OGH vom 30.01.1952, 2Ob29/52
Norm
Kopf
SZ 25/25
Spruch
Spruchrepertorium Nr. 33.
Auch freiwillige Unterwerfung unter eine unerlaubte Bedingung, vor allem die des Eheverbotes nach § 700 ABGB., beseitigt nicht deren Unzulässigkeit.
Entscheidung vom , 2 Ob 29/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
In dem zwischen dem Beklagten und seinen Eltern am geschlossenen Übergabsvertrag hat der Beklagte eine Liegenschaft samt Zubehör und Fahrnissen um den noch nicht bezahlten und auch noch nicht fälligen Übergabspreis von 5000 S-Gold übernommen und sich gleichzeitig verpflichtet, sie im Fall seiner Verehelichung um den gleichen Preis seinen zu Hause lebenden Geschwistern zu überlassen und in ihre grundbücherliche Eintragung zu deren Gunsten einzuwilligen, sofern sie zur Zeit seiner Verehelichung noch ledig sind. Die Klägerin lebt seit dem Herbst 1947 unverheiratet auf dem Hof. Da sich der Beklagte am verehelicht hat, begehrte die Klägerin seine Verurteilung zur Einhaltung der im Vertrag übernommenen Verpflichtung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge.
Das Berufungsgericht wies es ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Recht der Eheschließung gehört zu den sogenannten jura merae facultatis, die unverzichtbar und der Verjährung entzogen sind (§ 1459 ABGB., Ehrenzweig, System, Allg. Teil, 1925, S. 131, 282) und deren Einschränkung gegen den Willen des Individuums nur auf Grund des Gesetzes unmittelbar oder durch richterliche Anordnung (z. B. Entmündigung) erfolgen kann. Darum verpönt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch auch als unerlaubt die Bedingung der Nichtverehelichung (§ 700 ABGB.), nicht bloß oder in erster Linie aus volkswirtschaftlichen oder militärischen, bzw. bevölkerungspolitischen Gründen, sondern weil dadurch ein ungerechtfertigter Zwang auf die individuelle Eheschließungsfreiheit des Bedachten ausgeübt wird. Von diesem Grundsatz werden allerdings gewisse Ausnahmen zugelassen, in welchen der Erblasser dem freien Willen des Bedachten zur Verehelichung Schranken setzen darf (§ 700 zweiter Satz, conditio viduitatis, § 700 erster Satz, arg. a contrario Bedingung der Nichtverehelichung bis zur erreichten Großjährigkeit, und der Fall des Hofdekretes vom 23. Mai 1844, JGS. 807). Es mag dahingestellt bleiben, ob sich weitere Ausnahmen aus dem Gedanken, der diesen Ausnahmen zugrunde liegt, ableiten lassen, daß nach den besonderen Umständen des Falles durch die Bedingung Interessen gewahrt werden sollen, die höher zu werten sind als die Freiheit der Eheschließung. Das Gesetz bietet für eine solche Ausdehnung der Ausnahmen vom Grundsatz keine Handhabe und es ist weit eher der Ansicht Ungers (Erbrecht, § 58, Anm. 7 S. 265, vgl. Weiß bei Klang, 2. Aufl. zu § 700, S. 675, Anm. 14) beizutreten, daß sich aus dem Hofdekret vom 23. Mai 1844 nicht die Berechtigung ableiten läßt, in allen sonstigen Fällen einer Bedenkung unter der Bedingung oder auf die Dauer der Ehelosigkeit eine besondere Willensuntersuchung anzustellen und die illegale Beschränkung unter Umständen aufrecht zu erhalten. Der aus der Redaktionsgeschichte (siehe bei Weiß, 1. c., S. 673) sehr deutlich hervorgehende Wille des Gesetzes, die Bedingung der Ehelosigkeit grundsätzlich zu verpönen, steht dieser einschränkenden Auslegung jedenfalls im Wege.
