OGH vom 28.09.1995, 6Ob580/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Cecilija H*****, vertreten durch DDr.Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Robert H*****, vertreten durch Dr.Erich Greger ua Rechtsanwälte in Oberndorf, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom , AZ 54 R 20/95 (ON 16), womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Oberndorf bei Salzburg vom , GZ 2 C 944/94-8, nicht stattgegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Witwe nach ihrem am verstorbenen Ehegatten. Dieser hatte mit Übergabsvertrag vom seinen Hälfteanteil an einer Liegenschaft an seinen Sohn, den Beklagten, übertragen und für sich das lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrecht an der im Parterre des Hauses gelegenen Wohnung vorbehalten. Dem Übergabsvertrag war der zweite Hälfteeigentümer der Liegenschaft beigetreten. Dem Gatten der Klägerin war somit ein Wohnungsrecht eingeräumt worden.
Ein Verlassenschaftsverfahren nach dem verstorbenen Gatten der Klägerin fand mangels Vermögens nicht statt.
Die Klägerin begehrte gegenüber dem Beklagten die Feststellung, daß ihr das Wohnrecht an der vormals ehelichen Wohnung im Erdgeschoß des Hauses auf Lebzeiten zukomme. Das Wohnrecht stehe ihr als gesetzliches Vorausvermächtnis zu. Ihr Anspruch sei in den §§ 97, 758 und 951 ABGB begründet. Sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil sie vom Beklagten aufgefordert worden sei, die Wohnung zu räumen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Ein Anspruch nach § 758 ABGB könne sich nur gegen Erben richten. Ein dingliches Wohnrecht des verstorbenen Gatten der Klägerin sei als fremde Sache im Sinne des § 662 ABGB anzusehen. Die Klägerin habe vor dem Ableben ihres Gatten erklärt, nach dessen Tod unter Aufgabe der Wohnung wieder zurück nach Zagreb zu ziehen. Sie habe auf die Wohnung verzichtet.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf zu dem schon wiedergegebenen Sachverhalt noch die weiteren Feststellungen, daß die Klägerin bereits zu Lebzeiten ihres Gatten mit diesem zusammen die Sommermonate in Zagreb verbracht habe. Seit dem Tod ihres Gatten komme die Klägerin nur noch im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung oder zur Behebung der Pension nach B*****. Eine konkrete Verzichtserklärung hinsichtlich des Wohnrechtes könne nicht festgestellt werden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß ein Anspruch nach § 97 ABGB nur gegen den Ehegatten gerichtet werden könne und mit dessen Tod erlösche. Seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989 stehe dem überlebenden Ehegatten ein gesetzliches Vorausvermächtnis gegenüber dem Erben oder dem Vermächtnisnehmer zu. Der Beklagte sei mangels Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens nicht Erbe geworden. Er sei kein Vermächtnisschuldner. Eine Umgehung der Bestimmung über das gesetzliche Vorausvermächtnis könne hier nicht unterstellt werden, weil der Übergabsvertrag schon aus dem Jahre 1978 stamme, damals aber ein gesetzliches Recht des überlebenden Ehegatten zum Weiterwohnen in der Ehewohnung noch nicht bestanden habe. Die Klage könne auch nicht auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 951 ABGB gestützt werden, weil dieser Anspruch ein Geldanspruch sei. Ein solcher Anspruch sei hier auch nicht gegeben, weil die Klägerin kein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht statt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und beurteilte diese rechtlich dahin, daß ein Anspruch nach § 97 ABGB mit dem Tod des Ehegatten erlösche.
Der Anspruch auf ein gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 958 ABGB könne sich nur gegen einen Erben oder einen Vermächtnisnehmer, nicht aber gegen einen (außerhalb der Erbrechtsfolge stehenden) Dritten richten. Ausgenommen sei lediglich der Fall der Schenkung auf den Todesfall, weil diese wie ein Vermächtnis zu behandeln sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur relevanten Rechtsfrage, ob das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB auch gegenüber einem mit Übergabsvertrag unter Lebenden Beschenkten zustehe, liege eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vor.
