abs 1 Z 5 oder 6 MRG idF vor dem 3. WÄG dar, die der Vermieter vor dem tatsächlich begonnen hat (Würth in Rummel², § 46c MRG, Rz 1). Eine Umwandlung eines Geschäftslokales in eine Wohnung kann den Belohnungstatbestand nicht verwirklichen (5 Ob 310/99w). Werden bloße Kellerräume erst für Wohnzwecke hergerichtet, kommt ebensowenig der Belohnungstatbestand nach § 46c MRG zur Anwendung, weil dieser die Standardanhebung eines Mietobjektes voraussetzt, also das Mietobjekt bereits vor der Wiedervermietung eine Wohnung gewesen sein muss (5 Ob 293/01a). In der Entscheidung 5 Ob 244/99i zu § 16 Abs 1 Z 5 MRG idF vor dem 3. WÄG verwies der Oberste Gerichtshof darauf, dass es bei der rechtlichen Qualifikation eines Objektes vor Wiedervermietung als Wohnung nicht auf den mit dem Vormieter vereinbarten Verwendungszweck, sondern auf jene Vorstellungen ankomme, die der Gesetzgeber des MRG mit dem im § 1 MRG verwendeten Begriff „Wohnung" verbunden habe. Er habe diesen Rechtsbegriff zwar nicht definiert, aber als bekannt vorausgesetzt und damit offenbar auf die Verkehrsauffassung verwiesen, die unter „Wohnung" einen selbständigen, baulich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes verstehe, der geeignet sei, der Befriedigung der individuellen Wohnbedürfnisse von Menschen zu dienen (auch Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht21 § 1 MRG, Rz 56 mwN). Den Bauvorschriften komme dabei maßgebliche Bedeutung zu.
Der vom Rekursgericht vermutete Widerspruch zwischen den Entscheidungen 5 Ob 310/99w und 5 Ob 244/99i besteht nicht. Dem Verfahren 5 Ob 310/99w lag nämlich der dort nicht wiedergegebene Sachverhalt zugrunde, dass (bereits) das Geschäftslokal durch Zusammenlegung und Umwidmung aus zwei Substandardwohnungen der Kategorie D entstanden war. Dieses Geschäftslokal wurde dann in eine Wohnung umgestaltet. Auf die ursprüngliche Qualifikation als Wohnung kam es daher im Hinblick auf die spätere nachhaltige Umgestaltung zu einem Geschäftslokal nicht an. Das als Geschäftslokal geschaffene Objekt diente nicht der Befriedigung von Wohnbedürfnissen. Hier ist im Sinne der Entscheidung 5 Ob 244/99i zu prüfen, ob die Objekte im Zeitpunkt der Zusammenlegung nach der Verkehrsauffassung als Wohnungen, also als selbständige, baulich abgeschlossene Teile eines Gebäudes anzusehen waren, die geeignet gewesen waren, der Befriedigung der individuellen Wohnbedürfnisse von Menschen zu dienen. Die nun zusammengelegten Objekte waren gleich gestaltet und bestanden je aus einer Küche und einem Raum. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass das Objekt vom Vormieter der Antragsgegnerin so umgebaut worden wäre, dass es der Befriedigung von Wohnbedürfnissen nicht mehr hätte dienen können. Unmittelbar vor den Umbauarbeiten wurde das Objekt von der Antragsgegnerin als Mieterin wieder zu Wohnzwecken (Studieren) verwendet. Auch die Baubehörde ging von der Zusammenlegung von zwei Wohnungen aus.
Das Rekursgericht vertrat daher zutreffend die Rechtsmeinung, dass es sich bei der top Nr 13 vor der Zusammenlegung mit top Nr 12 auch um eine Wohnung gehandelt hat und daher das Tatbestandselement der Wohnungszusammenlegung im Sinne des § 46c MRG zu bejahen ist. Dem Revisionsrekurs konnte daher nicht Folge gegeben werden.