OGH vom 19.05.2009, 3Ob26/09h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Marianne H*****, und 2. Andrea H*****, beide vertreten durch Dr. Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill, gegen die verpflichtete Partei Andreas H*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, wegen Einräumung bücherlicher Rechte (§ 350 EO), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 346/08y-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 60 E 1239/08a-2, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Aufgrund von im Instanzenzug ergangenen vollstreckbaren - und mittlerweile auch rechtskräftigen (E des AZ 5 Ob 224/08i) - Urteilen des Landesgerichts Salzburg und des Oberlandesgerichts Linz bewilligte das Erstgericht den betreibenden Parteien antragsgemäß ob einer Liegenschaft des Verpflichteten die Ersichtlichmachung der Aufschrift „Wohnungseigentum" und die Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts zu 218/390 Anteilen für die erstbetreibende Partei (verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Erdgeschoß W1) und zu 172/390 Anteilen für die zweitbetreibende Partei (verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Obergeschoß W2).
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung hielt dieses Gericht dem Rekurswerber entgegen:
Nach ständiger Rechtsprechung seien Beurkundungen einer Verwaltungsbehörde für die Gerichte bindend, was auch für die im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs ausgestellte amtliche Bescheinigung der örtlichen Marktgemeinde gelte. Die behaupteten Fehler im mit dem Exekutionsantrag vorgelegten Nutzwertgutachten eines gerichtlich zertifizierten Sachverständigen fielen, da sie keineswegs eine absolute Nichtigkeit begründeten, nicht in die Prüfungsbefugnis des Exekutionsbewilligungsgerichts. Nach dem maßgeblichen Exekutionstitel hätten die Eigentumseinverleibung und die Wohnungseigentumsbegründung gerade gemäß diesem Gutachten zu erfolgen. Die materielle Richtigkeit des Exekutionstitels sei aber im Bewilligungsverfahren nicht zu prüfen. Fehler in einem solchen Gutachten nach § 9 Abs 1 WEG, für das der Sachverständige hafte, könnten im Rahmen der Anfechtungsmöglichkeiten des § 9 Abs 2 leg cit wahrgenommen werden. Auch diese Bestimmung verdeutliche, dass die Prüfungsbefugnis des Exekutionsgerichts (bzw auch des Grundbuchsgerichts) betreffend das Nutzwertgutachten eingeschränkt sei. Zu prüfen sei nur, ob die für die Urkunde geltenden Formvorschriften eingehalten wurden, ob nach dem Grundbuchstand ein Hindernis für die begehrte Eintragung besteht, ob das Nutzwertgutachten in sich widerspruchsfrei ist und ob die vorgesehene Nutzwertfestsetzung gegen § 878 ABGB verstößt und deshalb absolut nichtig ist. Abgesehen davon sei der Verpflichtete durch die konkrete Ausgestaltung des Wohnungseigentums nicht beschwert, weil er nicht Miteigentümer sei; sein Eigentum verliere er nicht durch die Wohnungseigentumsbegründung an sich, sondern wegen seiner Verpflichtung, in die Einverleibung des Eigentumsrechts der Betreibenden einzuwilligen.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, wie weit die Prüfungsbefugnis des Exekutionsgerichts bei der Exekutionsbewilligung nach § 350 EO betreffend ein Nutzwertgutachten geht, auf das bereits im Spruch des Exekutionstitels ausdrücklich Bezug genommen wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zwar nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats infolge analoger Anwendung von § 126 GBG nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (3 Ob 41, 42/93 = SZ 66/87 ua; zuletzt 3 Ob 17/09k; RIS-Justiz RS0022851), jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 78 EO iVm § 528 Abs 3 und § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht zulässig.
Der Revisionsrekurswerber schließt sich in der Frage des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage dem Rekursgericht an.
Auch in dritter Instanz hält er daran fest, dass die Bescheinigung des örtlichen Bürgermeisters nach § 2 Abs 2 lit c Sbg GVG (Bauplatzbestätigung) inhaltlich unrichtig sei und mit dem Nutzwertgutachten in Widerspruch stehe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Rekursgerichts über die Bindung des Exekutionsbewilligungsgerichts an diese Beurkundung enthält allerdings das Rechtsmittel nicht. Der Verpflichtete versucht gar nicht diese rechtliche Beurteilung zu widerlegen; eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn von § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO macht er damit nicht gesetzmäßig geltend.
