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OGH vom 18.03.2015, 3Ob27/15i

OGH vom 18.03.2015, 3Ob27/15i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mittlerweile volljährigen A*****, der minderjährigen E***** und des minderjährigen O*****, über den „Revisionsrekurs“ des Vaters DI J*****, vertreten durch Dr. Wolf Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 368/14x 79, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 10 PU 68/12h 73, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er den Unterhalt für A***** betrifft, mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Soweit der Revisionsrekurs den Unterhalt für E***** und O***** betrifft, wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, für seine mittlerweile volljährige älteste Tochter monatlich 1.030 EUR abzüglich geleisteter Naturalunterhaltsleistungen, sohin restlich 920,84 EUR, zu leisten, und für die minderjährigen E***** und O***** je monatlich 877,50 EUR, abzüglich geleisteter Naturalunterhaltsleistungen restlich jeweils 768,34 EUR.

In seinem Rekurs beantragte der Vater, den Unterhaltsbeitrag für A***** und E***** mit je monatlich 439 EUR und für O***** mit 372 EUR festzusetzen, die von ihm geleisteten Naturalleistungen mit 1.300 EUR pro Kind zu bewerten und folglich das Geldunterhaltsbegehren zur Gänze abzuweisen.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Unterhaltsbemessung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. Der erstgerichtliche Beschluss sei ausreichend und nachvollziehbar begründet. Die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Unterhaltsbemessungsgrundlage entspreche der tatsächlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des Vaters und berücksichtige zutreffend, dass er (auch nach seinem eigenen Vorbringen) sein Vermögen zur Bestreitung seiner privaten Lebensführung verwende. Die Naturalunterhaltsleistung unter Berücksichtigung eines fiktiven Mietwerts habe der Vater erstmals im Rekurs und somit als unzulässige Neuerung geltend gemacht. Weitere Ausgaben habe er teilweise bloß behauptet, aber nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt und nachgewiesen. Die Privatschulaufwendungen seien aufgrund der besonderen familiären Verhältnisse und der deshalb von den Eltern getroffenen Vereinbarungen nicht auf den laufenden Unterhaltsbedarf anzurechnen.

Mit dem vom Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Revisionsrekurs strebt der Vater die Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts sowie im Ergebnis die Abweisung des Geldunterhaltsbegehrens seiner Kinder an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, soweit er die Unterhaltsbemessung für die Tochter A***** betrifft, mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig; soweit er die Unterhaltsbemessung für E***** und O***** betrifft, entspricht die unmittelbare Vorlage an den Obersten Gerichtshof nicht dem Gesetz.

Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungs-gegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt (s dazu nur RIS Justiz RS0125732) und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen binnen 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung). Die Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.

Bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt ist grundsätzlich das Dreifache der Jahresleistung als Wert des strittigen Rechts anzunehmen (§ 58 Abs 1 JN; RIS Justiz RS0042366). Für die Bewertung des Entscheidungs-gegenstands des Rekursgerichts ist nur der Betrag maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz noch strittig war (RIS Justiz RS0122735). Da der Vater im Rekursverfahren die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf den von ihm tatsächlich geleisteten Naturalunterhalt, also damit den gänzlichen Entfall seiner laufenden Geldunterhaltsverpflichtung begehrte, betrug der Wert des Entscheidungsgegenstands für A***** 33.150,24 EUR (920,84 EUR x 36); für E***** und O***** jeweils 27.660,24 EUR (768,34 EUR x 36; vgl 9 Ob 8/13m).

Der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts ist für jedes Kind einzeln zu beurteilen (RIS Justiz RS0112656). Da dieser nur bei der Unterhaltsbemessung für A***** 30.000 EUR übersteigt, entspricht die direkte Rechtsmittelvorlage nur insoweit den Verfahrensgesetzen. Für E***** und O***** übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz 30.000 EUR jeweils nicht. Das Rechtsmittel wäre daher insoweit vom Erstgericht dem Rekursgericht vorzulegen gewesen (§ 69 Abs 3 AußStrG; vgl 9 Ob 8/13m mwN). Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben.

