OGH vom 07.05.2013, 2Ob27/13d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** M*****, als Insolvenzverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des P***** H*****, gegen die beklagte Partei J***** F*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einwilligung in eine Grundbuchshandlung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 168/12f 40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 15 C 496/10b 30, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
P***** H***** ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs *****. Die 5.433 m² große Liegenschaft besteht aus dem mit einem Bauernhaus bebauten und landwirtschaftlich genutzten Grundstück .53, den Grundstücken 814/5, 814/8 und 815 je Sonstige (Straßenanlage) sowie dem Waldgrundstück 821. Im Grundbuch ist unter C-LNr 72a zugunsten des Beklagten das Vorkaufsrecht einverleibt.
Mit Kaufvertrag vom 30. 10./ veräußerte P***** H***** (in der Folge: Vorkaufsverpflichteter) die Grundstücke .53 und 821 samt Bauernhaus, Nebengebäude und dem mit der Liegenschaft verbundenen agrarischen Werkholzbezugsrecht zu einem Barkaufpreis von 150.000 EUR an Ing. F***** W***** (in der Folge: Drittkäufer). Die restlichen Grundstücke sollten unter Wahrung des Eigentumsrechts des Vorkaufsverpflichteten vom Gutsbestand der Liegenschaft abgeschrieben und es sollte eine neue Grundbuchseinlage hierfür eröffnet werden. Der von einem Notar verfasste Vertragstext lautete auszugsweise wie folgt:
„ III. KAUFPREIS
(1) […]
(2) FÄLLIGKEIT:
Der Käufer verpflichtet sich ausdrücklich, den vorgenannten Barkaufpreis längstens binnen 14 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Kaufvertrages auf ein vom Urkundenverfasser über ausdrücklichen Auftrag der Vertragsparteien neu zu eröffnendes Treuhandkonto […] kosten- und spesenfrei zu überweisen.
Der Verkäufer hält ausdrücklich fest, dass zur erforderlichen Lastenfreistellung der Liegenschaft des Verkäufers unter anderem zur entsprechenden rangmäßigen Sicherstellung des nachstehend vereinbarten Wohnungsgebrauchsrechts für den Verkäufer die Überweisung des vereinbarten Barkaufpreises zwingend auf das durch den Urkundenverfasser neu zu eröffnende Treuhandkonto […] erforderlich ist […].
Für den Fall, dass der aus diesem Rechtsgeschäft offene Barkaufpreis nicht längstens binnen 14 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Kaufvertrages auf dem betreffenden Treuhandkonto einlangen sollte, gilt dieser Kaufvertrag ausdrücklich hinsichtlich seiner Rechtskraft als aufgelöst und ist der Verkäufer ausdrücklich nicht mehr an dieses Rechtsgeschäft gebunden.
[…]
VIII. AUFSCHIEBENDE BEDINGUNG
Ausdrücklich festgehalten wird, dass die Rechtskraft dieses Vertrages bis zum Vorliegen
a) der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung […] und weiters
b) des Vorliegens einer grundbuchsfähig gefertigten Zustimmungs- und Löschungserklärung hinsichtlich des zu C-LNr 72a haftenden Vorkaufsrechtes seitens des Buchberechtigten […] oder der faktischen und im erforderlichen Umfang nachgewiesenen Nichtausübung dieses Vorkaufsrechtes durch den Berechtigten binnen offener Frist,
aufschiebend bedingt ist.
[...] “
Mit Schreiben vom bot der zum Treuhänder bestellte Notar aufgrund des Vorkaufsrechts dem Beklagten den Eintritt in den Kaufvertrag an. Der Beklagte reagierte auf diese Anbietung nicht. Mit Bescheid vom , der am selben Tag in Rechtskraft erwuchs, wurde der Kaufvertrag grundverkehrsbehördlich genehmigt. Mit weiterem Schreiben vom forderte der Notar den Beklagten auf, die ihm übersendete Zustimmungs- und Löschungserklärung binnen sieben Tagen beglaubigt an ihn zu retournieren. Der Beklagte kam auch dieser Aufforderung nicht nach.
