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OGH vom 25.05.1955, 1Ob343/55

OGH vom 25.05.1955, 1Ob343/55

Norm

EO § 99;

EO § 109;

EO § 110;

Kopf

SZ 28/140

Spruch

Wurde vom Verpflichteten eine Klage, die sich auf die Verwaltung oder die Einkünfte aus der Liegenschaft bezieht, vor Einführung des Zwangsverwalters eingebracht, kann der Verwalter nach seiner Einführung die Weiterführung des Prozesses übernehmen. Es genügt aber auch, daß der Verpflichtete in Modifizierung des Klagebegehrens Leistung zuhanden des Zwangsverwalters begehrt.

Entscheidung vom , 1 Ob 343/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin als Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 874 Grundbuch A. mit dem Haus in Wien, Sch.-Straße 16, begehrt in ihrer am zwischen 13 und 14 Uhr bei Gericht überreichten Klage vom Beklagten ein vorläufiges Benützungsentgelt samt den Betriebskosten und sonstigen Abgaben für die von ihm benützte Wohnung Nr. 8.

In der Klagebeantwortung brachte der Beklagte vor, daß der klagenden Partei die aktive Legitimation mangle, weil die Zwangsverwaltung des obgenannten Hauses bewilligt worden sei. Noch vor der ersten mündlichen Streitverhandlung trat Ludwig N. als Nebenintervenient auf Seite der klagenden Partei in den Rechtsstreit ein, indem er in einem Schriftsatz ausführte, daß er mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , 71 E 459/54, zum Zwangsverwalter der Liegenschaft bestellt worden sei und ein rechtliches Interesse habe, daß die klagende Partei obsiege.

Nach Zustellung dieses Schriftsatzes beantragte die beklagte Partei, den Antrag des Nebenintervenienten zurückzuweisen, über welches Begehren bisher noch nicht entschieden wurde.

Bei der mündlichen Streitverhandlung vom hat das Erstgericht das bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen. Es stellte fest, daß zu 71 E 459/54 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien mit Beschluß vom die Zwangsverwaltung der obgenannten Liegenschaft bewilligt worden sei und dieser Beschluß der klagenden Partei am , dem Zwangsverwalter am zugestellt worden und die Einführung des Zwangsverwalters am um 15 Uhr erfolgt sei.

In rechtlicher Hinsicht stellte sich das Erstgericht auf den Standpunkt, daß in dem Exekutionsbewilligungsbeschluß die klagende Partei gemäß § 99 EO. verständigt worden sei, daß sie sich jeder Verfügung über die Erträgnisse des Exekutionsobjektes zu enthalten habe. Da dieses Verfügungsverbot der klagenden Partei am zugestellt und der Zwangsverwalter an diesem Tag eingeführt worden sei, sei die klagende Partei nicht mehr berechtigt gewesen, mit der am überreichten Klage ein Benützungsentgelt von der beklagten Partei zu verlangen, da nur dem Zwangsverwalter das Recht zukomme, die Erträgnisse der Liegenschaft einzuziehen. Wenn auch die Klägerin durch die bewilligte Zwangsverwaltung keineswegs ihre Prozeß- und Handlungsfähigkeit verliere, so komme ihr doch hinsichtlich der die Zwangsverwaltung betreffenden Angelegenheiten eine Prozeßfähigkeit nicht zu.

Der Modifizierung des Klagebegehrens, daß sämtliche Zahlungen zuhanden des Zwangsverwalters vorzunehmen seien, komme eine Bedeutung nicht zu, da dies nur bei jenen Streitigkeiten zulässig wäre, die im Zeitpunkt der bewilligten Zwangsverwaltung schon anhängig gewesen seien, was aber im vorliegenden Falle nicht zutreffe. Im übrigen sei eine Sanierung des Mangels der Prozeßfähigkeit nicht erfolgt.

Dem Rekurs der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gab das Rekursgericht Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf.

