OGH 26.05.2011, 5Ob221/10a
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Gottfriede P*****, p.A. *****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Ernst P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink und Mag. Klaus Haslinglehner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 232/10z-70, mit dem infolge Rekurses des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 C 80/07m-64, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Revisionsrekursbeantwortungen beider Parteien werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Parteien waren seit verheiratet. Das Erstgericht schied deren Ehe mit Urteil vom aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners. Die eheliche Gemeinschaft der Parteien ist seit infolge Auszugs der Antragstellerin aus der Ehewohnung aufgehoben.
Der Antragsgegner hatte ein Unternehmen (Autohandel, Werkstätte und Tankstelle) betrieben, das den Parteien und den gemeinsamen vier Kindern als Existenzgrundlage diente. Die Antragstellerin arbeitete neben der Führung des ehelichen Haushalts und der Kinderbetreuung im Unternehmen des Antragsgegners mit. Ihr Entgelt wurde teilweise für die Haushaltsführung, teilweise zur Rückzahlung von Verbindlichkeiten verwendet. Im April 1990 legte der Antragsgegner das Unternehmen still.
Während aufrechter Ehe hat der Antragsgegner seither in seinem grundbücherlichen Alleineigentum stehende Liegenschaften erworben, nämlich die Liegenschaft EZ 422 GB ***** mit dem Haus *****, Z*****straße 56 (frühere Ehewohnung; maßgeblicher Schätzwert 234.770 EUR mit pfandrechtlich sichergestellten CHF-Kredit von [umgerechnet] 108.521,53 EUR) und 9835/100.000-Anteile an der EZ 497 GB ***** (B-LNR 3 verbunden mit Wohnungseigentum an W 10; S*****, F***** 34; Ferienwohnung; maßgeblicher Schätzwert 39.580 EUR).
1984 erwarb der Antragsgegner die Doppelliegenschaft EZ 2229 GB ***** mit dem darauf befindlichen Objekt D*****straße 4/G*****straße 10, um 1.380.000 ATS (100.288,51 EUR). Es handelt sich um eine Eckliegenschaft mit zwei Zinshäusern (Altbauwohnungen), in welchen der Antragsgegner eine Reihe von Investitionen vornehmen ließ. Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgte mit Kredit. Die Anschaffung der Liegenschaft sollte als Pensionsvorsorge dienen. Ein Objekt sollte nach durchgeführter Renovierung verkauft werden und den Parteien zur Hebung des Lebensstandards dienen. Das zweite Haus sollte entweder vermietet oder allenfalls auch verkauft werden. Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Antragsgegner dann tatsächlich die inzwischen eine eigene EZ (305 GB *****) bildende Liegenschaft mit dem Haus G*****straße 10 um 11.500.000 ATS (853.737,59 EUR). Aus dem Verkaufserlös wurden 700.000 ATS (50.870 EUR) zur Abdeckung von Unternehmensverbindlichkeiten des Antragsgegner verwendet. Die genauere Verwendung des Verkaufserlöses steht nicht fest; ein Betrag von zumindest 800.000 EUR ist im Vermögen des Antragsgegners noch vorhanden. Daraus folgt bei 2,5 % jährlichem Zinsgewinn von März 2002 (Kaufvertragsabschluss) bis Oktober 2005 (Beginn der Unterhaltszahlungen des Antragsgegners an die Antragstellerin) ein kapitalisierter Zinsertrag von 123.543,81 EUR.
Der Antragsgegner ist weiterhin Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 2225 GB ***** (*****, D*****straße 4; maßgeblicher Schätzwert 600.100 EUR mit pfandrechtlich sichergestellten CHF-Kredit von [umgerechnet] 294.101,38 EUR). Mit Mieterlösen aus dieser Liegenschaft wurden Investitionen in nicht feststellbarer Höhe in die Liegenschaft in M***** (frühere Ehewohnung) finanziert.
Die Antragstellerin bezieht derzeit eine österreichische Pension von monatlich 362 EUR (14-mal) und eine Pension aus Deutschland von monatlich 39 EUR (12-mal) sowie Unterhaltszahlungen des Antragsgegners von monatlich 650 EUR. Die Antragstellerin bewohnt derzeit eine Mietwohnung und hat dafür eine monatliche Miete von 420 EUR zu bezahlen. Die Antragstellerin ist auf die Benützung des Hauses in M***** (frühere Ehewohnung) insofern angewiesen, als die Erhaltung dieses Hauses (Bezahlung der Betriebskosten) für sie leichter leistbar ist.
