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OGH vom 30.03.2016, 6Ob21/16f

OGH vom 30.03.2016, 6Ob21/16f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Nowotny und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. o. Univ. Prof. i. R. Dr.Dr.h.c. H***** K*****, 2. o. Univ. Prof. Dr. P***** B***** und 3. Univ. Prof. Dr. R***** B*****, alle vertreten durch Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes P. Willheim, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 135/15z 27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Kläger sind die Herausgeber eines Kurzkommentars. Sie schlossen mit der beklagten Verlagsgesellschaft 2001 einen Verlagsvertrag. Die Beklagte verkaufte 2011 den gesamten Unternehmensteil „Fachbereich Rechtswissenschaften“ an die Verlag Ö***** G.m.b.H. (im Folgenden: „Erwerberin“) im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Der Verlagsvertrag der Kläger ist komplett auf die Erwerberin übergegangen.

Punkt 6. des Verlagsvertrags enthält Regelungen über die Berechnung des Honorars der Autoren und Herausgeber in einem je nach Anzahl der verkauften Exemplare gestaffelten Prozentsatz des Nettoladenpreises.

Punkt 8. des Verlagsvertrags lautet folgendermaßen:

„8. [Die Beklagte] ist allein berechtigt, die Nutzungsrechte am gesamten Werk oder an Teilen daraus in der originalen oder in gekürzter Fassung (z.B. auch Taschenbuch-, Buchgemeinschafts- oder Mikrofilmausgaben, Aufnahmen in eine Gesamtausgabe oder ein Sammelwerk, Vorab- oder Nachdrucke in Zeitschriften usw.), die Rechte für Übersetzungen in andere Sprachen und für die Auswertung durch Rundfunk, Fernsehen und Audiovision sowie für elektronische Datenaufzeichnung (einschließlich Programmierung, Speicherung und Übertragung auf weitere Datenträger) und Datenausgabe wahrzunehmen oder weiterzugeben. Einnahmen aus dem Verkauf derartiger Rechte einschließlich der Rechte zur elektronischen Datenaufzeichnung und Datenausgabe wird [die Beklagte] im Verhältnis 1:1 mit den Herausgebern und den Autoren teilen, die sich ihrerseits über die Aufteilung untereinander verständigen. Für Honorare und/oder Erlösbeteiligung im Falle der Verwertung der Rechte zur elektronischen Nutzung durch [die Beklagte] gilt Punkt 6.) analog. Soweit Nebenrechte durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden, verbleibt der Verlagsanteil voll [der Beklagten]. Die [von der Beklagten] auf eigene Kosten angefertigten Druckträger für Tabellen, Abbildungen usw. sind ausschließliches Eigentum [der Beklagten].“

Die Kläger begehren mit Stufenklage die Verurteilung der Beklagten einerseits zur Abrechnung über die Höhe der Einnahmen aus dem Verkauf der Werknutzungsrechte am „Kurzkommentar zum ABGB“ an die Erwerberin unter Vorlage einer beglaubigten Kopie des von der beklagten Partei im Teilbetrieb „Fachbereich Rechtswissenschaften“ sowie unter Vorlage einer dem buchhalterischen Grundsätzen entsprechenden Abrechnung über die von der beklagten Partei im Teilbetrieb „Fachbereich Rechtswissenschaften“ einerseits und mit dem Kurzkommentar andererseits erzielten Umsätze jeweils für den Zeitraum vom bis zum .

Die Kläger begehren weiters die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Hälfte des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Betrags.

Ihr Begehren stützen die Kläger auf Punkt 8. des Verlagsvertrags.

Die Beklagte wendet zusammengefasst ein, bei Auslegung dieser Vertragsbestimmung nach den §§ 914 f ABGB stehe den Klägern aus dem verkauften Unternehmensteil „Fachbereich Rechtswissenschaften“ keine Erlösbeteiligung zu.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Durch die Vertragsübernahme des Verlagsvertrags durch die Erwerberin sei die Rechtsstellung der Kläger nicht beeinträchtigt. Sie erhielten nach wie vor ihre verkaufsabhängigen Autorenhonorare nach Punkt 6. In Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise müsste es für die Kläger vielmehr weitgehend unerheblich sein, auf welche Weise die Beklagte die Struktur ihres Unternehmens tiefgreifend verändert habe. Redliche Parteien hätten weder nach der Rechtsform des Rechteübergangs noch danach differenziert, ob die Beklagte ihren Betrieb zur Gänze oder nur hinsichtlich ihres juristischen Teils veräußere, sondern einzig und allein danach, ob die Kläger und die Erwerberin den Verlagsvertrag der Streitteile fortsetzten oder nicht. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Klauseln um branchenübliche Verträge handle und diese bis zum gegenständlichen Fall keine vergleichbaren Streitfälle ausgelöst hätten, gebe Aufschlüsse über die zur Vertragsauslegung heranzuziehende Verkehrssitte in der betreffenden Branche. Redliche Parteien hätten im Falle eines Unternehmensübergangs keine Vervielfachung des Hälfteanteils durch Erlösbeteiligung auch bei Folgeverkäufen vorgesehen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil die gegenständliche Vertragsauslegung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger ist unzulässig.

Die Kläger relevieren in ihrer außerordentlichen Revision als erhebliche Rechtsfragen einerseits, dass die betreffende Vertragsklausel vielfach verwendet werde, sodass deren Auslegung über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe; andererseits, dass die Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung darstelle.

Die Revisionswerber zeigen damit keine erheblichen Rechtsfragen auf:

1. Der Oberste Gerichtshof ist selbst zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (1 Ob 224/06g = RIS-Justiz RS0121516 [T4]; vgl auch RS0042816). In der zitierten Entscheidung ging es um AGB-Klauseln eines Unternehmens. Auch im vorliegenden Fall geht es nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, sondern (nur) um Vertragsbedingungen der Beklagten. Dazu kommt, dass nach den Feststellungen nur die Kläger und lediglich ein weiterer Herausgeber aus Punkt 8. des gegenständlichen Verlagsvertrags Ansprüche im Zusammenhang mit der Veräußerung des Unternehmensteils „Fachbereich Rechtswissenschaften“ gerichtlich geltend machten.

2. Den Vorinstanzen ist auch keine auffallende Fehlbeurteilung bei der Auslegung des Punkts 8. des Verlagsvertrags unterlaufen. Wenn die Vorinstanzen im Ergebnis davon ausgingen, dass Punkt 8. jedenfalls nur die Übetragung einzelner „Rechte“ erfassen und diese endgültig abgelten, nicht aber die Übertragung des gesamten Vertragsverhältnisses (Rechte und Pflichten) samt weiter aufrecht bestehenden Honoraransprüchen nach Punkt 6., so ist dies nicht unvertretbar. Die Kläger vermögen auch nicht darzustellen, warum die gesetzlichen Regelungen für den Übergang des Werknutzungsrechts in § 27 Abs 3 UrhG (Eintritt des Erwerbers, Haftung des Veräußerers) dieser Auslegung des Vertrags entgegenstehen sollten. Im Übrigen sieht gerade das UrhG unterschiedliche Regelungen für die bloße Sondernachfolge (§ 27 UrhG) und die nach dieser Vertragsauslegung von Punkt 8 des Vertrags nicht erfasste Übertragung ganzer Unternehmenszweige (§ 28 UrhG) samt hier unstrittigem Übergang des gesamten Vertragsverhältnisses vor. Vor dem Verständnis, dass es den Vertragsparteien darum ging, zwei alternative, aber nicht kumulative Honorarmodelle zu vereinbaren, gehen die Vorinstanzen vertretbar davon aus, dass nach dem Vertrag den Klägern allein aus dem (sie nicht tangierenden) Verkauf des Unternehmensteils kein zusätzliches Entgelt zustehen sollte.

Es trifft auch nicht zu, dass bei der Auslegung des Berufungsgerichts Punkt 8. des Verlagsvertrags keinen Anwendungsbereich hätte. Diese Vertragsbestimmung soll etwa die (gegenüber der Verwertung nach Punkt 1. des Verlagsvertrags) dort genannten zusätzlichen Verwertungsformen (audiovisuelle Auswertung, Abdruck in Zeitschriften, das Erscheinen einer Taschenbuchausgabe) abdecken.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00021.16F.0330.000