Was die Unterhaltsbemessung für Anna anlangt, vermag der Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

Zwar macht der Revisionsrekurswerber einen qualifizierten Verfahrensmangel nach § 57 Z 1 AußStrG geltend, wenn er vergleichbar § 477 Abs 1 Z 9 ZPO eine angeblich völlig mangelhafte Begründung der zweitinstanzlichen Entscheidung behauptet; dem Vorwurf fehlt aber offenbar die Grundlage: Ein solcher Mangel läge nämlich nur vor, wenn die mangelhafte Begründung die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hinderte (RIS Justiz RS0121710), also wenn sie etwa gar nicht oder so unzureichend begründet wäre, dass sie sich nicht überprüfen ließe (RIS Justiz RS0007484), wovon hier jedoch keine Rede sein kann. Eine unvollständige, mangelhafte oder sogar fehlerhafte Beweiswürdigung verwirklicht diesen Verfahrensmangel hingegen nicht (RIS Justiz RS0106079).

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage in welchem Umfang die Anrechnung der vom Unterhaltspflichtigen zur Verfügung gestellten Wohnung oder des geleisteten Schulgeldes auf den Geldunterhalt angemessen ist wie auch die Unterhaltsbemessungs-grundlage bei Heranziehung des Vermögensstamms des Unterhaltspflichtigen stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (9 Ob 48/13v; 2 Ob 39/08m mwN; 9 Ob 40/02a; 4 Ob 557/94 mwN). Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist hier nicht zu erkennen.

Neuerungen sind nur soweit beachtlich, als ein entsprechendes Tatsachenvorbringen im Verfahren erster Instanz nicht möglich war (RIS Justiz RS0110773). Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Revisionsrekurswerber lediglich die Anrechnung von Wohnungsbetriebskosten geltend gemacht, einen fiktiven Mietwert hingegen nicht erwähnt. Überdies steht die von ihm angestrebte Reduktion des Geldunterhalts (im Hinblick auf die von ihm zur Verfügung gestellte und finanzierte Wohnmöglichkeit) auf Null mit dem Grundsatz der Rechtsprechung in Widerspruch, dass die Anrechnung eines fiktiven Mietwerts der Wohnung nur im angemessenen Ausmaß zu erfolgen hat. Da der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten, also alle seine Bedürfnisse, den Lebensverhältnissen entsprechend ausgewogen abdecken muss, darf eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich nicht zur gleichzeitigen Kürzung in einem anderen Teilbereich der Bedürfnisse führen (RIS Justiz RS0047379). Gleiches gilt auch für das vom Revisionsrekurswerber getragene Schulgeld (vgl 1 Ob 415/97d).

Ob ein Unterhaltsberechtigter an den gehobenen Lebensverhältnissen eines Unterhaltspflichtigen angemessen teilnimmt, ist unter Bedachtnahme auf die Höhe des den Berechtigten insgesamt zukommenden Unterhaltsbeitrags zu beurteilen (RIS Justiz RS0124263). Stellt aus im jeweiligen Einzelfall zu prüfenden Gründen die öffentliche Schule keine gleichwertige Alternative dar und sprechen gerechtfertigte Gründe für den Besuch der vom Unterhaltsberechtigten ausgewählten Privatschule, kann Schulgeld für diese Privatschule als Sonderbedarf anerkannt werden (vgl RIS Justiz RS0109906). Auch der Zustimmung des Vaters zum Besuch der Privatschule kommt in diesem Zusammenhang Bedeutung zu (vgl 9 Ob 40/02a).

Im Übrigen vermag der Revisionsrekurswerber, was seine Kritik an der von den Vorinstanzen ermittelten Unterhaltsbemessungsgrundlage anlangt, seine Einwendungen nicht zu konkretisieren (er nennt keine konkreten Zahlen und stellt kein von den Vorinstanzen abweichendes, aus dem Akteninhalt abzuleitendes alternatives Berechnungsmodell dar) und kann daher schon deshalb keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzeigen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00027.15I.0318.000