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OGH vom 22.01.2020, 3Ob239/19x

OGH vom 22.01.2020, 3Ob239/19x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. WeixelbraunMohr und Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** W*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** AG, *****, vertreten durch BennIbler Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. A*****, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.472,25 EUR sA und Zinsen, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 119/19z30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 8 C 272/16g26, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Bezeichnung der erstbeklagten Partei wird wie aus dem Kopf ersichtlich berichtigt.

II. Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.212,96 EUR (darin 202,16 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.264,88 EUR (darin 138,98 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.: Die Bezeichnung der erstbeklagten Partei war infolge Änderung ihrer Firma richtigzustellen.

Zu II.:

Der Kläger begehrt (Schaden)Ersatz für den aus dem Wertverlust des Investments (Erwerb von Zertifikaten) resultierenden Schaden und ficht den Vertrag überdies wegen List an. Die Erstbeklagte, eine österreichische Bank, fungierte als Depotbank. Die Zweitbeklagte ist (Rechtsnachfolgerin der) Emittentin der Zertifikate.

Das Verfahren zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten endete mit Vergleich. Verfahrensgegenstand (schon des Ersturteils) ist daher allein das der Höhe nach unstrittige Begehren des Klägers gegenüber der erstbeklagten Bank (im Folgenden nur: Beklagte).

Das Erstgericht ging von folgendem (zusammengefassten) wesentlichen aus:

Der Kläger absolvierte ein pädagogisches Hochschulstudium und ist Beamter. Er hatte in den Jahren 2005 bis 2007 einen Raiffeisendachfond, Bausparverträge, Sparbücher und die streitgegenständlichen Zertifikate.

Letztere erwarb er mit dem Ziel „ein bisschen mehr herauszubekommen, als auf einem Sparbuch“. Von seinem Berater wurden die Zertifikate als „Immobilienaktien“ mit realen Hintergründen, wie beispielsweise Einkaufszentren erklärt. Über die Möglichkeit eines Totalverlusts wurde nicht gesprochen, zumal aufgrund der realen Werte eine Sicherstellung vorhanden sei. Anlässlich des Beratungsgesprächs erhielt der Kläger eine Werbebroschüre, nicht aber einen Kapitalmarktprospekt zu den Zertifikaten. Die Beratung fand anhand dieser Werbebroschüre statt.

Diese Werbebroschüre lautete auszugsweise wie folgt:

• Investieren in Immobilien – aber mit Köpfchen

• Die Mieterträge der Objekte liegen nach Steuern und Gebühren zwischen 9 und 10 % und damit mehr als ein Drittel über den in traditionellen Märkten erzielbaren Werten.

• […] Als Aktiengesellschaft verbindet M***** die Vorteile von Realbesitz mit jenen von Wertpapieren: sichere, langfristige Anlagemöglichkeiten bei jederzeitiger Verfügbarkeit. Die Erträge werden reinvestiert und nicht ausgeschüttet. […]

• Hinter M***** steht die Unternehmensgruppe J*****.

Market Maker ist die M***** (Anm Beklagte). […]

• Die Mietpartner von M***** sind große, bekannte europäische Handelsgesellschaften, die gleichfalls das Potenzial erkannten, das in den Ländern

des Neuen Europa steckt. […]

Auf der vorvorletzten Seite der Werbebroschüre war neben abgebildeten Ziegelsteinen unter anderem angeführt:

[…]

• M***** war schon 1862 in Tschechien und Ungarn präsent und ist schon 1990 wieder gekommen. Sie profitieren vom Know-how und der ganzen Sicherheit von M***** – Zentraleuropas starkem Unternehmen –, wenn es um Service, Qualität und Verlässlichkeit geht.

• Sicherheit. Sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen

Investment mit Wachstum und Ertrag

Auf der vorletzten Seite der Werbebroschüre war ein Kurs-Chart, zeigend einen stetig ansteigenden Kurs, zu den Zertifikaten abgedruckt. Im unteren rechten Viertel der Seite befand sich der Hinweis, dass ein Kapitalmarktprospekt ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei und bei der Beklagten zur Einsicht aufliege. Darunter befand sich ein Hinweis, dass die Angaben dieser Verkaufsbroschüre unverbindlich seien. Auf der letzten Seite war ua die Beklagte mit Adresse und Domain angeführt.

