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OGH vom 30.03.2020, 4Ob37/20z

OGH vom 30.03.2020, 4Ob37/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, Deutschland, vertreten durch Mag. Bernhard Kall, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagte Partei D***** P*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz, Dr. Peter Petzer und Dr. Clemens Telser, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 10 R 58/19h-33, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin einer Wohnung und einer Garage in E*****. Hinsichtlich ihrer Wohnungseigentumsanteile hatte sie der Beklagten ein obligatorisches Vorkaufsrecht eingeräumt.

Mit Kaufvertrag vom verkaufte die Klägerin ihre Wohnungseigentumsanteile um 265.000 EUR an einen Dritten.

Im Vorverfahren, in dem die Beklagte ihr Vorkaufsrecht geltend machte, schlossen die Streitteile am einen Vergleich, mit dem sich die Klägerin (des vorliegenden Verfahrens) verpflichtete, in einen Kaufvertrag mit der hier Beklagten über die in Rede stehenden Wohnungseigentumsanteile zu einem Kaufpreis von 265.000 EUR und zu den Bedingungen des Drittvertrags einzuwilligen. Nach Abschluss dieses Vergleichs fanden die Parteienvertreter keine Einigung, weil zur Fälligkeit des Kaufpreises und zur Zahlstelle Auffassungsunterschiede bestanden. Die Parteien selbst sprachen nicht miteinander. Die Klägerin hätte den Drittvertrag nicht ohne Treuhandklausel mit Notar Dr. K***** als Treuhänder abgeschlossen. Der Beklagten wäre es hingegen gleichgültig gewesen, wenn Notar Dr. K***** als Treuhänder fungiert hätte.

In dem vom Beklagtenvertreter erstellten Vertragsentwurf wurde eine im Wesentlichen dem Drittvertrag entsprechende Regelung über die treuhändige Abwicklung des Kaufvertrags aufgenommen, wobei anstelle des Notars Dr. K***** (Drittvertrag) der Beklagtenvertreter als Treuhänder vorgesehen war und die Treuhandschaft dementsprechend im Treuhandbuch der Tiroler Rechtsanwaltskammer registriert werden sollte.

Mit Schreiben vom setzte der Klagsvertreter der Beklagten eine 14tägige Nachfrist (bis ) und forderte die fristgerechte Überweisung des Kaufpreises von 265.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit auf das Treuhandkonto des Notars Dr. K*****. Mit EMail vom teilte der Klagsvertreter dem Beklagtenvertreter mit, dass der Kaufpreis in Höhe von 265.000 EUR auf seinem Sammelanderkonto erlegt worden sei. Mit Schreiben vom erklärte der Klagsvertreter namens der Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Am bestätigte Notar Dr. P*****, aufgrund einer Treuhandvereinbarung zwischen ihm als Treuhänder und dem Beklagtenvertreter als Treugeber den Kaufpreis von 265.000 EUR am auf sein Anderkonto bei der Notartreuhandbank überwiesen zu haben.

Im hier vorliegenden Verfahren begehrte die die Feststellung, dass ihr Rücktritt vom zugrunde liegenden Kaufvertrag mit der Beklagten rechtmäßig erfolgt und der Kaufvertrag rechtswirksam aufgelöst worden sei.

Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Das gab der Klage neuerlich statt. Die Zahlung des Kaufpreises an Notar Dr. K***** als Treuhänder sei für die Beklagte nicht unangemessen gewesen. Außerdem hätte die Klägerin den Drittvertrag nicht abgeschlossen, wenn darin ein anderer Treuhänder als Dr. K***** vorgesehen gewesen wäre.

Das bestätigte diese Entscheidung. Da eine Unangemessenheit der Zahlungsmodalität für die Beklagte nicht ersichtlich sei, sei diese an die vereinbarte Zahlstelle gebunden gewesen. Die Beklagte habe den Kaufpreis nicht vereinbarungsgemäß gezahlt, weshalb der Vertragsrücktritt der Klägerin berechtigt gewesen sei. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne der Klägerin nicht angelastet werden, weil ein unlauteres Motiv für ihre Vorgangsweise nicht zu erkennen sei.

Rechtliche Beurteilung

In der gegen diese Entscheidung erhobenen zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens und die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

2. In rechtlicher Hinsicht steht die Beklagte zunächst auf dem Standpunkt, dass die im Vertragsentwurf des Beklagtenvertreters vorgesehene Treuhandschaft nach dem Treuhandstatut der Tiroler Rechtsanwaltskammer im Vergleich zu der im Drittvertrag vereinbarten treuhändigen Abwicklung gleichwertig gewesen sei.

