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OGH vom 11.11.1997, 7Ob300/97m

OGH vom 11.11.1997, 7Ob300/97m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Karl O***** GmbH, ***** 2.) Johann H*****, 3.) Dr.Christian H*****, 4.) Walter K*****, alle vertreten durch Dr.Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl O*****, vertreten durch Dr.Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit einer Verbindlichkeit aus einem vollstreckbaren Notariatsakt (Streitwert S 1,600.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 36 R 769/96x-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 59 C 7/96h-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, dem Beklagten die mit S 29.214,-- bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten S 4.869,-- USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit vollstreckbarem Notariatsakt vom verpflichteten sich die Kläger, dem Beklagten für die Übertragung von Rechten an einem Unternehmen S 9 Mio zu zahlen und zwar durch Übernahme offener Verbindlichkeiten, sofortige Barzahlung und monatliche Teilbeträge.

Zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von S 812.497,99 (eingeschränkt auf S 792.788,07) aus diesem Notariatsakt führt der Beklagte gegen den Erstkläger zu ***** E ***** beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien Exekution. Mit der Behauptung, daß diese betriebene Forderung durch Aufrechnung mit einer gegen den Beklagten bestehenden Schadenersatzforderung nach Abschluß des vollstreckbaren Notariatsaktes erloschen sei, erhob der Erstkläger gegen den Beklagten beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu ***** C ***** eine Oppositionsklage mit dem Begehren, zwischen den Streitteilen werde festgestellt, daß die aufgrund des Notariatsaktes betriebene vollstreckbare Restforderung getilgt und damit bereinigt und das vom Beklagten geführte Exekutionsverfahren unzulässig sei. Das Verfahren ist im zweiten Rechtsgang beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien noch anhängig.

Mit der vorliegenden Klage begehren die vier aus dem Notariatsakt verpflichteten Kläger gegenüber dem Beklagten die Feststellung, daß der vollstreckbare Notariatsakt insoweit unwirksam sei, als der dort angeführte Kaufpreis S 7,4 Mio übersteigt; dieser verringerte Kaufpreis sei beglichen. Wegen diverser Unzukömmlichkeiten, die bei der Abfassung des Notariatsaktes nicht berücksichtigt worden seien, hätten die Kläger einen Schaden in der Höhe von S 1,6 Mio erlitten. Der Beklagte habe dafür ausdrücklich die persönliche Haftung übernommen. Die Kläger hätten diese Forderung gegen die aus dem Notariatsakt bestehende Forderung aufgerechnet. Die Forderung des Beklagten aus dem Notariatsakt sei dadurch beglichen. Dennoch habe der Beklagte aufgrund des vollstreckbaren Notariatsaktes das Exekutionsverfahren eingeleitet. Für eine Klage auf Aufhebung oder (teilweises) Erlöschen eines vollstreckbaren Notariatsaktes sei das Gericht zuständig, das die Exekution aufgrund dieses Notariatsaktes bewilligt habe.