Der Antragsgegner bezieht eine Pension aus Deutschland von monatlich 114 EUR (12-mal) sowie Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen der Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4).
Die Antragstellerin begehrte die Übertragung des Alleineigentums an den Liegenschaften EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) und an der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) auf sie, die Belassung des Eigentums an der Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4; Zinshaus) beim Antragsgegner und dessen Verpflichtung zur Zahlung einer in mehreren Varianten errechneten Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung des halben Verkaufserlöses für das Haus V*****, G*****straße 10.
Der Antragsgegner beantragte Abweisung des Aufteilungsantrags der Antragstellerin, Beibehaltung der bisherigen Eigentumsverhältnisse bei Ehe- sowie Ferienwohnung und Zuerkennung einer angemessenen Ausgleichszahlung an die Antragstellerin. Der Erlös aus dem Verkauf des Hauses V*****, G*****straße 10, sei nicht mehr vorhanden, sondern zur Abdeckung von Verbindlichkeiten verwendet worden. Das verbliebene Haus in V*****, D*****straße 4 (Zinshaus) unterliege als Unternehmen nicht der Aufteilung.
Das Erstgericht nahm - im zweiten Rechtsgang - die nacheheliche Aufteilung so vor, dass es das Eigentum an der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) und an der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) an die Antragstellerin übertrug, die alleinige Haftung des Antragsgegners für die ob der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) sichergestellte Kreditforderung (108.521,53 EUR) anordnete und den Antragsgegner zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 424.770 EUR binnen 2 Monaten, zur Räumung der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) binnen 3 Monaten und zur Leistung von Kostenersatz an die Antragstellerin in der Höhe von 30.000 EUR verpflichtete. In die Aufteilung seien alle genannten Liegenschaften sowie der beim Antragsgegner noch vorhandene Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Hauses V*****, G*****straße 10, samt Zinsertrag einzubeziehen, weil die Doppelliegenschaft mit dem Zinshaus nicht als Unternehmen zu qualifizieren sei. Da die Ehe aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden worden sei, stehe der Antragstellerin bei der nachehelichen Aufteilung ein Wahlrecht zu. Der Wahl der Antragstellerin folgend sei dieser das Alleineigentum an der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) und an der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) zuzuweisen gewesen. Die Antragstellerin sei zwar wohnversorgt, doch habe sie für ihre Wohnung höhere Kosten zu bezahlen als im Fall der Wiederbenützung der Ehewohnung. Insgesamt seien folgende Aktiva und Passiva zu berücksichtigen:
Aktiva:
Liegenschaft M***** (frühere Ehewohnung) - 234.770 EUR
Eigentumswohnung an W 10; S*****, F***** 34 - 39.580 EUR
Liegenschaft V*****, D*****straße 4 - 600.100 EUR
Verkaufserlös V*****, G*****straße 10 -
853.737,59 EUR
Zinsertrag aus Verkaufserlös - 123.543 EUR
Aktiva Gesamt - 1.851.730 EUR
Passiva:
Kredit V*****, D*****straße 4 - 294.101,38 EUR
Kredit Ehewohnung - 108.521,53 EUR
aus Verkaufserlös zurückbezahlte Unternehmensschulden - 50.870 EUR
Passiva Gesamt - 453.492,51 EUR
Die Nettoaufteilungsmasse betrage 1.398.237,50 EUR. Bei einer Teilung im Verhältnis 1:1 stehe der Antragstellerin nach Zuweisung der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) und der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) noch eine Ausgleichszahlung von (gerundet) 424.700 EUR zu.
Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Antragsgegners teilweise und zwar (nur) insoweit Folge, als es die von diesem zu leistende Ausgleichszahlung (von 424.700 EUR) auf 300.000 EUR reduzierte. Das Zinshaus sei nicht als Unternehmen zu werten, weshalb dieses und der aus anderen Liegenschaften erzielte Verkaufserlös in die Aufteilung einzubeziehen seien. Der schuldlos geschiedenen Antragstellerin stehe der Vorrang bei der Wahl der Vermögensgegenstände zu, weshalb die vom Erstgericht vorgenommene Zuweisung des Liegenschaftsvermögens nicht zu beanstanden sei. Die Höhe der Ausgleichszahlung sei allerdings korrekturbedürftig; zunächst sei das der Aufteilung unterliegende Vermögen nicht streng rechnerisch zu teilen und außerdem sei zu berücksichtigen, dass einerseits die Liegenschaftszuweisungen an die Antragstellerin entgegen dem Bewahrungsgrundsatz (§ 90 Abs 1 EheG) erfolgt seien und andererseits der Beitrag des Antragsgegners zum Erwerb, zur Renovierung und zum Verkauf des (einen) Zinshauses aus unternehmerischer Sicht wohl höher einzuschätzen sei als jener der Antragstellerin. Die vom Antragsgegner zu leistende Ausgleichszahlung sei daher auf 300.000 EUR zu reduzieren.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich das Rekursgericht an zitierte höchstgerichtliche Judikatur gehalten habe und Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen gewesen seien.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien.
Die Antragstellerin bekämpft den Beschluss des Rekursgerichts insoweit, als damit die ihr zu leistende Ausgleichszahlung reduziert wurde, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise stellt die Antragstellerin auch einen Aufhebungsantrag.
Der Antragsgegner bekämpft den Beschluss des Rekursgerichts in seinem gesamten Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Liegenschaft EZ 2225 GB ***** (*****, D*****straße 4) sowie der Erlös aus dem Verkauf des Hauses *****, G*****straße 10, aus dem aufzuteilenden Vermögen ausgeschieden, ihm das Eigentum an der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) sowie an der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) belassen bleibe und der Antragstellerin eine entsprechende, in Raten zu leistende Ausgleichszahlung zuerkannt werde. Hilfsweise stellt auch der Antragsgegner einen Aufhebungsantrag.
Beide Parteien machten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung Gebrauch und beantragten in diesen jeweils, dem Revisionsrekurs des Gegners nicht Folge zu geben, in eventu diesen zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionsrekurse sind zulässig, weil die Vorinstanzen Grundsätze der nachehelichen Aufteilung verkannt haben; beide Revisionsrekurse sind in ihren Aufhebungsanträgen auch berechtigt.
Die Revisionsrekursbeantwortungen beider Parteien sind verspätet.
1. Zum Umfang der Aufteilungsmasse:
Betreffend den Umfang der Aufteilungsmasse ist zwischen den Parteien (nur mehr) strittig, ob die Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4) mit dem als Zinshaus bezeichneten Objekt und der Erlös aus dem Verkauf des Objekts V*****, G*****straße 10, samt dem daraus möglich gewesenen Zinsertrag in die Aufteilung einzubeziehen sind. Die Vorinstanzen haben insoweit eine Unternehmenseigenschaft verneint und deshalb die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse bejaht. Der Antragsgegner sieht demgegenüber in den Zinshäusern den Unternehmenszweck im Vordergrund und will sie gestützt auf § 82 Abs 1 Z 3 EheG aus der Verteilungsmasse ausgeschieden haben.
1.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mit der Frage befasst, ob - im Lichte der nachehelichen Aufteilung - bei einem Zinshaus der Unternehmenszweck im Vordergrund steht oder ob insoweit eine Wertanlage vorliegt. In der Entscheidung 9 Ob 42/99p () hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass Zinshäuser für den Bereich des Aufteilungsverfahrens nicht grundsätzlich vom Unternehmensbegriff ausgenommen werden könnten. Zunächst könne im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnungen ein Unternehmen durchaus dann vorliegen, wenn eine größere Zahl von Mietverträgen abgeschlossen und deshalb eine auf Dauer angelegte Organisation erforderlich sei. Diese Rechtsansicht wiederholte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 89/01x. Allerdings wird in 9 Ob 42/99p für die Unterscheidung, ob eine bloße Wertanlage bezweckt oder aber ein Unternehmenszweck verfolgt wird, auch betont, dass es dabei wesentlich auf die Widmung ankomme (vgl auch RIS-Justiz RS0057521).