2.1 Im Anlassfall stellt sich die Frage, ob die Klägerin mit Schreiben ihres Vertreters vom von dem – mit Vergleich vom durch Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte – abgeschlossenen Kaufvertrag wegen Zahlungsverzugs der Beklagten wirksam zurückgetreten ist.

Zu den für die Beurteilung des Zahlungsverzugs maßgebenden Nebenbedingungen des Kaufvertrags (Fälligkeit und Zahlstelle) führte der Oberste Gerichtshof in seiner (die Entscheidungen der Vorinstanzen im ersten Rechtsgang aufhebenden) Vorentscheidung zu 4 Ob 220/18h aus, dass nach Maßgabe des Vergleichs vom der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen grundsätzlich zu den Bedingungen des Drittvertrags zustande kam. Aufgrund des Einwands der Beklagten hatte diese nach § 1077 ABGB jedoch jene Nebenleistungen nicht zu übernehmen, die für sie eine unangemessene Erschwernis bildeten.

Zur des Kaufpreises wurde vom Obersten Gerichtshof ausgesprochen, dass aufgrund der vereinbarten treuhändigen Abwicklung des Liegenschaftskaufs die Fälligkeit mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte und damit mit Abschluss des Vergleichs am eingetreten ist. Bezogen auf den rein zeitlichen Aspekt der Leistung war nicht von einer Verspätung auszugehen, weil die Zahlung innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist erfolgte und die Verzugszinsenforderung der Klägerin nicht berechtigt war.

Im fortzusetzenden Verfahren war allerdings noch zu klären, ob die im Drittvertrag vorgesehene (Zahlung auf das Treuhandkonto des Notars Dr. K*****) für die Beklagte eine unangemessene Erschwernis bildete und sie daher auch von dieser Nebenbedingung im Drittvertrag abweichen konnte. Dazu wurde ausgesprochen, dass dies davon abhängt, ob in dem vom Beklagtenvertreter errichteten Kaufvertragsentwurf eine gleichwertige Zahlungsmodalität im Vergleich zu jener im Drittvertrag vorgesehen ist und für die Klägerin kein Nachteil besteht, sodass angenommen werden kann, dass sie den Kaufvertrag auch mit einer gleichwertigen anderen Regelung abgeschlossen hätte. Bei Vorliegen einer gleichwertigen Zahlungsmodalität kommt es für die Wirksamkeit des Rücktritts schließlich darauf an, ob die Beklagte der berechtigterweise modifizierten Zahlungsmodalität entsprochen hat.

2.2 Die Gleichwertigkeit einer abweichenden Regelung kann nach diesen Grundsätzen nur dann angenommen werden, wenn für die Klägerin kein Nachteil besteht. Diese Frage ist grundsätzlich objektiv zu beurteilen. Die Haltung der Klägerin, auf die Zahlung des Kaufpreises an ihren Notar zu bestehen, genügt im Allgemeinen, ohne Vorliegen besonderer Umstände, daher nicht für die Annahme der Nachteiligkeit einer abweichenden Regelung. Im Anlassfall ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Zahlung an Notar Dr. K***** gleichgültig gewesen wäre. In diesem besonderen Fall ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die Beibehaltung der ursprünglich vereinbarten Zahlstelle sei für die Beklagte nicht unangemessen gewesen, durchaus vertretbar.

2.3 Hinzu kommt, dass auch die im Kaufvertragsentwurf des Beklagtenvertreters enthaltene Zahlungsmodalität (treuhändige Abwicklung durch den Beklagtenvertreter und Registrierung der Treuhandschaft im Treuhandbuch der Tiroler Rechtsanwaltskammer) nicht eingehalten wurde, zumal der Kaufpreis aufgrund eines Treuhandvertrags mit Notar Dr. P***** auf dessen Konto bei der Notartreuhandbank überwiesen wurde. Ob diese Vorgangsweise mit dem (gescheiterten) Versuch der Beklagten, die Einverleibung des Eigentumsrechts im Weg der Vollstreckung des Vergleichs vom zu erreichen, im Zusammenhang stand, bleibt für die Frage der Einhaltung der (nach dem Standpunkt der Beklagten modifizierten) Zahlungsmodalität ohne Bedeutung.

3. Zu dem von der Beklagten erhobenen Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung durch die Klägerin ist das Berufungsgericht von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen (vgl dazu RS0026265). Im Allgemeinen geben selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil diesem grundsätzlich zugestanden werden kann, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (RS0026205 [T4]). Ob eine Rechtsausübung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RS0013207).

Da der Klägerin zugestanden werden muss, auf die Einhaltung einer vereinbarten angemessenen Zahlungsmodalität zu bestehen, hat das Berufungsgericht das Vorliegen von Rechtsmissbrauch vertretbar verneint.

4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00037.20Z.0330.000

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