OGH vom 11.11.1998, 7Ob302/98g

OGH vom 11.11.1998, 7Ob302/98g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag. Valerie H*****, vertreten durch Dr. Ingrid Köhler, Rechtsanwältin in Wien, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Univ. Prof. Dr. Sigurd H*****, wegen Unterhalt und S 50.000,-- sA, infolge Revision und Revisionsrekurses der Klägerin und gefährdeten Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom , GZ 43 R 376/98g-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision und der Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten seiner Revisions- und Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin inskribierte 1990 an der Universität Wien Jus, legte zunächst jedoch ein Jahr lang keine Prüfungen ab. Sie schloß das auf acht Semester ausgelegte Studium nach insgesamt 12 Semestern mit der Sponsion zum Magister der Rechtswissenschaften am ab. Sie erreichte in den einzelnen Fächern überwiegend die Beurteilungen Befriedigend und Genügend. Einige Prüfungen wurden erst beim zweiten Antreten positiv absolviert. In der Zeit vom bis war sie bei Gericht als Rechtspraktikantin tätig. Sie bewarb sich um keine sonstige, ihrer juristischen Ausbildung entsprechende Arbeitsstelle. Nach der Rechtspraktikantenzeit inskribierte sie für das Doktoratstudium. Sie möchte ihre Dissertation über Wirtschaftsmediation verfassen. Dieses Dissertationsthema wurde aber bereits an eine andere Studentin vergeben. Sie hat bislang (Schluß der Verhandlung erster Instanz am ) noch kein konkretes Dissertationsthema erhalten und noch keine für das Dissertationsstudium vorgesehenen Übungszeugnisse erlangt. Die Klägerin hat kein konkretes Berufsziel. Sie schließt nicht aus, Anwältin zu werden, kann sich aber auch vorstellen, die Universitätslaufbahn einzuschlagen. Die Klägerin war aber nie als Assistentin an der Universität tätig und hat sich auch nach Beendigung ihres Studiums nicht um eine Vertragsassistentenstelle beworben. Derzeit ist es unabhängig von der Erlangung des Doktorgrades schwierig, eine Ausbildungsstelle als Rechtsanwaltsanwärter zu erhalten. In den meisten Ländern der Europäischen Union ist für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes kein Doktorat erforderlich.

Die Klägerin begehrte, ihren Vater infolge ihres Doktoratstudiums ab zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 13.750 sowie zur Zahlung von S 50.000 zur Abdeckung ihres Sonderbedarfes für die Anschaffung eines Computers samt Einschulung zu verpflichten und ihr die begehrten Unterhaltsbeiträge im Rahmen einer einstweiligen Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterhaltsklage aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieser Begehren, weil die Klägerin selbsterhaltungsfähig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und das Begehren auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidungen und sprach aus, daß die Revision und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig seien. Es fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit - auch im Hinblick auf den verstärkt anhaltenden Trend der Arbeitslosigkeit bei absolvierten Juristen - , wenn nach dem abgeschlossenen Jusstudium ein Doktoratstudium aufgenommen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Revisionsrekurs der Klägerin sind jedoch mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Der Oberste Gerichtshof hat sich in den letzten Jahren bereits mehrfach mit der Frage befaßt, unter welchen Voraussetzungen der Unterhaltsanspruch eines Kindes für die Zeit des Doktoratstudiums nach abgeschlossenem Hochschulstudium fortbesteht. Der Oberste Gerichtshof hat ausgeführt, daß die Unterhaltspflicht der Eltern dann nicht erlischt, wenn der bisherige Studienfortgang überdurchschnittlich war, der Erwerb des Doktorates ein besseres Fortkommen erwarten läßt - wobei aber nicht "mit Sicherheit" feststehen muß, daß durch das Doktoratstudium die Berufs- und Erwerbschancen des Unterhaltsberechtigten verbessert werden - , dieses Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird und ein maßgerechter Elternteil bei intakten Familienverhältnissen seinem Kind für diese Zeit auch weiterhin Unterhalt gewährt hätte (2 Ob 516/94; 3 Ob 2083/96m; vgl auch 9 ObA 240/97b). Das Gericht zweiter Instanz hat sich bereits ausführlich mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und umfassend begründet, warum es die genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall als nicht gegeben erachtete. Die aufgezeigten Grundsätze gelten für alle Studien gleichermaßen, wenn auch die eine oder andere Voraussetzung bei bestimmten Studienzweigen und konkret angestrebten Berufszielen eher vorliegen werden als in anderen Fällen. Das Jusstudium stellt jedenfalls keine Besonderheit dar, die ein Abgehen von den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits mehrfach und für jeweils verschiedene Studien (technische Mathematik; betriebswirtschaftliche Studienrichtung an der Wirtschaftsuniversität; Architektur) aufgezeigten Kriterien rechtfertigte.