In einem daraufhin geführten Vorprozess wurde das (vereinfacht) auf die Einwilligung in die Löschung des Vorkaufsrechts gerichtete Klagebegehren des Vorkaufsverpflichteten rechtskräftig abgewiesen. Die Begründung lautete im Wesentlichen, dass der Vorkaufsfall erst mit Eintritt der Suspensivbedingung (grundverkehrsbehördliche Genehmigung) eingetreten sei und das davor gemachte Einlösungsanbot die Einlösungsfrist nicht in Gang gesetzt habe. Das Aufforderungsschreiben vom sei nicht als zweites Einlösungsanbot aufzufassen. Da dem Beklagten erst während des Verfahrens, jedoch weniger als 30 Tage vor Schluss der Verhandlung () die relevanten Daten des Bescheids der Grundverkehrsbehörde zur Kenntnis gebracht worden seien, bestehe das Klagebegehren nicht zu Recht. Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof in seinem die Revision des Vorkaufsverpflichteten zurückweisenden Beschluss vom als vertretbar gebilligt (7 Ob 198/10h).
In dem erwähnten Vorprozess hatte der Vorkaufsverpflichtete mit Schriftsatz vom eine mit der „Grundverkehrsstampiglie“ versehene Ausfertigung des Kaufvertrags vorgelegt. Der Beklagte machte von der Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts auch danach keinen Gebrauch. Mit Schreiben vom forderte der damalige Klagevertreter den Beklagten abermals vergeblich zur Übermittlung der Zustimmungs-, Freilassungs- und Löschungserklärung auf.
Der Drittkäufer hatte bereits am einen Teilbetrag von 15.000 EUR auf das Treuhandkonto eingezahlt, wovon der Treuhänder diverse Verbindlichkeiten des Vorkaufsverpflichteten beglich. Den restlichen Kaufpreis leistete der Drittkäufer nicht auf das Treuhandkonto, sondern jeweils über Aufforderung des damaligen Klagevertreters in mehreren Teilbeträgen direkt an diesen, nämlich 45.000 EUR am , 93.500 EUR am , 18.500 EUR am , 8.000 EUR am , 9.000 EUR am und 14.000 EUR am . Die Summe der Zahlungen betrug 203.000 EUR (im Jahr 2011 hatte der Drittkäufer vom Vorkaufsverpflichteten ein weiteres Grundstück gekauft). Mit den eingehenden Zahlungen beglich der Klagevertreter Schulden des Vorkaufsverpflichteten, um eine drohende Zwangsversteigerung der Liegenschaft zu verhindern. Über die vom Vertrag abweichende Vorgangsweise bezüglich der Zahlung des Kaufpreises bestand zwischen dem Vorkaufsverpflichteten, dem Drittkäufer, dem Klagevertreter und dem Treuhänder Einvernehmen.
Zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Beklagten waren weitere Prozesse anhängig. Aufgrund zweier Urteile schuldete der Vorkaufsverpflichtete dem Beklagten 96.000 EUR und 128.300 EUR jeweils sA. Wegen der ersteren Schuld hatte der Beklagte Exekution zur Sicherstellung geführt, die nach Zahlung am eingestellt wurde. Ob der Drittkäufer von diesen Verfahren Kenntnis hatte, steht nicht fest.
Mit der am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Vorkaufsverpflichtete den Beklagten schuldig zu erkennen, ob der nach Abschreibung der Grundstücke 814/5, 814/8 und 815 je Sonstige (Straßenanlage) aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs ***** verbleibenden Restliegenschaft in die Einverleibung der Löschung des zu seinen Gunsten einverleibten Vorkaufsrechts und die Löschung der bezughabenden Anmerkung im B-Blatt einzuwilligen. Der Vorkaufsverpflichtete brachte vor, der Nachweis des Kaufvertragsabschlusses und der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung sei mit der Urkundenvorlage am erfolgt. Damit sei die 30 tägige Einlösungsfrist ausgelöst worden. Der Beklagte habe weder von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht, noch die ihm zugesendete Löschungserklärung unterfertigt.