Zweifelhaft könnte nur sein, ob eine bloß zeitlich beschränkte Bedingung der Nichtverehelichung als mit § 700 ABGB. vereinbar anzusehen sei, also etwa die Bedingung, nicht vor einem bestimmten Termin oder während der Dauer gewisser Verhältnisse zu heiraten. Es läßt sich angesichts der Redaktionsgeschichte (s. o.) keineswegs mit Bestimmtheit sagen, daß der Gesetzgeber nur die dauernde Ehelosigkeit für Großjährige als unerlaubte Bedingung erklären wollte und diese Meinung wird z. B. von Pfaff - Hofmann, Komm. II, S. 584 (a. M. Weiß, l. c., S. 674; Stubenrauch, I, S. 893, Anm. 4), vertreten.
Will man aber eine zeitliche Beschränkung der Verehelichungsfreiheit eines Großjährigen durch den Erblasser für zulässig ansehen, so doch nur dann, wenn das Verbot die Versorgung auf die Dauer des ehelosen Standes bezweckte, die also mit der Verehelichung, die mindestens bei Frauen nach der Ansicht des Gesetzgebers und den zur Zeit der Erlassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches bestandenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zur Versorgung führte, als gegenstandslos wegzufallen hatte. Aus diesen Erwägungen ist das der authentischen Auslegung des § 700 ABGB. dienende Hofdekret vom 23. Mai 1844 zu erklären. Mit dem Eintritt einer neuen Versorgung, vor allem durch Verehelichung, sollte darum die unter der Bedingung der Ehelosigkeit gewährte letztwillige Zuwendung hinfällig werden. Hier handelt es sich in Wahrheit nicht um eine Bedingung, sondern um eine Befristung mit Endtermin. Weit bedenklicher ist schon die Bedingung, unter welcher etwa einem Sohn eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung der Ehelosigkeit während des Lebens der Mutter zugedacht wird. Will man eine solche Bedingung nicht im Sinn der Ansicht von Pfaff - Hofmann überhaupt als ungültig, weil eine auf unbestimmte Zeit verfügte Anordnung eines Eheverbotes in sich schließend, ansehen, so kann man sie nur mit der von Weiß (l. c., S. 674) gegebenen Begründung rechtfertigen, daß hier einer schon im Gesetz (§ 154 ABGB.) vorgesehenen Versorgungspflicht eine letztwillige Verstärkung beigefügt und diese durch die Bedingung der Nichtverheiratung gesichert wird. Diese Erwägungen versagen aber, wenn, wie hier, die gleiche Bedingung einem Bruder bis zur Versorgung der Schwester auferlegt wird, da eine Unterhaltspflicht zwischen Geschwistern dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch fremd ist, weil insoweit die Meinung von Weiß nicht gebilligt werden kann. Hier wird durch das Eheverbot tatsächlich eine Beschränkung der Verehelichungsfreiheit für unbestimmte Zeit geschaffen, da - welches immer die für die Prozeßentscheidung belanglose Willensrichtung und Beweggrunde der Übergeber anläßlich der Errichtung des Übergabsvertrages vom gewesen sein mögen - die Resolutivbedingung schon dann verwirklicht wird, wenn der bedingt Berechtigte heiratet, solange noch ein unversorgter Bruder oder Schwester ledig (gedacht war dabei ganz offenbar an Schwestern) auf dem Hofe lebt. Da nun die Versorgung, wie sich aus dem Hinweis auf den ledigen Stand der mj. Geschwister ergibt, als in der Form der Verehelichung erfolgend angenommen wurde, wie dies ja auch die Ansicht der Verfasser des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches war, hinge es ganz von der Willkür der auf diese Art zu Versorgenden ab, ob sie eine Ehe eingeht und dadurch den Ausfall der negativen Resolutivbedingung herbeiführt. Es wäre ohneweiters möglich, daß es durch ihre Weigerung, eine Ehe einzugehen, oder durch die für sie bestehende Unmöglichkeit einer solchen Versorgung auch dem bedingt berechtigten Beklagten dauernd unmöglich gemacht wird, sich zu verehelichen. Dies kommt aber einem lebenslänglich wirksamen oder mindestens zeitlich nicht beschränkten und in die Willkür eines Dritten gestellten Eheverbot gleich. Damit ist aber der in § 700 ABGB. klar zum Ausdruck gelangten gegenteiligen Willensmeinung des Gesetzes zuwidergehandelt, auch wenn man sich für die mildeste und restriktivste Auslegung des Gesetzes entschließt.