Eine angespannte Arbeitsmarktsituation für Jungakademiker wie auch im besonderen für absolvierte Juristen stellt für sich allein jedenfalls keine Rechtfertigung dafür dar, sich nicht einmal um eine Arbeitsstelle zu bemühen, sondern weiterhin auf die finanziellen Zuwendungen der Eltern zu vertrauen und ohne verbesserte Berufschancen ein Doktoratstudium zu beginnen. Durch eine solche Verhaltensweise wird nur ein Hinausschieben des Arbeitsplatzproblemes bewirkt, das aber - wie die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt haben - mit zunehmendem Alter keineswegs abnimmt. Ob das berufliche Fortkommen bei Erlangung des Doktortitels voraussichtlich entsprechend verbessert wird, hängt ebenso wie die Beurteilung des Studienfortganges als überdurchschnittlich oder nicht, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Eine zur materiellrechtlichen Befassung mit der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit der Klägerin Anlaß gebende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen all dieser Kriterien liegt nicht vor. Es ist insbesondere hervorzuheben, daß die Klägerin seit dem Abschluß des Studiums im November 1996 (zumindest) bis März 1998 noch nicht einmal die Vergabe eines Dissertationsthemas bewirkt hat. Es ist somit nicht überprüfbar, ob ihr das durch die Dissertationsarbeit erworbene Wissen überhaupt in ihrem späteren Beruf behilflich sein wird, wozu auch kommt, daß die Klägerin noch gar kein konkretes Berufsziel hat. Schon deshalb kommt dem Hinweis der Revision auf die besonderen Chancen eines auf dem Gebiet der Mediation ausgebildeten Juristen keine entscheidende Bedeutung zu. Die relativ gute Einkommenssituation des Vaters reicht für sich allein zur Begründung eines Unterhaltsanspruches während des Doktoratsstudiums nicht hin.

Ob die Klägerin für den fiktiven Fall eines niedrigeren Einkommens ihres Vaters eine Studienbeihilfe erlangen könnte, ist ebenfalls nicht maßgebend. Der Anspruch auf Studienbeihilfe gemäß § 15 Abs 3 Studienförderungsgesetz idF BGBl I 1997/98 (und auch § 15 Abs 2 Studienförderungsgesetz idF BGBl 1992/305) ist nicht an die Wahrscheinlichkeit eines besseren Fortkommens durch den Erwerb des Doktorgrades geknüpft. Diese Bestimmung läßt auch nicht erkennen, daß sich der Studienfortgang besonders positiv aus dem Durchschnitt der bemühten Studenten hervorheben müßte. Ob das Studienförderungsgesetz den Gleichheitsgrundsatz verletzt, ist hier nicht zu prüfen, weil der Unterhaltsanspruch nach § 140 ABGB und nicht nach den Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes zu beurteilen ist. Die Frage der Verfassungskonformität ist zwar für eine Entscheidung über den Anspruch auf Studienbeihilfe, nicht aber für eine Entscheidung über den Unterhaltsanspruch präjudiziell.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt auch seiner Entscheidung über die einstweilige Verfügung zugrundelegte, wobei es auch die Beweismittel anführte, die Grundlage seiner Feststellungen waren. Der den Vorinstanzen hinsichtlich der Entscheidung über die einstweilige Verfügung vorgeworfene Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Im Hinblick auf die bereits ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu der auch hier ausschlaggebenden Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes während eines Doktoratsstudiums, von denen die Vorinstanzen nicht abgewichen sind, waren beide Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Damit ist auch das Kostenbegehren für die Rechtsmittelschriftsätze zurückgewiesen. Gemäß den §§ 40 und 50 ZPO hat der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei die Kosten seiner Beantwortung der Revision und des Revisionsrekurses selbst zu tragen, weil auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel nicht hingewiesen wurde und der Schriftsatz daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.