Diese Werbebroschüre war für den Kläger für das Investment in die Zertifikate ausschlaggebend, und zwar insbesondere dahin, dass in Einkaufszentren in verschiedenen Ländern investiert werde, dadurch Mieterträge lukriert würden und es sich um eine sichere Veranlagung handle. Bei den in der Werbebroschüre angeführten Mietern handelte es sich um viele renommierte Firmen, sodass sich der Kläger nicht vorstellen konnte, es könne zu Ausfällen kommen. Auf der vorvorletzten Seite der Werbebroschüre fielen dem Kläger die Ziegelsteine auf und insbesondere die Textpassage „Sicherheit. Sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte, hoher Steuern und niedriger Zinsen“. Das Wort „Aktie“ wurde für den Kläger damit entkräftet, dass bei den Immobilien reale Werte dahinter stehen. Auch der auf der vorletzten Seite abgebildete Chart bestärkte den Kläger in die Investition, zumal der Kurs stetig nach oben ging und er davon ausging, dass der Kurs weiter steigt. Den Hinweis in der Werbebroschüre, dass Renditen der Vergangenheit keine Garantie für zukünftige Gewinne sind, erklärte der Berater dem Kläger damit, dass die Berater darauf hinweisen müssen. Der Kläger hatte aufgrund der Werbebroschüre den Eindruck, dass es sich um eine sichere Veranlagung handelt.

Der Kläger erwarb aufgrund der Information in der Werbebroschüre vom Zertifikate. Bis zum waren es insgesamt 718 Zertifikate zum Bruttowert von 11.578,06 EUR in vier Tranchen. Ausschlaggebend für die Nachkäufe waren die ursprüngliche Information aus der Werbebroschüre und die steigenden Kurse. Wäre der Kurs zwischenzeitig eingebrochen, hätte der Kläger nicht nochmals investiert.

Hätte der Kläger gewusst, dass es sich nicht um eine sichere Veranlagung handelt, hätte er nicht in die Zertifikate investiert; ebenso wenig, wenn er gewusst hätte, dass es zu einem Teil- oder Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen kann. Der Kläger hätte lediglich Kursschwankungen von 3 % akzeptiert. Hätte der Chart in der Werbebroschüre stärkere Schwankungen dargestellt, hätte die klagende Partei das Geld mit einem Bausparvertrag oder einem Fonds kapitalerhaltend angelegt. Dabei wäre zumindest eine Verzinsung von 3 % pa erzielt worden.

Unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen und eines Betrags aus einem Vergleich mit der Zweitbeklagten erlitt der Kläger einen Verlust in der Höhe des Klagsbetrags.

Der stützt den geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf die unrichtigen Informationen in der von der Beklagten erstellten Werbebroschüre. Der Kläger sei darin über wesentliche Umstände des Wertpapiers unrichtig informiert worden und zwar, dass es sich bei einer Investition in M***** um eine sichere Veranlagung handeln würde, die mit einer Investition in Immobilien vergleichbar sei.

Die wandte zusammengefasst ein, allfällige Ansprüche seien verjährt. Eine zivilrechtliche Prospekthaftung komme nicht in Betracht, weil die Werbeprospekte keine irreführenden Angaben enthalten hätten. Für das behauptete Alternativinvestment sei der Kläger beweispflichtig. Außerdem treffe ihn ein überwiegendes Mitverschulden, weil er Risikohinweise nicht gelesen habe.

Das gab der Klage statt.

Der durch einen Rechtsanwalt wirksam vertretene Kläger habe sich rechtzeitig einem Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen, was im Bezug auf die Verjährung die rechtlichen Wirkungen einer Klage entfalte. Auch die nach der Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen für eine Haftung wegen unrichtiger Angaben in Werbeprospekten seien im konkreten Fall erfüllt: Die Beklagte habe durch die konkrete Gestaltung der Verkaufsbroschüre dem Kläger den Eindruck einer sicheren Veranlagung verschafft, wobei die irreführenden Informationen für den Kaufentschluss des Klägers ursächlich gewesen seien. Der Beklagten seien die unrichtigen Prospektangaben bewusst gewesen. Sie hafte dem Kläger für die Werbebroschüre, weil die den Schaden des Klägers herbeiführenden Dispositionen im Vertrauen auf den Inhalt des Prospekts getroffen worden seien. Der Kläger sei von der Beklagten so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten stünde, dabei sei die hypothetische Alternativveranlagung zu berücksichtigten. Ein Mitverschulden des Klägers liege wegen der unklaren Warnhinweise in der Werbebroschüre nicht vor.

Das hob die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Anspruch durch den schlüssigen und formal korrekt erfolgten Privatbeteiligtenanschluss des im Strafverfahren wirksam vertretenen Klägers nicht verjährt sei. Allerdings habe der Kläger seinen Anlageentschluss nicht aufgrund irreführender Angaben im Werbeprospekt getroffen. Die für die Veranlagung konkret ursächlichen Aussagen des Werbeprospekts seien im Zusammenhalt mit den Informationen des Beraters und dem Wissen des Klägers richtig gewesen. Die Annahme des Klägers, dass die vorhandenen Immobilien das Risiko herabsetzen, sei zutreffend. Für einen Schadenersatzanspruch fehle daher die dafür erforderliche Ursächlichkeit unrichtiger Angaben des Prospekts für die Anlageentscheidung des Klägers. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die vom Kläger für seinen Anspruch geltend gemachten weiteren Rechtsgründe einem Verfahren zu unterziehen haben.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Frage der Ursächlichkeit des Prospekts für die Anlageentscheidung in der oberstgerichtlichen Judikatur teilweise abweichend behandelt werde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der des Klägers mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und auch , weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung zur Ursächlichkeit des Prospekts für die Anlageentscheidung abgewichen ist.