Der Beklagte wendete die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die von ihm betriebene Forderung sei aus dem vollstreckbaren Notariatsakt noch offen. Zu den Prozeßeinreden wurde kein besonderes Vorbringen erstattet.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Prozeßeinreden ein und erklärte sodann mit Beschluß, daß es unzuständig sei. § 17 Abs 2 EO sei nach der Rechtsprechung eng auszulegen. Die vorliegende Feststellungsklage falle nicht unter diesen Zuständigkeitstatbestand. Das Feststellungsbegehren sei keineswegs nur aus Anlaß des Exekutionsverfahrens möglich geworden. Der dem Klagebegehren zugrundeliegende Schadenersatzanspruch und die dadurch bewirkte Aufrechnungslage könnten auch außerhalb des Exekutionsverfahrens entstehen und hätten das Exekutionsverfahren nicht zur Voraussetzung. Im Hinblick auf den Streitwert und den Wohnsitz des Beklagten sei weder die sachliche noch die örtliche Zuständigkeit gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts mit der Maßgabe dahin, daß das Erstgericht unzuständig sei und die Klage zurückgewiesen werde. Weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auf § 4 NO iVm Art XVII EGEO lasse sich die Zuständigkeit des Erstgerichts nicht gründen, weil mit Klagen nach § 4 NO nur solche Mängel geltend gemacht werden könnten, die der Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes entgegenstünden. Solche Mängel seien aber nicht vorgebracht worden. Die Klage sei vielmehr auf materielle Mängel des Notariatsaktes gestützt. Aber auch aus § 17 Abs 2 EO könne die Zuständigkeit des Erstgerichts nicht abgeleitet werden. Abgesehen davon, daß die Restforderung aus dem Notariatsakt gegen die Zweit- bis Viertkläger gar nicht betrieben werde, sodaß insoweit die Qualifikation der Streitigkeit als "im Laufe eines Exekutionsverfahrens und aus Anlaß desselben" fehle, fielen unter diese Bestimmung nur solche Prozesse, die Rechtsverhältnisse zum Gegenstand hätten, die zum Zwecke der Fortsetzung oder des Abschlusses des Exekutionsverfahrens geführt werden müßten. Es müsse eine für den technischen Ablauf des Vollzugsverfahrens spezifische Präjudizialität vorliegen. Die Klage auf Feststellung des Nichtbestandes einer betriebenen Forderung sei keine exekutionsrechtliche Klage im Sinne des § 17 Abs 2 EO. Eine Analogie zu § 35 EO sei unzulässig, weil § 35 Abs 2 EO eine Sonderregelung enthalte, die einer ausdehnenden Auslegung nicht zugänglich sei. Ob die Klage unter den Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 1 EO zu subsumieren sei, sei unbeachtlich, weil dieser Norm nichts entnommen werden könne, was die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts betreffe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von den Klägern erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts gemäß Art XVII EGEO gilt nur für Klagen, mit denen die Exekutionskraft des Notariatsaktes aus formellen Gründen bestritten wird (§ 4 NO), nicht aber auch für Klagen, mit denen das im Notariatsakt beurkundete Rechtsgeschäft aus materiellen oder formellen Gründen angefochten wird (SZ 8/289; NZ 1973, 189). Soweit sich die Kläger für ihre gegenteilige Ansicht auf SZ 8/289 und die dort angeführten Gesetzesmaterialien berufen, steht dem der eindeutige Wortlaut der bezogenen Entscheidung und der Materialien entgegen. Die Ausführungen in Heller/Berger/Stix I 53, auf die der Revisionsrekurs verweist, betreffen die Oppositionsklage; eine solche liegt hier aber nicht vor.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (3 Ob 100/90), kommen gegen eine Exekutionsführung aufgrund eines Notariatsakts drei Klagen in Betracht: Die bereits erwähnte Klage nach Art XVII EGEO, mit der bloß die Exekutionskraft des Notariatsaktes aus formellen Gründen bestritten wird, die besondere Klage mit der Wirkung des § 39 Abs 1 Z 1 EO, mit der materiell-rechtliche Einwendungen gegen das Zustandekommen des Notariatsaktes geltend gemacht werden können, und die Oppositionsklage, mit der nach Entstehung des Titels eingetretene, den Anspruch aufhebende Tatsachen geltend gemacht werden können.

Die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des im Notariatsakt verbrieften vollstreckbaren Anspruchs ist keine Oppositionsklage, auch wenn sie - wie hier - auf nach Entstehung des Titels eingetretene Tatsachen gestützt wird. Sie richtet sich nicht gegen eine konkrete Exekutionsführung und muß auch nicht notwendigerweise auf Abwehr einer solchen gerichtet sein. Wenngleich das stattgebende Urteil zur Einstellung einer aufgrund desselben Titels gerichteten Exekution führen kann (SZ 9/28; Rechberger/Oberhammer/Bogensberger,

Der vollstreckbare Notariatsakt 65 ff insbesondere 68), ist wegen der unterschiedlichen Zielsetzung einer Feststellungsklage gegenüber einer Oppositionsklage der Zuständigkeitstatbestand des § 35 Abs 2 EO nicht anwendbar.

