OGH vom 14.01.2004, 7Ob289/03f

OGH vom 14.01.2004, 7Ob289/03f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivo da als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Martin G*****, vertreten durch Dr. Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 21.106,75 (sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 205/03h-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 10 Cg 175/02d-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 1.126,62 (darin enthalten EUR 187,77 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Rechtsnachfolgerin der E***** AG. Bei dieser (im Folgenden der Einfachheit halber als Klägerin bezeichnet) hatte Christina Maria M***** (in der Folge Fahrzeughalterin oder Versicherungsnehmerin genannt) für ihren PKW der Marke Landrover eine Kaskoversicherung abgeschlossen, der ua die Allgemeinen Bedingungen für die Fahrzeug-Kaskoversicherung (AFIB/GEN 96) und die Allgemeinen Bedingungen für die Fahrzeug-Kaskoversicherung der E***** AG 1996 (AKB/EA 96) zugrundegelegt wurden. Art 5.3.1 AFIB/GEN 96 bestimmt als Obliegenheit im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG unter anderem, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen. Nach Art 10.2 AFIB/GEN 96 gelten alle für den Versicherungsnehmer getroffenen Bestimmungen sinngemäß auch für Versicherte und jene Personen, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen und sind diese Personen neben dem Versicherungsnehmer ua für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.

Art 6 AKB/EA 96 lautet:

Einschränkung des Regressrechtes des Versicherers

§ 67 VersVG 1958 findet gegenüber dem berechtigten Lenker bzw berechtigten Insassen nur dann Anwendung, wenn auch einem Versicherungsnehmer (als Fahrzeuglenker und Insassen) bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre. Als berechtigter Lenker bzw berechtigter Insasse gelten Personen, die mit Willen des Versicherungsnehmers oder des über das Fahrzeug Verfügungsberechtigten das Fahrzeug lenken oder damit befördert werden.

Die 1953 geborene Versicherungsnehmerin und der 1960 geborene Beklagte, die beide geschieden sind, wohnen seit April 2001 gemeinsam in einer Mietwohnung in I*****, ohne dort polizeilich gemeldet zu sein oder ein entsprechendes gemeinsames Türschild zu haben. Sie bestreiten seit Mai 2001 auch ihren Lebensunterhalt insofern gemeinsam, als die jeweils notwendigen Aufwendungen für Wohnung, Nahrungsmittel etc "abwechselnd" bezahlt werden, ohne dass diesbezüglich irgendeine wechselseitige Verrechnung stattfindet. Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Beklagten besteht auch eine Geschlechtsgemeinschaft. Von Ende November bis Anfang Mai jeden Jahres betreibt die Versicherungsnehmerin in Is***** ein Hotel und wohnt dann auch dort. Der Beklagte verbringt dann zumindest jeweils die Wochenenden bei ihr. Ihre Verbindung, die nach ihrem Willen auf Dauer angelegt ist, geben der Beklagte und die Versicherungsnehmerin auch insofern nach außen hin zu erkennen, dass der Beklagte die Versicherungsnehmerin etwa seinen Bekannten und Freunden als seine Lebensgefährtin vorstellt; die Bekannten und Freunde wissen auch, dass die beiden abwechselnd die Wohnungen in I***** bzw in Is***** bewohnen.

Am geriet der Beklagte, der mit Wissen und Willen der Fahrzeughalterin/Versicherungsnehmerin deren PKW Landrover lenkte, auf der B177 im Gemeindegebiet von S***** im Bereich einer Linkskurve über den rechten Fahrbahnrand hinaus, worauf sich das Fahrzeug überschlug und beschädigt wurde. Gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten lehnte der Beklagte, der Alkoholisierungssymptome zeigte, die Vornahme eines Alkotests ab, was zur rechtskräftigen Verhängung einer Verwaltungsstrafe über den Beklagten gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO führte.

Die Klägerin leistete an ihre Versicherungsnehmerin eine Entschädigung von EUR 21.106,72 und begehrt diesen Betrag vom Beklagten im Regressweg ersetzt, wobei sie sich ua ausdrücklich auch auf Art 6 AKB/EA 96 stützte.