Der Beklagte wandte soweit noch wesentlich ein, der Kaufvertrag sei gemäß dessen Punkt III. aufgelöst. Schon aus dem rechtskräftigen Urteil des Vorprozesses ergebe sich, dass die Einlösungsfrist mit der Urkundenvorlage vom ausgelöst worden sei. Da der Beklagte innerhalb der 30-tägigen Einlösungsfrist nicht eingelöst habe, stehe die faktische Nichtausübung des Vorkaufsrechts fest. Obwohl damit spätestens Mitte Mai 2010 beide aufschiebenden Bedingungen erfüllt gewesen seien und der Kaufpreis zur Zahlung fällig gewesen wäre, habe der Drittkäufer lediglich 15.000 EUR auf das Treuhandkonto bezahlt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
In rechtlicher Hinsicht meinte es, der Kaufvertrag sei gültig, die aufschiebenden Bedingungen (grundverkehrsbehördliche Genehmigung; faktische Nichtausübung des Vorkaufsrechts) seien eingetreten. Der entsprechende Nachweis sei durch die Vorlage des rechtskräftigen Urteils im Vorprozess, die Urkundenvorlage vom und dem Verstreichen der Einlösungsfrist erbracht. Der Kaufvertrag sei demnach Mitte Mai 2010 „in Rechtskraft erwachsen“, der Kaufpreis sei Ende Mai fällig gewesen. Der Drittkäufer habe den Kaufpreis in Teilbeträgen bezahlt und mit der Teilzahlung von 93.500 EUR am zur Gänze beglichen. Auch die an den Klagevertreter (statt auf das Treuhandkonto) geleisteten Zahlungen hätten schuldbefreiende Wirkung gehabt, da alle Beteiligten mit dieser Vorgangsweise zumindest stillschweigend einverstanden gewesen seien. Diese nachträgliche Vertragsänderung sei „unschädlich“. Der Beklagte habe weder den Kaufpreis geleistet noch ein reales Zahlungsanbot gemacht und daher sein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt. Da er auch die Zustimmungs-, Freilassungs- und Löschungserklärung nicht unterfertigt habe, bestehe das Klagebegehren zu Recht.
Der Beklagte erhob gegen dieses Urteil Berufung. Nach Vorlage der Akten an das Berufungsgericht wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom über das Vermögen des Vorkaufsverpflichteten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dem Schuldner wurde die Eigenverwaltung entzogen und Rechtsanwalt Mag. B***** M***** wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Beschluss vom sprach das Berufungsgericht aus, dass das Rechtsmittelverfahren unterbrochen sei. Der Insolvenzverwalter erklärte innerhalb der ihm vom Berufungsgericht gesetzten Frist, in den Rechtsstreit einzutreten. Gleichzeitig hielt er fest, dass mit dem Eintritt in das Verfahren keine Genehmigung oder Anerkennung des Kaufvertrags vom 30. 10./ verbunden sei. Er erkläre vielmehr „ausdrücklich“, in den Vertrag nicht einzutreten bzw ihn nicht zu genehmigen.
Das Berufungsgericht änderte die Bezeichnung der klagenden Partei wie aus dem Spruch ersichtlich, nahm das Rechtsmittelverfahren wieder auf und bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht führte aus, der Vorkaufsberechtigte habe den Kaufpreis genauso zu erlegen, wie sich der Drittkäufer hierzu verpflichtet habe. Der Einfluss der dem Drittkäufer gewährten Zahlungsfrist auf die vom Berechtigten vorzunehmende „wirkliche Einlösung“ sei umstritten. Gemäß § 1077 ABGB würden die mit dem Drittkäufer vereinbarten Nebenbedingungen, somit auch die Kreditierung des Kaufpreises, grundsätzlich auch im Verhältnis zum Berechtigten gelten. Als sachgerechte, den Interessen der Beteiligten und dem Gesetzeszweck am Besten entsprechende Lösung biete sich beim Kreditkauf die Einlösung durch Sicherstellung an. Im vorliegenden Fall sei mit dem Drittkäufer die Zahlung des Barkaufpreises binnen 14 Tagen ab „Eintritt der Rechtskraft“ des Kaufvertrags vereinbart worden. Die „Rechtskraft“ des Vertrags sei aufschiebend bedingt gewesen. Eine der Bedingungen habe darin bestanden, dass eine grundbuchsfähig gefertigte Zustimmungs- oder Löschungserklärung vorliege oder die faktische Nichtausübung des Vorkaufsrechts nachgewiesen sei. Wie der gegenständliche Rechtsstreit zeige, sei die Frage der Nichtausübung des Vorkaufsrechts nach wie vor strittig. In diesem Lichte sei aber die „Rechtskraft“ des Kaufvertrags noch immer in Schwebe, weshalb die vertraglich vereinbarte Zahlungsfrist noch nicht in Gang gesetzt sei. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die demnach vorzeitige Zahlung des Kaufpreises ein neuerliches Einlösungsangebot erfordert hätte, weil ein neuer Kaufvertrag mit geänderten Zahlungsbedingungen zustande gekommen wäre.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil ein vergleichbarer Fall mit geänderter Abwicklung der vertraglich vereinbarten Zahlung des Kaufpreises durch den Drittkäufer bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts vom Höchstgericht noch nicht behandelt worden sei.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt einerseits den Standpunkt, der Vorkaufsverpflichtete wäre verpflichtet gewesen, ihm den in seinen Zahlungsbedingungen nachträglich abgeänderten Kaufvertrag noch einmal zur Einlösung anzubieten. Anderseits ist er der Meinung, dass der Kaufvertrag nach dessen Punkt III. längst aufgelöst sei. Er habe das Vorkaufsrecht binnen offener Frist nicht ausgeübt, weshalb auch die zweite Bedingung für die Fälligkeit des Kaufpreises eingetreten sei. Hilfsweise macht der Beklagte geltend, dass seine aktive Beteiligung an der Löschung des Vorkaufsrechts nicht durch Klage erzwungen werden könne. Dem Insolvenzverwalter sei infolge seiner Erklärung, in den Kaufvertrag nicht einzutreten und diesen nicht zu genehmigen, das Rechtsschutzinteresse abzusprechen.
Hierzu wurde erwogen:
1. Der Beklagte stellt in dritter Instanz nicht mehr in Frage, dass mit der Rechtskraft der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Kaufvertrags vom 30. 10./ der Vorkaufsfall (zunächst) eingetreten ist (2 Ob 40/09k; RIS-Justiz RS0017494, RS0020327). Die weitere „aufschiebende Bedingung“, dass der Vertrag nur bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts „rechtskräftig“ werden soll (Punkt VIII. lit b des Kaufvertrags), betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags und ist für den Eintritt des Vorkaufsfalls bedeutungslos (5 Ob 215/05m; F. Bydlinski in Klang ² IV/2, 771; vgl auch Aicher in Rummel , ABGB³ § 1072 Rz 14). Auf den in erster Instanz erhobenen Einwand eines Scheingeschäfts kommt der Beklagte in der Revision nicht mehr zurück. Auch andere Gründe, die den Kaufvertrag als von vornherein nichtig erscheinen ließen (vgl 8 Ob 15/01s mwN; RIS-Justiz RS0016198, RS0020169), werden im Rechtsmittel nicht geltend gemacht.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beginnt die hier 30-tägige Einlösungsfrist des § 1075 ABGB in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Vorkaufsverpflichtete dem Vorkaufsberechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welche dieser kennen muss, wenn er sich über die Ausübung des Vorkaufsrechts schlüssig werden soll, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten (2 Ob 40/09k mwN; 7 Ob 198/10h; 7 Ob 247/10i; RIS-Justiz RS0020180). Das Einlösungsangebot muss dem Berechtigten somit alle Informationen bieten, die er benötigt, um von seinem Einlösungsrecht Gebrauch machen zu können. Eine unzureichende Anbietung löst die Einlösungspflicht nicht aus (2 Ob 40/09k mwN; RIS-Justiz RS0020353, RS0024918; vgl Apathy in KBB³ § 1072 Rz 4).