1.2. Das Erstgericht hat festgestellt, dass den Parteien die Doppelliegenschaft (Zins-[eck-]haus) als Pensionsvorsorge dienen sollte. Ein Objekt sollte nach dessen Renovierung verkauft werden und zur Hebung des Lebensstandards dienen. Tatsächlich wurde dieser Verkauf in der Folge auch durchgeführt. Das zweite Haus sollte entweder vermietet oder allenfalls auch verkauft werden. Bei dieser Sachlage imponiert(e) der Zweck der Doppelliegenschaft V*****, D*****straße 4/G*****straße 10, als (teilweise bereits realisierte) Wertanlage, weshalb die noch im Alleineigentum des Antragsgegners stehende Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4) nicht als Unternehmen(-sbestandteil) nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG aus der Verteilungsmasse auszuscheiden, sondern in diese einzubeziehen ist. Gleiches gilt dann auch - wie in den Entscheidungen der Vorinstanzen geschehen - für die damit in Zusammenhang stehende Kreditverbindlichkeit.
1.3. Zum (restlichen) Verkaufserlös aus dem Objekt V*****, G*****straße 10, hat das Erstgericht festgestellt, dass (nach Abzug der Zahlung auf Unternehmensverbindlichkeiten) ein Betrag von zumindest 800.000 EUR noch - gemeint offenbar: abgrenzbar - im Vermögen des Antragsgegners vorhanden ist, weshalb auch dieser Betrag rechtsrichtig in die Aufteilung einbezogen wurde. Der dagegen erhobene Einwand des Antragsgegners, es liege betreffend das Vorhandensein des Verkaufserlöses eine bloße Vermutung des Erstgerichts vor, erweist sich als eine im Revisionsrekursverfahren unzulässige Beweisrüge (vgl RIS-Justiz RS0006737; RS0043414).
Die Einbeziehung der Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4) sowie des (restlichen) Erlöses aus dem Verkauf des Objekts V*****, G*****straße 10, in die Aufteilungsmasse ist daher zu Recht erfolgt und diese Frage ist nunmehr für das weitere Verfahren abschließend beurteilt.
1.4. Mit Recht wendet sich der Antragsgegner jedoch gegen die Veranschlagung eines (fiktiven) Veranlagungserlöses in Form eines kapitalisierten Zinsertrags für den Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaft V*****, G*****straße 10. In die Aufteilung ist nur einzubeziehen, was die Ehegatten während und bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft tatsächlich erworben haben (§ 81 EheG; RIS-Justiz RS0057331; Koch in KBB³, § 81 EheG Rz 3 und 7). Ein bloß möglicher, also ein tatsächlich nicht erzielter Ertrag gehört nicht zu den ehelichen Ersparnissen. Allerdings könnten die Feststellungen des Erstgerichts zu dieser Tatfrage allenfalls auch so zu verstehen sein, dass dieses einen vom Antragsgegner tatsächlich erzielten Zinsertrag zugrundelegen wollte und nur dessen Höhe - etwa im Sinn des § 34 AußStrG - mangels anderer Anhaltspunkte mit dem angenommenen Zinsertrag ausmitteln wollte. Dies wird das Erstgericht bei seiner neuerlichen Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht klarzustellen haben.
2. Zur Aufteilung des Liegenschaftsvermögens:
2.1. Das weiter dem Antragsgegner verbleibende Eigentum an der Liegenschaft EZ 2229 GB ***** (D*****straße 4) ist - ihre Einbeziehung in die Aufteilungsmasse vorausgesetzt (s 1.2.) - unzweifelhaft.
2.2. Strittig ist dagegen die Zuteilung der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) sowie der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung). Bei der Beurteilung dieser Streitfrage haben die Vorinstanzen - wie vom Antragsgegner im Ansatz richtig geltend gemacht - den Bewahrungsgrundsatz (§ 90 Abs 1 EheG) nicht ausreichend berücksichtigt:
2.3. Nach § 90 Abs 1 EheG darf die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann. Nach vorliegender Rechtsprechung wird die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen tendenziell an strenge Voraussetzungen geknüpft und deshalb auch als „ultima ratio“ bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0057905). Nun mag § 90 Abs 1 EheG in die Ehewohnung betreffenden Fällen etwas weitherziger gehandhabt werden (vgl 3 Ob 551/82 = EFSlg 41.411; 7 Ob 750/80 = EFSlg 36.465; allgemein zur Beachtlichkeit des Wohnbedürfnisses unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit vgl RIS-Justiz RS0057733; RS0057952; s auch Stabentheiner in Rummel³, § 90 EheG Rz 1; Bernat in Schwimann³, § 90 EheG Rz 1; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, § 90 EheG Rz 1; dies in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR, § 90 EheG Rz 1). Es mag auch Fälle geben, in denen zwar nur ein Ehegatte im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, das Haus während der Ehe errichtet (angeschafft) wurde, die früheren Ehegatten hiezu etwa zu gleichen Teilen beigetragen haben und sie im Innenverhältnis übereinstimmend der Auffassung waren, dass das Haus ihnen beiden „gehört“, sie also beide übereinstimmend der Meinung waren, materiell Miteigentümer zu sein, die Verbücherung beider früheren Ehegatten aber allenfalls nur aus Bequemlichkeit oder wegen fehlendem Problembewusstsein unterblieben ist (vgl etwa 3 Ob 2224/96x = EFSlg 84.698). Unter derartigen Umständen wird dem Bewahrungsgrundsatz nur geringere Bedeutung zukommen, doch kann vom Vorliegen eines solchen Falles auf der Grundlage der gegebenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.
