OGH vom 14.03.2012, 3Ob27/12k

OGH vom 14.03.2012, 3Ob27/12k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj K***** J*****, vertreten durch die Mutter G***** J*****, diese vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters N***** J*****, dieser vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 457/11h 87, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 8 PS 184/09w 71, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen teilten die Obsorge für den Minderjährigen allein der Mutter zu, nachdem diese die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge der Eltern beantragt hatte. Der bloße Wegfall des Einvernehmens auf Seiten nur eines Elternteils führe bei entsprechender Antragstellung zwingend zur Aufhebung der gemeinsamen Obsorge. Die Zuweisung der alleinigen Obsorge an die Mutter entspreche dem Kindeswohl.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem er die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge, hilfsweise die Zuteilung der alleinigen Obsorge an ihn anstrebt, vermag der Vater keine erheblichen Rechtsfragen nach § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Sind beide Eltern nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohls einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen (§ 177a Abs 2 ABGB). Eine Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern (auch nur in einem Teilbereich) ist gegen den Willen eines Elternteils ausgeschlossen. Ein auf die Aufhebung dieser Obsorge gerichteter Antrag eines Elternteils bedarf daher keiner Begründung; es genügt der durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachte Wegfall des Willens eines Elternteils zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge. Die Entscheidung, welcher Elternteil mit der alleinigen Obsorge zu betrauen ist, hängt allein vom Kindeswohl ab. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (2 Ob 266/05i uva; zuletzt 5 Ob 84/11f; RIS Justiz RS0120492). Die Voraussetzungen des § 176 ABGB für die Entziehung der Obsorge eines Elternteils (vgl RIS Justiz RS0047903) müssen für eine mit einem Antrag nach § 177a Abs 2 ABGB zwangsläufig verbundene Entziehung der Obsorge eines Elternteils daher jedenfalls nicht vorliegen (5 Ob 202/10g; 5 Ob 84/11f = RIS Justiz RS0120492 [T7]). Es ist daher entgegen den Revisionsrekurs-ausführungen ohne Relevanz, ob die Voraussetzungen für die Entziehung der Obsorge des Vaters (hätte dieser die alleinige Obsorge) vorliegen, noch ist ein Vergleich des Kindeswohls bei gemeinsamer Obsorge und bei Obsorge nur durch einen Elternteil anzustellen. Die Zuteilung der alleinigen Obsorge an einen Elternteil ist hier vielmehr zwingend. Die Entscheidung hat danach zu erfolgen, wessen alleinige Obsorge eher dem Kindeswohl entspricht.

Die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführten Entscheidungen des EGMR vom ( Zaunegger gegen Deutschland, ÖJZ 2010/2) und vom ( Sporer gegen Österreich, NL 2011, 35) betreffen einen anderen Sachverhalt, zumal es dort um die Obsorge für außerehelich geborene Kinder und das Fehlen der gesetzlichen Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge der Eltern ging. Im vorliegenden Fall bestand eine Regelung über die gemeinsame Obsorge, diese scheiterte aber.

Im Hinblick auf die in Deutschland geänderte Rechtslage sind Entscheidungen deutscher Gerichte und deren Begründungsüberlegungen auf Österreich nicht übertragbar.

Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS Justiz RS0048632). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS Justiz RS0007101, RS0115719). Eine diesbezüglich vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt in diesem Fall nicht vor, zumal der hier festgestellte Sachverhalt eine günstigere Zukunftsprognose für die Übertragung der alleinigen Obsorge an die Mutter ergibt als die vom Vater hilfsweise angestrebte Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn.