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OGH vom 22.02.2017, 3Ob239/16t

OGH vom 22.02.2017, 3Ob239/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G***** Rechtsanwaltspartnerschaft, *****, vertreten durch Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wider die verpflichtete Partei Dr. B*****, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in Wien, wegen 69.000 EUR sA (Zwangsversteigerung von Liegenschaften), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 4 R 257/16x-25, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom , GZ 30 E 2/16w-21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der verpflichteten Partei, eine Vorabentscheidung beim EuGH zur Auslegung des Art 5 EuInsVO einzuholen, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen einer GmbH mit Sitz in Italien wurde dort am ein Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. Gegen diesen als Verpflichteten bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom der Betreibenden die Zwangsversteigerung von zwei in Österreich gelegenen Liegenschaften der GmbH im Rang des jeweils zugunsten der Betreibenden einverleibten Pfandrechts für eine vollstreckbare Forderung von 69.000 EUR sA. Der vom italienischen Konkursgericht zu näher genannten Bedingungen angeordnete konkursgerichtliche Verkauf der beiden Liegenschaften fand am durch Erteilung des Zuschlags an eine GmbH Co KG mit Sitz in Österreich statt. Unter Hinweis darauf beantragte (nur) der Masseverwalter am die Einstellung des Verfahrens.

Das Erstgericht stellte daraufhin die Zwangsversteigerung „nach Veräußerung der Liegenschaften im Insolvenzverfahren gemäß § 120a Abs 2 IO“ ein.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und wies den Einstellungsantrag des Masseverwalters nach § 120a Abs 2 IO ab. Den Revisionsrekurs ließ es zu, weil zur Auslegung des Art 5 Abs 1 EuInsVO höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Dagegen erhob der Masseverwalter am Revisionsrekurs verbunden mit dem Antrag, eine Vorabentscheidung beim EuGH zur Auslegung des Art 5 EuInsVO einzuholen. Im Rechtsmittel strebt er primär die Abänderung im Sinn des Stattgebung seines Antrags auf Einstellung gemäß § 120a Abs 2 IO an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Betreibende erstattete eine – ihr nicht freigestellte – Revisionsrekursbeantwortung und teil später (am ) mit, dass sie sowohl ihren Exekutionsantrag als auch ihren Rekurs zurückziehe, „sodass das Exekutionsverfahren, sowie das Rechtsmittelverfahren, einzustellen“ sei.

Der Masseverwalter äußerte sich dazu wie folgt:

Spätestens durch den Einstellungsantrag der Betreibenden sei deren Beschwer weggefallen, sodass dem Revisionsrekurs des Masseverwalters stattzugeben und die Rekursentscheidung aufzuheben sei.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Der Revisionsrekurs des Masseverwalters ist zurückzuweisen.

1.1. Das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch – abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RISJustiz RS0002495; RS0041770 [T25, T 64, T 80]).

Im Fall der Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 6 EO ist die Frage, ob diese richtigerweise (auch) aus einem anderen Grund einzustellen gewesen wäre, nur noch von theoretischer Bedeutung. Schon mehrmals hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass in den Fällen, in denen eine andere Entscheidung als die Bewilligung der Einstellung denkunmöglich ist (so etwa im Fall eines von beiden Parteien gemeinsam gestellten Einstellungsantrags), ein Antrag, dessen Bewilligung bei einem Rechtsmittel zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses führt, dasselbe schon vor dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag bewirkt (3 Ob 308/99m mwN; RIS-Justiz RS0001611 [T2, T 3]). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil der Masseverwalter dem unter § 39 Abs 1 Z 6 EO zu subsumierenden Einstellungsantrag der Betreibenden (naturgemäß) nicht entgegentrat; strebt er doch selbst die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens an.

Deshalb muss der somit gemeinsame Antrag der Parteien denknotwendig zur Einstellung durch das Erstgericht führen, sodass dem verpflichteten Masseverwalter – obwohl derzeit die Einstellung noch nicht beschlossen wurde – schon jetzt die Beschwer zur Bekämpfung der seinen Einstellungsantrag abweisenden Rekursentscheidung abzusprechen ist (vgl 3 Ob 308/99m).

1.2. Allerdings trat diese Konstellation erst zu einem Zeitpunkt nach Einbringung des Revisionsrekurses ein.

Eine (nur) das Revisionsrekursverfahren betreffende Kostenentscheidung (hier im Zwischenstreit über den Einstellungsantrag des Masseverwalters) hat ihre Grundlage in § 50 Abs 2 ZPO (iVm § 78 EO). Bei „nachträglichem“ Wegfall der Beschwer (im Zeitraum zwischen Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber) ist der Erfolg des Rechtsmittels hypothetisch nachzuvollziehen; die Kostenentscheidung ist so zu treffen, wie wenn das Rechtsschutzinteresse nicht weggefallen wäre; diese Prüfung hat nicht streng zu erfolgen (RISJustiz RS0036102 [T7]).

1.3. Der Masseverwalter zeigt keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, das seinem Begehren auf Einstellung nach § 120a Abs 2 IO nicht nachkam, auf: Er übergeht nämlich, dass diese Bestimmung gar kein Antragsrecht des Masseverwalters vorsieht, weil die Einstellung nach deren eindeutigem Wortlaut nur auf Ersuchen des Insolvenzgerichts zu erfolgen hat (vgl Riel in Konecny/Schubert Insolvenzgesetze § 120a KO Rz 46; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger4 IV § 120a KO Rz 27; Mini, Die Aufschiebung der Exekution [2002] 160). Ein solches Ersuchen lag hier aber nicht vor.

Darauf, ob der diesbezügliche Antrag des Masseverwalters ab- oder zurückzuweisen gewesen wäre, kommt es bei der hier maßgebenden Prüfung nach § 50 Abs 2 ZPO nicht an; ebensowenig darauf, wie Art 5 Abs 1 EuInsVO auszulegen ist.

1.4. Ein Erfolg des Revisionsrekurses wäre somit auch im Fall seiner inhaltlichen Behandlung zu verneinen gewesen. Der Masseverwalter hat die Kosten des Revisionsrekurses daher jedenfalls selbst zu tragen. Da dies ohnehin die Konsequenz der Zurückweisung ist, bedarf es dazu keines gesonderten Ausspruchs.

2. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem EuGH zu beantragen; (auch) der entsprechende Antrag des Masseverwalters ist daher zurückzuweisen (RISJustiz RS0058452 [insb T 4, T 5, T 12, T 14, T 16, T 21]). Der Oberste Gerichtshof kann hier schon mangels Präjudizialität nicht veranlasst sein, amtswegig ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

3. Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung ist abzuweisen, weil das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – einseitig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats ist eine dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RISJustiz RS0118686 [T11]); sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und ist daher nicht zu honorieren (RISJustiz RS0118686 [T12]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00239.16T.0222.000
Schlagworte:
Exekutionsrecht,Gruppe: Konkursrecht,Ausgleichsrecht,Zivilverfahrensrecht

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