Die Antragstellerin ist im Jahr 2005 aus der früheren Ehewohnung ausgezogen und ist wohnversorgt. Die einzigen Argumente der Vorinstanzen für die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft mit der früheren Ehewohnung auf die Antragstellerin sind das Alleinverschulden des Antragsgegners an der Ehescheidung und dass „die Erhaltung dieses Hauses (Bezahlung der Betriebskosten) für sie leichter leistbar ist“.
Ein Rechtsprechungsgrundsatz dahin, dass das von den Vorinstanzen betonte - im Gesetz ohnehin nicht positivierte - Optionsrecht des schuldlos geschiedenen Ehegatten (vgl dazu RIS-Justiz RS0057387; RS0057523) den Bewahrungsgrundsatz allein und gänzlich entkräftet, existiert aber nicht (5 Ob 136/10a) und es ist auch nicht Aufgabe der nachehelichen Aufteilung, den allein an der Scheidung schuldigen Ehegatten zu „bestrafen“. Schließlich ist zur finanziellen Situation der Antragstellerin die Feststellung des Erstgerichts unklar, ob sich die vermeintlich „leichtere“ Leistbarkeit nur auf den Vergleich zwischen dem von der Antragstellerin derzeit zu leistenden Mietzins und den Betriebskosten des Hauses in M***** bezieht und ob sich nicht unter Mitberücksichtigung des Erhaltungsaufwands für die Liegenschaft ein ganz anderes Bild ergibt.
2.4. Für die Übertragung der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) an die Antragstellerin sind - abgesehen vom von den Vorinstanzen offenbar auch insoweit herangezogenen Alleinverschulden des Antragsgegners an der Scheidung - überhaupt keine naheliegenden Gründe erkennbar.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren insbesondere mit der Antragstellerin zu erörtern haben, welche - im Lichte des § 90 Abs 1 EheG vermeintlich tragfähigen - Argumente für eine Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft EZ 422 GB ***** (frühere Ehewohnung) sowie der Eigentumswohnung S*****, F***** 34 W 10 (Ferienwohnung) sprechen könnten; dazu werden dann in der neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts klare und aussagekräftige Feststellungen zu treffen sein.
3. Ausgleichszahlung:
Es ist dem Rekursgericht durchaus dahin beizupflichten, dass eine Ausgleichszahlung nicht mit (scheinbar) mathematischer Genauigkeit festzusetzen ist (vgl RIS-Justiz RS0113732). Es ist allerdings nicht vertretbar, ein unbegründetes Abweichen vom Bewahrungsgrundsatz des § 90 Abs 1 EheG durch eine gegenüber dem (unstrittigen) Aufteilungsschlüssel von 1:1 deutlich geringere Ausgleichszahlung rechtfertigen zu wollen. Damit würde zum Nachteil beider Parteien von einer den gesetzlichen Grundsätzen entsprechenden Aufteilung abgewichen. Das weitere Argument des Rekursgerichts, der Antragsgegner habe sich bei den Renovierungs- und Umbauarbeiten am Zinshaus mehr engagiert als die Antragstellerin, findet in den Feststellungen des Erstgerichts keine Deckung. Es ist daher auch dem Revisionsrekurs der Antragstellerin insoweit zu folgen, als nach der derzeit vorliegenden Sachverhaltsgrundlage eine Ausgleichszahlung, die deutlich vom Aufteilungsschlüssel 1:1 abweicht, nicht zu rechtfertigen ist.