Die Klägerin beantragt mit ihrer Revision die Abänderung des Berufungsurteils dahin, daß dem Feststellungsbegehren stattgegeben werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes unzulässig.
Die Klägerin verweist auf die Gesetzesmaterialien zum gesetzlichen Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten nach § 758 ABGB idF ErbRÄG (BGBl 1989/656), wonach die Erweiterung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses um das Recht, in der Ehewohnung weiter wohnen zu dürfen, dem überlebenden Ehegatten die Beibehaltung seiner bisherigen Lebensverhältnisse sichern solle (JAB 1158 BlgNR XVII.GP 3 f). Dieser Gesetzeszweck trifft sicher zu, ändert aber nichts an dem Umstand, daß das gesetzliche Vorausvermächtnis Pflichtteilscharakter hat und den Regeln des Vermächtnisrechtes unterliegt (JAB aaO; Kralik, Erbrecht 246; Eccher, Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, WoBl 1991, 4). Gegenstand des Vermächtnisses kann nur ein vererbliches Recht sein. Persönliche Dienstbarkeiten - wie hier das Wohnrecht - erlöschen gemäß § 529 ABGB im Zweifel mit dem Tod des Berechtigten (NZ 1981, 25). Das Wohnrecht des Gatten der Klägerin fiel nicht in dessen Nachlaß. Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB gewährt aber nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder den durch das Vermächtnis beschwerten Legatar.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einem vergleichbaren Fall die Gesetzesauslegung in der dargelegten Weise vorgenommen (9 Ob 508/94, veröffentlicht in JBl 1995, 371) und sich auch mit der Frage beschäftigt, ob wegen der Absicht des Gesetzgebers, das existentielle Wohnbedürfnis des überlebenden Ehegatten schützen zu wollen, eine ausdehnende (per analogiam) Gesetzesauslegung in Frage komme. Dies wurde verneint, weil der Gesetzgeber bewußt die Regeln des Vermächtnisrechts auch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis angewendet wissen habe wollen. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die Revisionswerberin kann für ihren Standpunkt auch nicht den Umstand ins Treffen führen, daß nach der Rechtsprechung das gesetzliche Vorausvermächtnis auch gegenüber dem Geschenknehmer einer Schenkung auf den Todesfall durchgesetzt werden könne (NZ 1994, 83) und daß dies analog auch für eine Schenkung unter Lebenden gelten müsse. Dabei wird die Rechtsnatur der Schenkung auf den Todesfall übersehen. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als Vermächtnis gültig (§ 956 1.Satz ABGB). Die Schenkung auf den Todesfall als ein den schenkenden Erblasser bindender Vertrag ist formbedürftig und nur wirksam, wenn der Geschenkgeber auf den Widerruf verzichtet (§ 956 zweiter Satz ABGB). Nach einem Teil der Lehre ist die mit Notariatsakt vorgenommene Schenkung auf den Todesfall bei Lebzeiten des Erblassers als ein Vertrag, nach dem Tod aber als Vermächtnis zu behandeln (Koziol-Welser II9 369; Ehrenzweig II/2, 565). Dieser Ansicht hat sich der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung (NZ 1994, 83) angeschlossen und wegen des Vermächtnischarakters der Schenkung auf den Todesfall die Frage bejaht, daß das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB auch gegenüber dem Geschenknehmer zustehe. Schenkungen unter Lebenden oder Übergabsverträge (als gemischte Schenkungen) sind mangels Vermächtnischarakters nicht als Vermächtnisse zu behandeln. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend und im Einklang mit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung das Feststellungsbegehren der Klägerin abgewiesen.
Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf das Vorliegen entsprechender Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den relevanten Rechtsfragen nicht hinwies, waren ihm keine Kosten des Revisionsverfahrens zuzusprechen.