Die Norm des § 700 ABGB. gilt nun, wie sich aus ihrer Stellung im
12. Hauptstück des II. Teiles und der Marginalrubrik "Von Einschränkung und Aufhebung des letzten Willens" und der Untertitel "Arten der Einschränkung des letzten Willens: 1. Bedingung" ergibt, zunächst nur für die testamentarische, allenfalls im Wege eines Intestatkodizilles auch für die gesetzliche Erbfolge. Unmittelbare Anwendung auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden, somit auch auf bäuerliche Übergabsverträge, findet sie nicht. Man bezeichnet solche Verträge manchmal als einen Fall antizipierter Erbfolge, ohne daß es aber zulässig wäre, aus diesem Bild rechtliche Folgerungen abzuleiten. Der Übergabsvertrag ist vielmehr ein zweiseitiges Rechtsgeschäft unter Lebenden, möge man ihn nun als Kaufvertrag, Schenkung, gemischte Schenkung oder als einen Vertrag eigener Art ansehen (Klang, 1. Aufl. zu § 530, S. 439).
Die Lehre regelt nun Begriff, Art und Rechtswirkung der Bedingung grundsätzlich in den sogenannten allgemeinen Lehren und behandelt die für letztwillige Verfügungen bzw. im Familienrecht geltenden Besonderheiten jeweils im besonderen Teil des bürgerlichen Rechtes bei den betreffenden Instituten. Wenn das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Bedingung, Befristung und Auflage abweichend davon zunächst im Erbrecht behandelt und dann im 17. Hauptstück des II. Teiles, §§ 897 ff., unter dem Untertitel "Nebenbestimmungen bei Verträgen" die Bedingung und Befristung für den Bereich des Vertragsrechtes unter Rückbeziehung auf die früher im Erbrecht gegebenen Vorschriften neuerlich, unter Hervorhebung der Abweichungen, so ist das nur darauf zurückzuführen, daß die Gesetzesverfasser eben auf diese Materie zuerst im Erbrecht stießen, wo auch eines ihrer Hauptanwendungsgebiete liegt (Weiß, 1. c., S. 642). Dabei handelt es sich aber nur um eine Frage der Systematik, denn grundlegend ist die Materie generell in den allgemeinen Lehren zu regeln und in dieser Form gilt die Regelung zunächst für das Gebiet der Rechtsgeschäfte unter Lebenden, vor allem der Verträge. Die Sondervorschriften für den Bereich des Erbrechtes, die weitgehend vom favor testamenti, dem Gedanken geleitet werden, daß eine Korrektur der letztwilligen Anordnung nach dem Tode des Erblassers eben unmöglich geworden ist und sein letzter Wille so sehr als möglich aufrecht erhalten werden soll, finden dann im Erbrecht ihre besondere Darstellung.
Ist demnach § 700 ABGB. auf den Streit unmittelbar nicht anwendbar, so wirkt die in ihm enthaltene Willensmeinung des Gesetzes doch auch auf das Vertragsgebiet. Auf dem Wege über § 879 ABGB. kommt die Unzulässigkeit des dauernden oder auf unbestimmte Zeit begrundeten privaten Eheverbotes auch hier zum Durchbruch, weil dieses dem Gesetz widerspricht, aber auch gegen die guten Sitten verstößt.
Es genügt, in dieser Beziehung auf die früheren Ausführungen hinzuweisen. Es muß darum unbeachtlich bleiben, daß die Übergeber mit ihrer Eheverbotsklausel bezweckten, die ledigen mj. Kinder oder das letzte übrig bleibende ledig-unversorgte Kind auf diese Weise in einen Versorgungszustand auf Kosten des sich verehelichenden Gutsübernehmers zu setzen. Das von ihnen gewählte Mittel war gesetzlich unzulässig, wie dies schon Notar Dr. Sch. erkannt und den Beteiligten seinerzeit (1947) mitgeteilt hat.