1.1 Der hier zu beurteilende Werbeprospekt war bereits Gegenstand mehrerer höchstgerichtlicher Entscheidungen. Sowohl bei der Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Irreführungseignung (4 Ob 188/08p), als auch in den Fällen der Irrtumsanfechtung (zB 3 Ob 65/13z) und der schadensersatzrechtlichen Haftung (zB 9 Ob 43/13h, 4 Ob 155/14v, 8 Ob 98/15t) wurde der Werbeprospekt als irreführend qualifiziert. Nach dieser Rechtsprechung ist die Werbebroschüre bezüglich der dort vermittelten Sicherheit irreführend (3 Ob 65/13z). Im Prospekt werden demnach irreführend einseitig die besonderen Chancen und die Sicherheit der Anlage dargestellt, ohne mit ausreichender Deutlichkeit über die mit dieser Anlageform zwangsläufig verbundenen Risiken zu informieren (4 Ob 188/08p) bzw wird das mit den angepriesenen Wertpapieren verbundene Risiko – im Gegensatz zu sonstigen Aktien – als im Hinblick auf die Investition in Immobilien und deren langfristige lukrative Verwertung als deutlich geringer hingestellt (9 Ob 43/13h).

1.2 Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die für die Veranlagung ursächlichen Aussagen des Prospekts ebenso richtig gewesen seien wie die Annahme des Klägers, dass das Risiko durch die vorhandenen Immobilien herabgesetzt werde, weichen von der referierten Judikatur ab (vgl zB 4 Ob 188/08p zur grob irreführenden Gleichsetzung einer Investition in Papiere der Gesellschaft mit einer Investition in Immobilien bzw zum Umstand, dass gerade nicht der Wert der gesamten Immobilie eine Sicherheit für den Anleger bildet). Im Anlassfall ist daher von der zutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichts auszugehen, dass das Risiko in der Werbebroschüre unrichtig bzw irreführend dargestellt wird.

1.3 Mangelhafte (irreführende, unrichtige oder unvollständige) Prospektangaben können Schadenersatzansprüche begründen, wenn der Geschädigte die Kausalität zwischen den mangelhaften Prospektangaben und seinem Anlageentschluss nachweist. Diese Kausalität ist gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen hat, wenn er also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat (RS0108626 [T3]).

1.4 Die Prüfung der Kausalität ist dem Tatsachenbereich zuzuordnen (RS0022582 [T14]) und unterliegt damit nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof, der ausschließlich Rechtsinstanz ist (RS0123663). Ausgehend von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts, dass der Kläger die Werbung tatsächlich im irreführenden Sinn verstanden hat (insbesondere zur Sicherheit des Investments) und diese Angaben in der Werbebroschüre für den Kläger auch ausschlaggebend waren, in die Zertifikate zu investieren, ist eine Änderung der Berufungsentscheidung erforderlich. Dieser liegt nämlich zugrunde, dass sich der Kläger nicht in einem vom Prospekt verursachten Irrtum über die Risikogeneigtheit der Zertifikate befunden habe und die unrichtigen Werbeaussagen für die Anlageentscheidung nicht kausal gewesen wären. Insoweit das Berufungsgericht hier davon ausgeht, dass (allein) die Meinung des Beraters über die zukünftige Kursentwicklung den Irrtum des Klägers verursacht habe, steht dies im Widerspruch zu den eingangs referierten und von der Beklagten auch erfolglos bekämpften Feststellungen.

1.5 Der Umstand, dass die Anlageentscheidung (allenfalls) auch durch die Beratergespräche mitbeeinflusst wurde, befreit die Beklagte nicht für ihre Haftung aufgrund der mangelhaften Prospektangaben. Nach der Rechtsprechung besteht zwar dann keine Haftung für den Prospekt, wenn das Beratungsgespräch, nicht aber der Prospekt kausal war (vgl 4 Ob 136/11w). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil feststeht, dass für den Kaufentschluss die (irreführenden) Angaben im Werbeprospekt ausschlaggebend waren, diesen also jedenfalls auch mitverursachen. Aufgrund dieser Feststellungen kann die Beurteilung der Kausalitätsfrage durch das Berufungsgericht nicht geteilt werden (vgl 10 Ob 10/11k).

