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OGH vom 23.02.2011, 3Ob26/11m

OGH vom 23.02.2011, 3Ob26/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj J***** vertreten durch die Mutter Mag. M*****, vertreten durch Mag. Katharina Braun, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters H*****, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 169/10s 47, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom , GZ 1 PU 55/09g 37, über Rekurs des Kindes teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen.

Das Kind hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die am geborene J***** ist die Tochter von Mag. M***** und H*****. Mit Beschluss vom (ON U 5) hat das Erstgericht den Vater H***** ab zu einem monatlichen Geldunterhalt von 500 EUR verpflichtet.

Am beantragte das durch seine Mutter vertretene Kind, die monatlichen Unterhaltsleistungen zu erhöhen (ON U 6); am wurde der Antrag dahin präzisiert, dass ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 650 EUR ab begehrt wurde ON U 14). Ein Sonderbedarfsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Der Vater sprach sich gegen die Erhöhung seiner Unterhaltsverpflichtung aus und brachte im Wesentlichen vor, dass sich seine Tochter nicht in Pflege und Erziehung ihrer Mutter, sondern der mütterlichen Großmutter E***** befinde. Da von Drittpflege auszugehen sei, sei das Einkommen beider Eltern zu berücksichtigen.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater monatlich zu leistenden Geldunterhalt auf 520 EUR für den Zeitraum vom bis sowie auf 530 EUR für den Zeitraum vom bis und verpflichtete den Vater zur Leistung eines monatlichen Geldunterhalts von 585 EUR ab ; das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Im Rahmen der Beweiswürdigung legte das Erstgericht dar, dass das Kind von Montag bis Freitag von der mütterlichen Großmutter betreut wird und die Zeit von Freitag Nachmittag bis Sonntag Abend üblicherweise bei der Mutter in Wien verbringt, ebenso die Ferienzeiten. In dieser Zeit wird das Kind von der Mutter versorgt. Größere Ausgaben wie Schiausrüstung, Schikurs, Kleidung und Handykosten werden von der Mutter bezahlt; Ausgaben für Kost und Quartier sowie Schulartikel werden von der mütterlichen Großmutter aus dem vom Vater geleisteteten Unterhaltsbeitrag bezahlt (dieser wird der Großmutter überwiesen).

Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass die Mutter keine relevanten Betreuungsleistungen für ihre Tochter erbracht habe und daher von einem Fall der Drittpflege auszugehen sei.

Über Rekurs des Kindes änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt für den Zeitraum vom bis mit 605 EUR, für den Zeitraum vom bis mit 615 EUR, für den Zeitraum vom bis mit 640 EUR und ab mit 650 EUR festsetzte.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Rekursgericht davon aus, dass die Mutter sehr wohl ausreichende eigene Betreuungsleistungen erbringe und damit den geschuldeten Naturalunterhalt leiste, sodass die „Drittpflegeformel“ nicht anzuwenden sei. Demnach habe die Unterhaltsbemessung nach der Prozentwertmethode zu erfolgen. Im Hinblick auf diese Abgrenzung ließ das Rekursgericht nachträglich den Revisionsrekurs zu.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus den Revisionsrekursgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Das Kind beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

Nach Ansicht des Revisionsrekurswerbers wäre richtigerweise von einem Drittpflegefall auszugehen. Weil die Mutter ihre Naturalunterhaltspflicht verletze, habe das Kind gegen beide Elternteile einen Geldunterhaltsanspruch. Bei der Bemessung sei zu berücksichtigen, dass die von der Mutter erbrachten Beaufsichtigungsleistungen keinen Geldwert hätten und daher nicht anzurechnen seien.

Im Übrigen wäre im Hinblick auf die Interessenkollision auf Seiten der Mutter ein Kollisionskurator für das Kind zu bestellen gewesen, weshalb das bisherige Verfahren mangels ordnungsgemäßer Vertretung des Kindes an einer „Nichtigkeit“ gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AußStrG leide.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG dargestellt.

§ 140 Abs 2 ABGB regelt das Verhältnis der Beiträge der Eltern zum Unterhalt ihres Kindes, wenn ein Elternteil das Kind in seinem Haushalt betreut; der haushaltsführende Elternteil leistet dadurch seinen vollwertigen Unterhaltsbeitrag (näher Barth/Neumayr in Klang 3 § 140 Rz 115). Wird dagegen das Kind nicht im Haushalt eines Elternteils betreut, so sind grundsätzlich beide Elternteile nach ihren Kräften anteilig geldunterhaltspflichtig (RIS-Justiz RS0047403 [T5]; Hopf in KBB 3 § 140 ABGB Rz 9; Gitschthaler , Unterhaltsrecht 2 Rz 26).

Entscheidend ist daher im vorliegenden Fall die Frage, ob das Kind im Haushalt eines Elternteils betreut wird. Die Rechtsprechung geht von einer Betreuung iSd § 140 Abs 2 Satz 1 ABGB auch dann aus, wenn das Kind nur während bestimmter Tageszeiten oder an bestimmten Tagen betreut wird oder sich nur zu den Wochenenden und in den Ferien beim betreuenden Elternteil aufhält (RIS-Justiz RS0047443, RS0048380 [T3]; siehe auch Gitschthaler , Einige aktuelle Probleme des Kindesunterhaltsrechts, ÖJZ 1994, 10 [12]). Die Rechtfertigung dafür kann darin gefunden werden, dass Pflege und Erziehung Teil der Obsorge sind und dass es Sache des obsorgeberechtigten Elternteils ist, wie er die Pflege und Erziehung des Kindes „organisiert“. Wie § 140 Abs 2 Satz 1 ABGB zeigt, muss dieser Elternteil aber selbst Betreuungsleistungen erbringen, deren Schwerpunkt durchaus auch in geistig-seelischen Erziehungsmaßnahmen liegen kann (RIS-Justiz RS0047367 [T2]; Barth/Neumayr in Klang 3 § 140 Rz 115).

Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen und vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen ist der Ansicht des Rekursgerichts zu folgen, dass die Mutter weiterhin relevante Betreuungsleistungen für ihre Tochter erbringt. Das Rekursgericht hat daraus im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung den Schluss gezogen, dass die Bemessung des vom Vater zu leistenden Geldunterhalts nach der Prozentsatzmethode zu erfolgen hat. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass für ein Abgehen von der bisherigen Judikatur. Insbesondere ist kein einleuchtender Grund ersichtlich, warum der Vater von seiner Geldunterhaltspflicht entlastet werden soll, wenn seine Tochter (offenbar auch im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Mutter) während der Woche überwiegend von der mütterlichen Großmutter betreut wird. Die gegebene Situation weicht nur unwesentlich vom Fall einer Internatsunterbringung ab (dazu RIS-Justiz RS0047434; siehe auch RIS-Justiz RS0047431 und RS0047443).

Die Frage nach der Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators für das Kind stellt sich schon deshalb nicht, weil keine kollidierenden Interessen von Mutter und Kind erkennbar sind.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 62 Abs 1 AußStrG) als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der vom Kind erstatteten Revisionsrekursbeantwortung beruht auf § 101 Abs 2 AußStrG.