Damit erledigen sich die weitläufigen Ausführungen der Revision, die entweder die allgemeine Unanwendbarkeit des § 700 ABGB. oder doch für den besonderen Fall im Hinblick auf den Versorgungszweck dartun wollen. Es wäre unbillig und ungerechtfertigt, den Gutsübernehmer durch die Drohung des Verlustes der Zuwendung, die auch für ihn eine Existenzfrage bedeutet, da das von ihm ausgeübte Maurerhandwerk nach seiner Natur saisonbedingt ist, unter Druck zu stellen und an der Verehelichung auf unbestimmte Zeit zu hindern. Für das unversorgte Kind trifft Art. 5 des Übergabsvertrages überdies Vorsorge.
Es versagt aber auch der Hinweis darauf, daß der Beklagte die unerlaubte Bedingung freiwillig anerkannt und im Übergabsvertrag übernommen hat. Die freiwillige Unterwerfung unter eine gesetzwidrige Bedingung entzieht dieser nichts von ihrer Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit und würde nur dazu führen, eine Hintertür zu öffnen, durch die das gesetzliche Verbot umgangen werden könnte (Klang, 2. Aufl. zu § 700, S. 674; Ehrenzweig, System, Familien- und Erbrecht 1937, S. 450; Pfaff - Hofmann, S. 583). Die gegenteilige Judikatur (GlUNF. 1777, GlU. 327), von Ehrenzweig mit Recht als "bedenklich" bezeichnet, läßt sich darum nicht aufrecht erhalten.
Welche Konsequenzen sich aus dieser rechtlichen Beurteilung ergeben, fällt nur zum kleineren Teil in den Bereich dieses Rechtsstreites. Eines ergibt sich daraus allerdings sogleich, nämlich die Unstichhältigkeit des Klagebegehrens, das sich nicht auf eine unsittliche bzw. gesetzwidrige Vertragsbedingung berufen kann, um daraus rechtliche Ansprüche für sich abzuleiten. Die Meinung der Revision, es handle sich um eine Einwendung aus einem ungültigen Grundgeschäft, die einem redlichen Dritten nicht entgegengehalten werden dürfe, offenbar eine Anspielung auf § 916 ABGB., ist abwegig. Hier liegt kein Scheingeschäft vor, denn die Parteien des Übergabsvertrages haben gewollt, was sie ausgesprochen, und ausgesprochen, was sie gewollt haben. Nur ist ihr Wille mit einem Mangel behaftet gewesen, der die Unwirksamkeit ihrer Erklärung herbeiführte. Aus einem unwirksamen Geschäft kann aber weder der Vertragspartner noch ein etwa nach § 881 ABGB. unmittelbar gegenüber dem Versprechenden klagsberechtigter Dritter Erfüllungsansprüche ableiten.
Inwieweit die Gültigkeit des Übergabsvertrages inter partes betroffen wird (§ 898 ABGB.), ist in diesem Prozeß nicht zu entscheiden.
Da die rechtliche Beurteilung des Falles durch das Berufungsgericht somit zutreffend war, bedurfte es keiner Stellungnahme dieser Instanz zur Beweiswürdigung und zu den sonstigen Verfahrensergebnissen, weil das Klagebegehren eben schon aus rechtlichen Gründen verfehlt war und es des umständlichen Beweisverfahrens, das in erster Instanz durchgeführt wurde, nicht bedurft hätte.
Darum liegt auch der Revisionsgrund nach § 503 Z. 2 ZPO. nicht vor.
Der Revision war nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Unter einem hat der II. Senat die Eintragung des nachstehenden Rechtssatzes unter Nr. 33 in das Spruchrepertorium beschlossen:
Auch freiwillige Unterwerfung unter eine unerlaubte Bedingung, vor allem die des Eheverbotes nach § 700 ABGB., beseitigt nicht deren Unzulässigkeit.