OGH vom 12.01.2012, 5Nc18/11h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Hurch sowie den Hofrat Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Georg S*****, vertreten durch Greiml Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 45.294 EUR sA, AZ 27 Cg 156/11v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, gemäß § 31 JN anstelle des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen .
Text
Begründung:
Die klagende GmbH mit Sitz in Wien begehrt von dem in Graz ansässigen Beklagten die Zahlung von 45.294 EUR sA für Bauleistungen, welche die Klägerin an einem im Eigentum des Beklagten stehenden, in 1150 Wien gelegenen Haus erbracht habe.
Gegen die ursprünglich beim Handelsgericht Wien eingebrachte, dann gemäß § 230a ZPO an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien überwiesene Klage wandte der Beklagte die örtliche Unzuständigkeit dieses Gerichts ein. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sprach seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Die Klägerin beantragte in der Folge, gemäß § 31 JN anstelle des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen. Die Delegierung trage zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens bei, weil sich das Bauwerk, an dem die Klägerin ihre Arbeiten erbracht habe, im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien befinde, dort auch der Wohnort sämtlicher Zeugen sei, einem Bausachverständigen die Anreise nach Graz erspart bleibe und schließlich auch die Klägerin ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien habe.
Der Beklagte beantragte, dem Delegierungsantrag der Klägerin keine Folge zu geben. Es seien auch in Graz wohnhafte Zeugen namhaft gemacht worden. Das Prozessgericht könne einen in Wien ansässigen Sachverständigen bestellen. Die Klägerin sei an einer Verkürzung des Verfahrensaufwands selbst nicht interessiert, habe sie doch 14 Klagen aus demselben Bauvorhaben durchwegs bei unzuständigen Gerichten eingebracht.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz befürwortete die Delegierung. Durch die Durchführung des gesamten Beweisverfahrens in Wien sei im Hinblick auf die Wohnsitze der von der Klägerin namhaft gemachten Zeugen und aufgrund der Lage des Bauwerks in Wien mit einem rascheren und kostengünstigeren Verfahren zu rechnen.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt:
1. Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann (vgl RIS-Justiz RS0046333 [T1]; RS0053169). Die Delegierung ist Ausnahmefall und darf nicht durch großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046589 [T1 und T 2]).
2. Es mag zwar zutreffen, dass etwa der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage eines Augenscheingegenstands Zweckmäßigkeitsgründe für die Beurteilung eines Delegierungsantrags darstellen können (vgl RIS-Justiz RS0046333 [insb T 8]). Im vorliegenden Fall soll allerdings nach den Klagsangaben ein Werklohn in der Höhe von 400 EUR/m² zwischen den Parteien vereinbart worden sein und es ist bislang noch nicht einmal geklärt, welche konkrete Rechnung der Klägerin dem Klagebegehren zugrunde liegen soll. Ob es zur Beurteilung dieser Frage und folgend zur Entscheidung der vorliegenden Rechtssache überhaupt der Bestellung eines Sachverständigen und der Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen bedarf, ist daher derzeit gar nicht absehbar. Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligter für die von der Klägerin beantragte Delegierung sprechen, sind daher nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht eindeutig zu erkennen (RIS-Justiz RS0046324; zu weiteren, dieselben Parteien betreffenden Verfahren vgl auch 6 Nc 21/11g; 4 Nc 23/11m).
Fundstelle(n):
IAAAD-56611