OGH vom 15.02.2007, 6Ob21/07t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN ***** eingetragen gewesenen J***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in I***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 128/06g-4, mit dem der Rekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 50 Fr 1733/06a-1, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom gemäß § 40 FBG von Amts wegen die Löschung der Gesellschaft wegen (vermuteter) Vermögenslosigkeit vor. Dieser Beschluss wurde der Gesellschaft, dem Finanzamt I***** und der Wirtschaftskammer T***** am zugestellt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gesellschaft, der am 15. 11. 2006 überreicht worden war, infolge Versäumung der 14-tägigen Rekursfrist des § 46 Abs 1 AußStrG (iVm § 15 FBG) als verspätet zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Bedachtnahme auf den verspäteten Rekurs gemäß § 46 Abs 3 AußStrG scheide aus, weil bereits andere Personen, nämlich die Steuerbehörde und die gesetzliche Interessenvertretung (Wirtschaftskammer) Rechte aus der erstinstanzlichen Entscheidung erlangt hätten. Zu dieser Frage fehle aber Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seit der Außerstreitreform 2003.
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 46 Abs 1 AußStrG (iVm § 15 FBG) beträgt die Rekursfrist (auch) in Firmenbuchsachen 14 Tage. Dass sie diese Frist zur Bekämpfung der Entscheidung des Erstgerichts versäumt hat, bezweifelt die Gesellschaft nicht.
2.1. Nach § 46 Abs 3 AußStrG können nach Ablauf der Rekursfrist Beschlüsse angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Nur dann, wenn eine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ohne Eingriff in Rechte Dritter („einer anderen Person") möglich ist, ist über den verspäteten Rekurs meritorisch zu entscheiden; ansonst ist er vom Rekursgericht zurückzuweisen; es kommt also darauf an, ob die materiellrechtliche oder die verfahrensrechtliche Stellung einer anderen Person nachteilig berührt wird. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang mehrfach klargestellt, dass die Berücksichtigung eines verspäteten Rekurses somit nur bei Beschlüssen in Betracht kommt, die weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig sind (jüngst 6 Ob 199/06t mwN).
2.2. § 46 Abs 3 AußStrG ist die Nachfolgebestimmung des § 11 Abs 2 AußStrG 1854. Nach überwiegender Rechtsprechung und Lehre (vgl die Nachweise bei G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 40 Rz 100; Schenk in Straube, HGB³ [2003] § 8 Rz 32) waren sowohl die Steuerbehörde als auch die gesetzlichen Interessenvertretungen „Dritte" im Sinne dieser Bestimmung. War demnach der Wirtschaftskammer (RIS-Justiz RS0006890) oder dem Finanzamt (6 Ob 1010/91 = NZ 1992, 234) etwa im Amtslöschungsverfahren ein Beschluss des Firmenbuchgerichts zugestellt worden, war die Berücksichtigung eines verspäteten Rekurses der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Entscheidung 6 Ob 267/00h, die auch im Firmenbuchverfahren unter Dritten im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG 1854 nur Privatrechtssubjekte verstehen wollte (vgl RIS-Justiz RS0007098), ist vereinzelt geblieben; sie hat auch nicht hinreichend darauf Bedacht genommen, dass im Firmenbuchgesetz und insbesondere im Amtslöschungsverfahren die verfahrensrechtliche Stellung der Steuerbehörde und der Interessenvertretungen ausdrücklich normiert ist (vgl §§ 13, 14, 21, 22, 40 Abs 1, § 42 FBG; G. Nowotny, aaO).
2.3. § 46 Abs 3 AußStrG spricht - im Gegensatz zu § 11 Abs 2 AußStrG 1854 - nicht von einem „Dritten", sondern von „einer anderen Person". Die Gesellschaft will in ihrem Revisionsrekurs daraus eine Absicht des Gesetzgebers ableiten, als „Dritte" nur mehr Privatrechtssubjekte zu qualifizieren. Die Materialien zu § 46 AußStrG BGBl I Nr 111/2003 (s Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] 180) stellen hingegen ausdrücklich klar, dass § 11 Abs 2 AußStrG 1854 (unverändert) übernommen werden sollte (so auch G. Nowotny, aaO; Fucik/Kloiber, aaO § 46 Rz 3; Klicka in Rechberger, AußStrG [2006] § 46 Rz 4). Eine Änderung der Rechtsprechung erscheint damit nicht angezeigt (vgl auch 6 Ob 199/06t; 6 Ob 217/06i).
3. Der erstinstanzliche Beschluss wurde sowohl der Steuerbehörde als auch der Interessenvertretung zugestellt. Eine Bedachtnahme auf den verspäteten Rekurs der Gesellschaft kommt somit nicht in Frage. Das Rekursgericht hat deren Rekurs zutreffend zurückgewiesen.