Zwischen den Parteien ist in diesem Rechtsstreit nicht strittig, dass unter den konkreten Umständen des hier zu beurteilenden Falls das Erfordernis der gehörigen Anbietung mit der Vorlage einer mit der „Grundverkehrsstampiglie“ versehenen Ausfertigung des Kaufvertrags im Vorprozess am erfüllt worden ist (vgl auch 7 Ob 198/10h). Gründe, aus denen dem Beklagten die Einlösung unter den im Kaufvertrag vereinbarten Nebenbedingungen (§ 1077 ABGB) unmöglich oder unzumutbar gewesen wären (vgl RIS-Justiz RS0020188), werden in der Revision nicht dargetan. Das bedeutet, dass die Einlösungsfrist mit dem auf die Anbietung folgenden Tag ( F. Bydlinski aaO 849), also am in Gang gesetzt worden ist. Sie endete am .
3. „Wirkliche Einlösung“ im Sinne des § 1075 ABGB bedeutet nicht nur, dass der Vorkaufsberechtigte eine fristgerechte Erklärung, sein Vorkaufsrecht auszuüben, abgeben muss. Es bedarf vielmehr innerhalb der Einlösungsfrist auch der Leistung des Kaufpreises, wie ihn der Drittkäufer zu leisten hätte, oder zumindest eines möglichst realen Zahlungsangebots (2 Ob 40/09k mwN; vgl RIS-Justiz RS0021984; Apathy aaO § 1075 Rz 1).
Der Beklagte hat, wie er in der Revision selbst betont, von der ihm offerierten Möglichkeit der „wirklichen Einlösung“ innerhalb der Einlösungsfrist keinen Gebrauch gemacht. Das hatte gemäß § 1075 letzter Satz ABGB zur Folge, dass sein Vorkaufsrecht erloschen ist (RIS-Justiz RS0119205; Apathy aaO § 1075 Rz 3).
4. Mit dem Nachweis der „faktischen Nichtausübung“ des Vorkaufsrechts wurde der Kaufvertrag gemäß dessen Punkt VIII. rechtswirksam („rechtskräftig“). Nach den in Punkt III. vereinbarten Zahlungsmodalitäten war der Kaufpreis längstens binnen 14 Tagen auf das Treuhandkonto zu überweisen, widrigenfalls der Kaufvertrag als aufgelöst gelten und der Vorkaufsverpflichtete an das Rechtsgeschäft nicht mehr gebunden sein sollte.
Nach den erstinstanzlichen Feststellungen wurden die vereinbarten Zahlungsbedingungen nicht eingehalten, auf das Treuhandkonto wurde nur ein geringer Teilbetrag eingezahlt. Im allseitigen Einvernehmen wurden die späteren Teilzahlungen nicht auf das Treuhandkonto, sondern auf Verlangen des damaligen Klagevertreters direkt an diesen geleistet. Der Vorkaufsverpflichtete geht dennoch von der Erfüllung der Kaufpreisschuld des Drittkäufers aus.
Es stellt sich nun die Frage, ob durch diese Vorgänge der bereits eingetretene Vorkaufsfall nachträglich mit der Rechtsfolge unwirksam wurde, dass das (dann nur scheinbar) „erloschene“ Vorkaufsrecht des Beklagten in Wahrheit weiterhin besteht. Nur unter dieser Voraussetzung könnte die Verpflichtung des Vorkaufsverpflichteten, dem Beklagten die Liegenschaft bei tatsächlichem Vorliegen eines Vorkaufsfalls ein weiteres Mal zum Kauf anzubieten, in Betracht zu ziehen sein.
5. F. Bydlinski unterscheidet im gegebenen Zusammenhang grundsätzlich zwischen dem „ungültigen“ Vorkaufsfall (aaO 772 ff) und der nachträglichen Beseitigung des Vorkaufsfalls (aaO 780). Die hier interessierenden Fallgestaltungen seien kurz dargestellt:
5.1 Zu der Kategorie der „ungültigen“ Vorkaufsfälle zählen neben den nichtigen Rechtsgeschäften (siehe oben) auch jene, die wegen eines ihnen von vornherein anhaftenden Mangels von einer der Parteien des Drittvertrags (zB wegen List oder Irrtums) erfolgreich angefochten oder einvernehmlich aufgehoben und dadurch mit Wirkung ex tunc beseitigt worden sind. Solche Rechtsgeschäfte bewirken nach herrschender Ansicht keinen Vorkaufsfall (vgl 1 Ob 653/83 = SZ 56/96; RIS-Justiz RS0020169; F. Bydlinski aaO 772 f; Aicher aaO § 1072 Rz 16; Apathy aaO § 1072 Rz 3).