Mag auch an einer Stelle der Rekursentscheidung davon die Rede sein, die vom Verpflichteten behaupteten Fehler des Nutzwertgutachtens begründeten keine absolute Nichtigkeit, stellte das Rekursgericht doch unmissverständlich klar, nach welchen Kriterien seiner Ansicht nach das Nutzwertgutachten vom Exekutionsbewilligungs- und gleichzeitig Grundbuchsgericht zu prüfen sei. Dass eine darüber hinausgehende Prüfungsbefugnis und -pflicht bestehe, versucht der Revisionsrekurswerber gar nicht weiter zu begründen. Ungeachtet des vom Rekursgericht erwogenen Mangels einer (wohl materiellen) Beschwer des Verpflichteten durch die konkrete Ausgestaltung des Wohnungseigentums - ein sachlich zu rechtfertigendes rechtliches Interesse daran ist auch tatsächlich nur schwer nachvollziehbar - hat es doch seine Einwände (wenn auch kurz) inhaltlich behandelt und sein Rechtsmittel keineswegs zurückgewiesen. Das Fehlen seiner Beschwer nur in Ansehung eines Teils der erhobenen Einwände könnte auch eine solche Zurückweisung keinesfalls rechtfertigen. Die hypothetische Frage, ob der ausschließliche Einwand von Fehlern des Nutzwertgutachtens das Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig machte, ist daher nicht präjudiziell, weil eben der Verpflichtete auch geltend machte, der Exekutionsantrag wäre auch wegen einer unzureichenden (bzw unrichtigen) grundverkehrsrechtlichen Bescheinigung abzuweisen gewesen. Es kann daher offen bleiben, ob nicht der Umstand, dass der Verpflichtete eben nur durch die Bewilligung der Einverleibung des mit dem Mindestanteil nach § 11 Abs 1 WEG 2002 untrennbar verbundenen Wohnungseigentumsrechts sein Eigentum an der Liegenschaft verlieren soll, für ein Rechtsschutzinteresse an einer fehlerfreien Begründung dieser Rechte ausreichen müsste.
Die Relevanz der weiterhin behaupteten angeblichen Fehler des Nutzwertgutachtens, dessen Vorlage § 6 Abs 1 Z 2 WEG 2002 auch für die Einverleibung des Wohnungseigentums aufgrund eines Urteils ausdrücklich vorschreibt, für die Entscheidung über den Exekutionsantrag nach § 350 EO kann der Verpflichtete nicht darlegen. Welche Bedeutung die genaue Lage des Objekts auf der Liegenschaft laut Plan für diese Entscheidung haben sollte, ist nicht ersichtlich; diese Lage gehört nicht zu den nach §§ 7 ff WEG 2002 relevanten Kriterien für die Nutzwertfestsetzung. Dass der Heizraum (als allgemeiner Teil) nur über im Wohnungseigentum stehende Räume zu betreten wäre, ergibt sich aus dem Gutachten gerade nicht. Dass ein besonders qualifizierter Bauplan Voraussetzung der Parifizierung wäre, kann aus dem WEG 2002 auch nicht abgeleitet werden. Lediglich für die Ausstellung einer Bescheinigung oder eines Gutachtens über den Bestand wohnungseigentumstauglicher Objekte vor Errichtung des Gebäudes nach § 6 Abs 2 WEG 2002 setzt behördlich bewilligte Baupläne voraus; dass das Haus, das Gegenstand der Exekutionsbewilligung ist, schon längst errichtet wurde, wird aber vom Verpflichteten gar nicht bestritten. Im Übrigen legte der Sachverständige, wie er unmissverständlich klarstellte, seinem Gutachten nur die behördlich genehmigten Baupläne zugrunde.
Liegen aber die angeblichen Fehler des Gutachtens gar nicht vor, dann hängt die Entscheidung im konkreten Fall nicht davon ab (RIS-Justiz RS0088931, besonders [T2]), ob das Exekutionsgericht zu einer Prüfung des Nutzwertgutachtens über die vom Rekursgericht beschriebenen eingeschränkten Kriterien hinaus befugt und verpflichtet gewesen wäre.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.