1.6 Aus der in der Rekursbeantwortung zitierten Entscheidung 9 Ob 23/19a ist für die Beklagte nichts abzuleiten. Dieser Entscheidung liegt zugrunde, dass der dortige Kläger „seine Investitionsentscheidung gerade nicht auf den Gesamteindruck der Werbebroschüre gestützt hat“. Im hier zu beurteilenden Fall steht Gegenteiliges fest.

1.7 Das Erstgericht hat zur Frage der Ursächlichkeit auch sämtliche Feststellungen getroffen die zur umfassenden Beurteilung der Rechtssache erforderlich waren. Rechtliche Feststellungsmängel liegen nicht vor.

1.8 Die Klagsabweisung kann daher nicht darauf gestützt werden, dass die mangelhaften Prospektangaben für den Anlageentschluss nicht kausal waren.

2. Das Erstgericht hat auch die (übrigen) Einwände der Beklagten (Verjährung, Alternativveranlagung und Mitverschulden) zutreffend verneint.

2.1 Die Vorinstanzen sind im Sinne der gesicherten Rechtsprechung zu Parallelfällen davon ausgegangen, dass der aufgrund einer Prozessfinanzierungsvereinbarung wirksam (vgl zB 7 Ob 52/18z, 4 Ob 45/18y) bevollmächtigte Klagevertreter den Anschluss des Klägers als Privatbeteiligter in einem auch gegen die Beklagte geführten Strafverfahren wirksam und schlüssig erklärte, wodurch es zur Unterbrechung der klägerischen Schadenersatzansprüche kam (10 Ob 45/17s; RS0034631 [T13, T 14, T 15]; RS0041512 [T2, T 3, T 4]). Daran ist auch hier festzuhalten, auf die Ausführungen der Vorinstanzen kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.2 Nach der Rechtsprechung trifft den Geschädigten beim Anlegerschaden die Behauptungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er bei korrekter Information die tatsächlich gezeichneten Wertpapiere nicht erworben hätte, sondern auch für die Wahl einer hypothetischen Alternativanlage bei korrekter Information und deren Entwicklung (RS0030153 [T25], jüngst 3 Ob 109/19d). Es steht fest, dass der Kläger bei einem mangelfreien Prospekt in einen Bausparvertrag oder einen Fonds investiert hätte, wobei dabei das Kapital erhalten geblieben wäre und er zumindest eine Verzinsung von 3 % im Jahr erzielt hätte.

Bezüglich der geltend gemachten Verzinsung der Alternativanlage von 3 % machte die Beklagte erstmals in der Berufung dazu die Verjährung geltend, wobei sie dort zutreffend ausführte, dass es sich dabei um einen selbständigen Anspruch handelt („eigener Gewinnanspruch“), nicht eine „akzessorische Nebenforderung“ eines Hauptanspruchs (vgl RS0046495 [T1]). Im erstinstanzlichen Verfahren wurde zu diesem selbständigen, nachträglich erhobenen Anspruch kein schlüssiger Verjährungseinwand erhoben. Auf das entsprechende Vorbringen in der Berufung der Beklagten war wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht mehr näher einzugehen.

2.3 Ein Mitverschulden des Kunden, das die Schadenersatzpflicht wegen mangelhafter Prospektangaben mildert, kann zwar grundsätzlich in Betracht kommen, was etwa dann der Fall ist, wenn dem Kunden aufgrund seines Wissensstandes die Unrichtigkeit der Unterlagen hätte auffallen müssen oder Informationsmaterial nicht beachtet bzw Risikohinweise nicht gelesen werden (RS0102779). Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Warnhinweise in der Broschüre im hier zu beurteilenden Einzelfall undeutlich waren. Im Zusammenhang mit der Gestaltung des Werbefolders, in dem die Sicherheit des Investments stark betont wurde, treten nur sehr allgemein gehaltene Risikohinweise (auch jene im Anlegerprofil und in Konto- und Depoteröffnungsanträgen) stark in den Hintergrund (vgl auch 4 Ob 188/08p), zumal für den Kläger keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Beischaffung weiterer Informationen zu den Produkteigenschaften vorlagen, sodass sich im Anlassfall kein ins Gewicht fallendes Mitverschulden des Klägers begründen lässt (vgl 10 Ob 10/11k).

3. Auch sonstige – vom Berufungsgericht nicht näher geprüften – Abweisungsgründe liegen nicht vor.

4. Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und in der Sache selbst im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils zu erkennen.

5. Da das gesamte Klagebegehren berechtigt war, hat es im Ergebnis bei der Kostenentscheidung des Erstgerichts zu bleiben. Hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren beruht die Kostenentscheidung auf § 41, 50 ZPO. Der ERV-Zuschlag für die Revision beträgt gemäß § 23a RATG 2,10 EUR.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00239.19X.0122.000

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