5.2 Bei einem zwischen den Parteien des Drittvertrags beachtlichen unwesentlichen Irrtum (§ 872 ABGB), der lediglich eine Vertragskorrektur zur Folge hat, ist der Vorkaufsfall jedenfalls gegeben. Wird der Irrtum geltend gemacht, so wirkt auch die Vertragskorrektur ex tunc, weil Mangel und Änderungsbedürftigkeit von vornherein bestanden. Der Vertrag mit seinem korrigierten Inhalt bildet den Vorkaufsfall, der auch die Grundlage für die Anbietungspflicht des Vorkaufsverpflichteten zu sein hat ( F. Bydlinski aaO 775; Aicher aaO § 1072 Rz 16).
5.3 Bei einer Resolutivbedingung ist das Rechtsgeschäft, das als Vorkaufsfall in Frage kommt, zunächst voll wirksam, sodass der Vorkaufsfall eintritt. Im Übrigen ist zu unterscheiden:
5.3.1 Die zwischen den Parteien des Drittvertrags vereinbarte auflösende Zufallsbedingung ist auch für den Vorkaufsberechtigten maßgebend, wenn er sich zur Einlösung entschließt. Bei Bedingungseintritt wird der zwischen Vorkaufsverpflichtetem und -berechtigtem geschlossene Kaufvertrag aufgelöst, das Vorkaufsrecht ist aber konsumiert (vgl auch RIS-Justiz RS0020416).
5.3.2 Handelt es sich allerdings um eine resolutive Wollensbedingung, so tritt F. Bydlinski (aaO 780; ihm folgend Aicher aaO § 1072 Rz 20) mangels ausreichender rechtlicher Bindung einer der (oder beider) Vertragsparteien dafür ein, den Vorkaufsfall rückwirkend erlöschen zu lassen. Andernfalls so der Autor wäre der Vorkaufsberechtigte stets auf einfache Weise auszumanövrieren und das Vorkaufsrecht so gut wie wertlos. Löse der Vorkaufsberechtigte ein und setze mindestens einer der Vertragsschließenden die Resolutivbedingung, komme der Berechtigte nicht an die Sache und sei sein Vorkaufsrecht los. Die Parteien des Drittvertrags könnten hingegen den Vertrag ohne Weiteres wiederholen.
5.4 Die nachträgliche Beseitigung des Kaufvertrags wird durch eine ex nunc wirkende Auflösungsvereinbarung, Rücktritt oder Wandlung erzielt. In diesen Fällen bleibt der Vorkaufsfall im Verhältnis zum Vorkaufsberechtigten unberührt ( F. Bydlinski aaO 780; Aicher aaO § 1072 Rz 21).
6. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus den Feststellungen keine Hinweise darauf, dass dem Vertragsabschluss zwischen den Parteien des Drittvertrags ein (unwesentlicher) Irrtum zugrunde lag, der sie zu den nachträglichen Vertragskorrekturen bewog. Auch die einvernehmliche Aufhebung des Vertrags wegen eines (wesentlichen) Irrtums (mit Wirkung ex tunc; vgl SZ 56/96) oder eine Auflösungsvereinbarung (mit Wirkung ex nunc) ist aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Vereinbart wurde jedoch schon im Kaufvertrag eine Resolutivbedingung, die zugunsten des Drittkäufers als Wollensbedingung ausgestaltet war. Zahlte er den Kaufpreis nicht fristgerecht auf das Treuhandkonto, galt der Vertrag als aufgelöst. Für die Bewertung der davon abweichenden Vertragsabwicklung kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:
6.1 Die festgestellten Umstände legen die Beurteilung nahe, dass die Parteien des Drittvertrags von der Resolutivbedingung einvernehmlich wieder abgegangen sind und die Zahlungsmodalitäten neu regelten. Der eingetretene Vorkaufsfall bliebe davon unberührt, das Vorkaufsrecht wäre erloschen. Die mit Wirkung ex nunc vorgenommene Änderung der Zahlungsmodalitäten löste keine neue Anbietungsverpflichtung des Vorkaufsverpflichteten aus.