Nach den Feststellungen sei die Klage am zwischen 13 und 14 Uhr bei Gericht überreicht worden, während die Einführung des Zwangsverwalters am nämlichen Tage erst um 15 Uhr erfolgt sei. Da die Wirkungen der Zwangsverwaltung der Klägerin gegenüber als der verpflichteten Partei erst mit der Einführung des Verwalters eintreten (§ 109 EO.), sei die Klägerin zur Überreichung der Klage noch berechtigt gewesen, zumal eine Aufforderung des Verwalters, Leistungen nur mehr an ihn zu erbringen, nicht erfolgt sei. Durch den Beitritt als Nebenintervenient habe aber der Zwangsverwalter zum Ausdruck gebracht, daß er mit der Klageführung einverstanden sei. Die Klägerin habe ihre Prozeß- und Handlungsfähigkeit durch die Exekutionsbewilligung nicht verloren, und zwar auch nicht hinsichtlich der die Zwangsverwaltung betreffenden Angelegenheiten, sofern der Zwangsverwalter der Prozeßführung zustimme. Ein Parteiwechsel kraft Gesetzes sei daher nicht eingetreten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, und zwar trotz der Bestimmung des § 527 ZPO., da Entscheidungen, die sich zwar äußerlich als Aufhebungsbeschluß darstellen, sachlich aber eine Abänderung des erstrichterlichen Beschlusses bedeuten, auch ohne Rechtskraftvorbehalt der weiteren Anfechtung unterliegen (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. II S. 1400; ZBl. 1926 Nr. 162, ZBl. 1931 Nr. 14, RSpr. 1930 Nr. 365, SZ. XII 17, 1 Ob 80/47, 2 Ob 347/51).

Dem Revisionsrekurs selbst kommt aber Berechtigung nicht zu.

Die dem Zwangsverwalter nach Maßgabe des Gesetzes zustehenden Geschäftsbefugnisse und Berechtigungen, die in den §§ 110 bis 112 EO. aufgezählt sind, treten nicht mit der Bewilligung oder der Anmerkung der Zwangsverwaltung, sondern erst mit der Übergabe der Liegenschaft an den Zwangsverwalter, also mit dessen Einführung, in Kraft (Walker, Österreichisches Exekutionsrecht, 4. Aufl. S. 170, 174, 176; Pollak, System, 2. Aufl. III S. 947; SZ. X 296, ZBl. 1929 Nr. 123, ImmZ. 1935 H. 15 S. 2).

Hinsichtlich der vor Einführung des Zwangsverwalters durch den Verpflichteten anhängig gemachten Prozesse, die sich auf die Verwaltung oder die Einkünfte der Liegenschaft beziehen, kann der Verwalter die Weiterführung des Prozesses übernehmen. Es besteht hiezu aber keine gesetzliche Notwendigkeit, zumal es genügt, wenn der Verpflichtete das Klagebegehren dahin modifiziert, daß die auf die Verwaltung oder die Erträgnisse der Liegenschaft sich beziehenden Zahlungen zuhanden des Zwangsverwalters zu erfolgen haben (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. I S. 418). Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Umstand, daß der Verpflichtete keineswegs durch die bewilligte Zwangsverwaltung handlungs- oder prozeßunfähig wird. Er kann auch Verfügungen über den Gegenstand der Zwangsverwaltung selbst treffen, die nicht ungültig, sondern allenfalls nur gegenüber den Gläubigern der Zwangsverwaltung unwirksam sein können (EvBl. 1936 Nr. 403).

Wird von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat mit Recht das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß aufgehoben. Denn abgesehen davon, daß die gegenständliche Klage vor der Einführung des Zwangsverwalters eingebracht wurde, wozu die klagende Partei berechtigt gewesen ist, hat diese das Klagebegehren bereits dahin modifiziert, daß das eingeklagte Benützungsentgelt samt den sonstigen Nebengebühren zuhanden des Zwangsverwalters zu bezahlen ist. Im übrigen muß der Zwangsverwalter nicht die weitere Prozeßführung übernehmen, sondern kann der Verpflichtete selbst den Rechtsstreit weiterführen, wenn dies mit Zustimmung des Zwangsverwalters geschieht. Eine solche Zustimmung muß aber angenommen werden, da der Zwangsverwalter selbst als Nebenintervenient dem Rechtsstreit beigetreten ist, wenn auch über diesen Antrag selbst noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

Durch den Hinweis der beklagten Partei, daß im Sinne des § 99 EO. mit der Bewilligung, die schon am zugestellt worden sei, der Klägerin jede Verfügung über die Einkünfte versagt worden sei, ist für den Standpunkt der Revisionsrekurswerberin nichts gewonnen. Denn es fehlt in der Exekutionsordnung an einer Verfügung - abgesehen von dem strafbaren Tatbestand der Exekutionsvereitelung -, wie die Reaktion gegen die Verletzung dieses Verbotes des § 99 EO. zu erfolgen hat (SZ. XVI 140); im übrigen steht dem Verpflichteten vor Einführung des Zwangsverwalters trotz dieses Verbotes das Recht zu, die notwendigen Handlungen, betreffend die Verwaltung und die Einkünfte zu treffen, so daß auch vor diesem Zeitpunkt die Überreichung einer Klage zur Eintreibung eines Benützungsentgeltes möglich ist (Neumann - Lichtblau a. a. O. S. 394).

Aus diesen Erwägungen lag daher eine Nichtigkeit des Verfahrens nicht vor, so daß mit Recht das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß behoben hat.