Gemäß § 17 Abs 2 EO steht dem Exekutionsgericht auch die Verhandlung und Entscheidung über alle im Laufe eines Exekutionsverfahrens und aus Anlaß desselben sich ergebenden Streitigkeiten zu, sofern in der Exekutionsordnung nicht ein anderes Gericht dafür zuständig erklärt wird. Mit dieser individuellen Zuständigkeit des Exekutionsgerichts soll vermieden werden, daß gewisse Prozesse von einem anderen als dem Exekutionsgericht geführt werden. Welche das Gesetz davon verstanden haben will, ist aus den Sonderbestimmungen, durch die das Exekutionsgericht zuständig wird (§§ 37 Abs 3, 232 Abs 1, 258 Abs 1 EO) ersichtlich; darunter sind solche Prozesse zu verstehen, in denen durch das Urteil bestimmt wird, ob und in welcher Weise die Exekution einschließlich der Verwertung und Verteilung durchzuführen ist; Prozesse, die den Lauf des Exekutionsverfahrens regeln, soll der Exekutionsrichter führen (Heller/Berger/Stix I 303). Es kommt also auf die Präjudizialität der Prozeßentscheidung auf das Exekutionsverfahren an (Heller/Berger/Stix aaO 304; EvBl 1975/109). Der Umstand aber, daß das Urteil im Feststellungsprozeß zur Einstellung eines allenfalls geführten Exekutionsverfahrens führen kann, macht die Feststellungsklage noch nicht zu einer exekutionsrechtlichen Klage. Dazu kommt im vorliegenden Fall aber auch noch, daß die Forderung, soweit sie die Exekutionsführung im Verfahren ***** E ***** des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien übersteigt, bei diesem Gericht gar nicht betrieben wird. Auch eine Betreibung gegen die Zweit- bis Viertkläger liegt nicht vor. Daher ist auch die Zuständigkeit des Exekutionsgerichts gemäß § 17 Abs 2 EO für die vorliegende Klage nicht gegeben.

Einwendungen nach § 35 EO richten sich nach ständiger Rechtsprechung unmittelbar gegen den betriebenen Anspruch; das der Oppositionsklage stattgebende Urteil spricht über den materiell rechtlichen Anspruch unmittelbar ab und wirkt nicht etwa nur auf die Anlaßexekution (Heller/Berger/Stix I 403 ff; SZ 49/68; JBl 1983, 91; EFSlg 44.163; SZ 60/88). Dennoch geht das Ziel einer Oppositionsklage, unmittelbar die Einstellung einer Exekution zu bewirken, über das einer bloßen Feststellungsklage hinaus. Es besteht daher keine gänzliche Identität zwischen dem mit der Feststellungsklage einerseits und mit der Opposionsklage andererseits geltend gemachten Anspruch, so daß die Anhängigkeit der Feststellungsklage für die Oppositionsklage auch keine Streitanhängigkeit bewirkt (SZ 60/88 unter Ablehnung der gegenteiligen Entscheidungen SZ 19/43 und SZ 26/1). Das vorliegende Feststellungsbegehren, der vollstreckbare Notariatsakt sei insoweit unwirksam, als der dort angeführte Kaufpreis S 7,4 Mio übersteigt und der verringerte Kaufpreis beglichen sei, geht über das mit der Oppositionsklage erhobene Begehren, daß die in Exekutionsverfahren aufgrund des Notariatsakts betriebene vollstreckbare Forderung von restlich S 792.788,07 getilgt sei, hinaus. Soweit aber eine Deckung gegeben ist, schafft die frühere Oppositionsklage das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit gegenüber der vorliegenden reinen Feststellungsklage.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.