6.2 Wäre hingegen der Vertrag mangels fristgerechter Zahlung tatsächlich aufgelöst (und erst später mit geänderten Zahlungsbedingungen neu abgeschlossen) worden, könnte nach den Ausführungen in Punkt 5.3.2 die gewählte Vertragsgestaltung die Ansicht stützen, dass der Vorkaufsfall rückwirkend erloschen ist. Letzteres träfe aus den folgenden Erwägungen hier jedoch nicht zu:
Die mit dem Drittkäufer vereinbarte Resolutivbedingung stand ihrerseits unter der Bedingung, dass der Beklagte von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Nur in diesem Fall wurde der Vertrag im Verhältnis zum Käufer rechtswirksam („rechtskräftig“) und setzte die 14-tägige Leistungsfrist in Gang. Hätte der Beklagte eingelöst, wäre die Resolutivbedingung nicht mehr zum Tragen gekommen. Anders als in dem von F. Bydlinski vorgezeichneten Szenario wäre es dem Drittkäufer nicht mehr möglich gewesen, den Beklagten „auszumanövrieren“ und das zwischen diesem und dem Vorkaufsverpflichteten zustande gekommene Rechtsgeschäft durch Herbeiführung der Bedingung zur Auflösung zu bringen. Auch die vereinbarte Resolutivbedingung konnte daher nur das Verhältnis zwischen Vorkaufsverpflichtetem und Drittkäufer betreffen und war für das Vorkaufsrecht bedeutungslos (siehe schon Punkt 1.).
7. Die bisherigen Erwägungen lassen sich somit dahin zusammenfassen, dass der eingetretene Vorkaufsfall nicht „ungültig“ war und auch nachträglich nicht wurde. Da der Beklagte auf die (unstrittig) gehörige Anbietung innerhalb der Einlösungsfrist nicht reagierte, ist das Vorkaufsrecht erloschen. Es kann unerörtert bleiben, ob die nachfolgenden Vorgänge zu einer Änderung oder zu einer Auflösung (mit späterem Neuabschluss) des Drittvertrags führten. In beiden Varianten ändert sich nichts daran, dass das Vorkaufsrecht endgültig untergegangen ist (vgl F. Bydlinski aaO 851).
8. Macht der Berechtigte von seinem Vorkaufsrecht nicht fristgerecht Gebrauch, kann der Vorkaufsverpflichtete den Berechtigten auf Einwilligung in die Löschung des verbücherten Vorkaufsrechts klagen (10 Ob 76/07k; vgl auch 2 Ob 40/09k; Apathy aaO § 1073 Rz 3).
9. Das vom Insolvenzverwalter (dem Kläger) in seinem Aufnahmeantrag erstattete Vorbringen, in den Vertrag mit dem Drittkäufer „nicht einzutreten bzw diesen nicht zu genehmigen“ zielt erkennbar auf § 21 Abs 1 IO. Diese Bestimmung ermöglicht dem Insolvenzverwalter den Rücktritt von einem beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrag (vgl 8 Ob 109/03t; 2 Ob 188/11b; RIS-Justiz RS0064419). Bei der Erklärung von einem Vertrag zurückzutreten oder in diesen einzutreten handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung ( Widhalm Budak in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze, § 21 KO Rz 148), deren Adressat der Vertragskontrahent des Schuldners ist.
Ob der Kläger eine solche Erklärung gegenüber dem Drittkäufer abgegeben hat, geht aus dem Aufnahmeantrag (und auch aus der Revisionsbeantwortung) nicht hervor. Entsprechendes Tatsachenvorbringen könnte aber ohnehin nicht berücksichtigt werden, verstieße es doch gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Es muss daher der Frage nicht nachgegangen werden, ob dem Kläger das Wahlrecht nach § 21 Abs 1 IO überhaupt zustehen würde. Der allein auf das unbeachtliche Vorbringen des Klägers gestützte Einwand des Beklagten, dem Kläger mangle es am Rechtsschutzinteresse, erweist sich somit jedenfalls als verfehlt.
10. Aus den dargelegten Gründen muss die Revision erfolglos bleiben.