4. Zusammenfassung:
Die Liegenschaft EZ 2225 GB ***** (*****, D*****straße 4) ist im Hinblick auf deren Qualität als Wertanlage genauso in die Aufteilung einzubeziehen wie der (restliche) Erlös aus dem Verkauf des Hauses *****, G*****straße 10. Ob der Antragsgegner aus Letzterem tatsächlich einen Zinsertrag erzielt hat, wird das Erstgericht durch entsprechende Feststellungen klarzustellen haben. Die Antragstellerin wird konkrete Umstände vorzutragen haben, die unter Berücksichtigung des Bewahrungsgrundsatzes allenfalls die Übertragung von Liegenschaftseigentum an sie zu rechtfertigen vermögen. Nach derzeit gegebener Sachlage wird sich die festzusetzende Ausgleichszahlung am Aufteilungsschlüssel 1:1 zu orientieren haben.
5. Revisionsrekursbeantwortungen:
Die Mitteilung über die Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung erhielten beide Parteien jeweils am zugestellt. Mit diesem Tag begann die Frist für die Revisionsrekursbeantwortungen zu laufen (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG). Diese Frist beträgt 14 Tage (§ 68 Abs 1 AußStrG) und endete folglich am . Die jeweils am eingebrachten Revisionsrekursbeantwortungen sind daher verspätet.
6. Kostenentscheidung:
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 AußStrG.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Gottfriede P*****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner Ernst P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink und Mag. Klaus Haslinglehner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 232/10z-70, mit dem infolge Rekurses des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 C 80/07m-64, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 5 Ob 221/10a, wird wie folgt berichtigt:
1. In dem im Übrigen unberührt bleibenden Spruch des Beschlusses hat es anstatt:
„Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsstellerin wird zurückgewiesen.“
richtig zu lauten:
„Die Revisionsrekursbeantwortungen beider Parteien werden zurückgewiesen.“
2. In der Beschlussbegründung hat
a) es auf Seite 8 anstatt:
„Nur die Antragstellerin machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung Gebrauch und beantragte in dieser, dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge zu geben, in eventu diesen zurückzuweisen.
Beide Revisionsrekurse sind zulässig, weil die Vorinstanzen Grundsätze der nachehelichen Aufteilung verkannt haben; beide Revisionsrekurse sind in ihren Aufhebungsanträgen auch berechtigt.
Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin ist verspätet.“
richtig zu lauten:
„Beide Parteien machten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung Gebrauch und beantragten in diesen jeweils, dem Revisionsrekurs des Gegners nicht Folge zu geben, in eventu diesen zurückzuweisen.
Beide Revisionsrekurse sind zulässig, weil die Vorinstanzen Grundsätze der nachehelichen Aufteilung verkannt haben; beide Revisionsrekurse sind in ihren Aufhebungsanträgen auch berechtigt.
Die Revisionsrekursbeantwortungen beider Parteien sind verspätet.“
b) in Seite 15 Punkt 5. anstatt:
„5. Revisionsrekursbeantwortung:
Die Mitteilung über die Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung erhielt die Antragstellerin am zugestellt. Mit diesem Tag begann die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung zu laufen (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG). Diese Frist beträgt 14 Tage (§ 68 Abs 1 AußStrG) und endete folglich am . Die am eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung ist daher verspätet.“
richtig zu lauten:
„5. Revisionsrekursbeantwortungen:
Die Mitteilung über die Freistellung einer Revisionsrekursbeantwortung erhielten beide Parteien jeweils am zugestellt. Mit diesem Tag begann die Frist für die Revisionsrekursbeantwortungen zu laufen (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG). Diese Frist beträgt 14 Tage (§ 68 Abs 1 AußStrG) und endete folglich am . Die jeweils am eingebrachten Revisionsrekursbeantwortungen sind daher verspätet.“
II. Der Antragsgegner hat die Kosten seines Ergänzungsantrags vom selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Berichtigung beruht auf § 41 AußStrG iVm §§ 430, 419 Abs 1 ZPO. Bei der berichtigten Entscheidung ist die - verspätete - Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners offenkundig versehentlich unberücksichtigt geblieben.
Die Entscheidung über die Kosten des Ergänzungsantrags des Antragsgegners beruht auf § 78 AußStrG. Die Berichtigung durch (ausdrückliche) Zurückweisung einer - verspäteten - Revisionsrekursbeant-wortung rechtfertigt keinen Kostenerfolg.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Familienrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00221.10A.0526.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAD-56329