Der Beklagte wendete ein, der Lebensgefährte der Versicherungsnehmerin zu sein, weshalb ein Regress gemäß § 67 Abs 2 VersVG ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang (neuerlich) statt. Den von ihm festgestellten, bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, § 67 Abs 2 VersVG komme nicht zur Anwendung. Zu den "in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen" im Sinne dieser Gesetzesstelle zählten zwar auch Lebensgefährten. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles seien die Versicherungsnehmerin und der Beklagte aber nicht als Lebensgefährten anzusehen gewesen, weil ihre Wohngemeinschaft mangels einer gemeinsamen Meldeanschrift und eines gemeinsamen Türschildes sich nicht entsprechend nach außen hin manifestiert habe. Aber selbst wenn man eine Lebensgemeinschaft bejahen würde, wäre für den Beklagten nichts gewonnen, weil nach Art 6 AKB/EA 96 dann, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber Leistungsfreiheit einwenden hätte können, auch die Ausnahmebestimmung des § 67 Abs 2 VersVG nicht anzuwenden sei. Wäre die Versicherungsnehmerin selbst die Fahrzeuglenkerin gewesen, hätte die Klägerin ihr gegenüber infolge der Verletzung der Obliegenheit, alles Zweckdienliche zur Aufklärung des Unfallereignisses beizutragen, wie etwa auch die Durchführung eines Alkotestes, Leistungsfreiheit einwenden können. Dass er seine Mitwirkungspflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt habe oder dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung über den Umfang der Leistungspflicht einen Einfluss gehabt habe, sei vom Beklagten weder behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Die Regressforderung der Klägerin sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die maßgeblichen Kriterien für eine Lebensgemeinschaft der Versicherungsnehmerin mit dem Beklagten, nämlich Eheähnlichkeit, Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft mit einer gewissen Dauer lägen vor. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei daher davon auszugehen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Unfallsereignisses zwischen dem Beklagten und der Versicherungsnehmerin eine Lebensgemeinschaft bestanden habe und es sich somit beim Beklagten um einen mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen iSd § 67 Abs 2 VersVG handle. Die Bestimmung des § 67 Abs 2 VersVG, wonach ein Forderungsübergang ausgeschlossen sei, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richte, diene grundsätzlich nicht dem Schutz der Familienangehörigen, sondern dem Schutz des Versicherungsnehmers, weil der Rückgriff gegen einen Angehörigen, mit dem er den Haushalt teile, typischerweise auch auf ihn finanziell - wenigstens teilweise - durchschlage, was aber den Versicherungsschutz entwerten würde. Gemäß § 68a VersVG könne sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, die ua von der Vorschrift des § 67 VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweiche, nicht berufen, sodass schon aus diesem Grund Art 6 AKB/EA 96 nicht die in § 67 Abs 2 VersVG normierte Begünstigung einzuschränken vermöge. Abgesehen davon könne sich die Bestimmung des Art 6 AKB/EA 96 nur auf § 67 Abs 1 VersVG beziehen, nach welcher der Versicherer infolge Legalzession alle Ansprüche des Versicherungsnehmers gegenüber dem schadensverursachenden Dritten geltend machen könne, weil durch Art 6 AKB/EA 96 eine Einschränkung, also ein teilweiser Regressverzicht des Versicherers erfolge. Bei Angehörigen iSd § 67 Abs 2 VersVG, welche den Schaden nicht vorsätzlich verursacht haben, erfolge nicht einmal eine Legalzession des Schadenersatzanspruches des Versicherungsnehmers, sodass ein teilweiser Verzicht des Versicherers auf Regress gegenüber schadensverursachenden Familienangehörigen denkunmöglich und widersinnig wäre. Der Beklagte, der weder Versicherungsnehmer noch Versicherter in der Kaskoversicherung sei, sondern Dritter, sei daher weder vertraglich zur Erfüllung von Obliegenheiten verpflichtet gewesen, noch habe es seinerseits der Erfüllung von Obliegenheiten bedurft, damit der vom Versicherer in Art 6 AKB/EA 96 erklärte Regressverzicht zum Tragen komme. Vielmehr scheide ein Regress des Versicherers gegenüber ihm als in häuslicher Gemeinschaft mit der Versicherungsnehmerin lebenden Familienangehörigen schon grundsätzlich nach der einseitig zwingenden Bestimmung des § 67 Abs 2 VersVG aus, weil ein Regress nur wiederum die Versicherungsnehmerin - ganz oder teilweise - treffen würde.

Zur Begründung seines Ausspruches der Zulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, zum Verhältnis des § 67 Abs 2 VersVG mit einem vom Versicherer erklärten Regressverzicht iSd Art 6 AKB/EA 96 fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung; dieser Frage komme Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, zumal der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 35/89 die Frage, ob einen Angehörigen iSd § 67 Abs 2 VersVG ungeachtet des Umstandes, dass er in der Kaskoversicherung nicht Mitversicherter sei, nicht dennoch die Pflicht zur Erfüllung vereinbarter Obliegenheiten trifft, weil er im Ergebnis von seiner Leistungspflicht befreit wird, ausdrücklich offen gelassen habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben (also das Ersturteil wiederhergestellt) werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Klägerin entweder - als unzulässig - zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, da eine klärende Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes angezeigt erscheint, zwar zulässig; sie ist aber - im Ergebnis - nicht berechtigt.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsansichten des Berufungsgerichtes, die Versicherungsnehmerin und der Beklagte seien - im maßgeblichen Zeitpunkt des Versicherungsfalles - Lebensgefährten gewesen und der Klägerin stehe daher gemäß § 67 Abs 2 VersVG kein Regressanspruch gegen den Beklagten zu. Richtig an den betreffenden Ausführungen der Revisionswerberin sind die - erkennbaren ("Hintertür") - Bedenken gegen die vom Berufungsgericht wiederholt geäußerte Auffassung, der Beklagte sei als nicht Mitversicherter der Klägerin nicht zur Erfüllung von Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet gewesen:

Es ist zwar zutreffend, dass in der Kaskoversicherung, die nur der Versicherung der Eigeninteressen an der Erhaltung der betreffenden Sache (hier des PKW) dient, der auf Grund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer zur Benützung der Sache Berechtigte grundsätzlich nicht mitversichert, sondern Dritter iSd § 67 VersVG ist (SZ 59/214 und VR 1993/308, jeweils mwN). Verursacht daher der Lenker schuldhaft eine Beschädigung des Fahrzeuges, steht dem Versicherungsnehmer gegen ihn ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf den Versicherer übergeht, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Versicherer kann jedoch auf das Regressrecht nach § 67 Abs 1 VersVG verzichten. Dies ist für den Bereich der Fahrzeug-Kollisions-Kaskoversicherung geschehen. Nach dem (mit Art 6 KKB 1986 und Art 10 AKKB 1995 wortgleichen) Art 6 AKB/EA 96 verzichtet der Versicherer auf den Regress gegen den berechtigten Lenker außer in jenen Fällen, in denen auch gegenüber dem Versicherungsnehmer als Fahrzeuglenker Leistungsfreiheit bestanden hätte. Als "berechtigter Lenker" werden Personen definiert, die mit dem Willen des Versicherungsnehmers oder des über das Fahrzeug Verfügungsberechtigten das Fahrzeug lenken.

Ein solcher Verzicht zu Gunsten des berechtigten Lenkers befreit diesen vom Risiko, vom Versicherer zum Ersatz des von ihm verursachten Schadens herangezogen zu werden. Die auf die Versicherung eigener Sachen gerichtete Versicherung des Versicherungsnehmers umfasst in einem solchen Fall auch eine "Fremdversicherung". Der Verzicht zu Gunsten des Schädigers ist nichts anderes als eine Form der - wenn auch nur teilweisen - Mitversicherung des Sachersatzinteresses dieses Schädigers (7 Ob 3/90, VR 1990, 312/221 = VersR 1991, 87 = ZVR 1991, 119/41 = SZ 63/28; 7 Ob 1/93, SZ 66/19 = VersR 1993, 1301 = ZVR 1994, 87/31; 7 Ob 128/97t, ZVR 1998, 87/31 = VersR 1999, 102 = Ertl,ecolex 1999, 452; RIS-Justiz RS0081382; Martin SVR3 J I 11; Prölss in Prölss/Martin VVG26 § 67 Rn 13). Kommt dem berechtigten Lenker aber insoweit die Stellung gleich eines Mitversicherten zu, gelangt auch Art 10.2 AFIB/GEN 96 zur Anwendung, wonach alle für den Versicherungsnehmer geltenden Bestimmungen sinngemäß ua auch für Versicherte gelten und diese neben dem Versicherungsnehmer für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich sind (vgl 7 Ob 3/90 mwN).

Dass im vorliegenden Fall zufolge der Verweigerung eines Alkomat-Testes durch den Beklagten die Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, verletzt wurde, stellt im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt mehr dar. Auf Grund dieser - nach Lage der Dinge vorsätzlichen - Obliegenheitsverletzung wäre Leistungsfreiheit der Klägerin eingetreten. Da bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit auch der Versicherungsnehmerin einzuwenden gewesen wäre, wenn sie selbst das Fahrzeug gelenkt hätte, findet nach Art 6 AKB/EA 96 § 67 VersVG Anwendung, dh der Klägerin stünde grundsätzlich nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle ein Regressanspruch gegen den Beklagten als Schädiger zu, zumal der Forderungsübergang nach § 67 Abs 1 VersVG bloß die tatsächliche Leistung an den Versicherungsnehmer im Rahmen des versicherten Risikos ohne Rücksicht darauf voraussetzt, ob eine Leistungspflicht bestand (7 Ob 29/84, ZVR 1986/7; 7 Ob 56/87, VersE 1365 = VR 1989/137; 7 Ob 263/97w, VersE 1757; 7 Ob 214/97w, VersE 1725; VR 1999/488; Prölss in Prölss/Martin VVG26 § 67 Rz 20 mwN). § 67 VersVG greift also grundsätzlich auch dann ein, wenn der Versicherer bei irrtümlicher Leistung einen Regressanspruch gegen den Versicherungsnehmer hat (7 Ob 25/84, VersE 1201 = VersR 1986, 200). Der Versicherer kann sich in einem solchen Fall entscheiden, ob er sich auf seine Leistungsfreiheit beruft und die irrtümliche Zahlung im Wege der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt (§ 1431 ABGB) oder ob er den Regressanspruch gegen den Dritten verwertet (Baumann in BK § 67 VVG Rz 83 mwN).

Der klagenden Partei steht demnach gemäß Art 6 AKB/EA 96 grundsätzlich ein Regressanspruch nach Abs 1 des § 67 VersVG zu, weshalb sich weiters die Frage stellt, ob in einem solchen Fall der Regresspflicht des Lenkers das "Familienprivileg" des Abs 2 leg cit zur Anwendung kommen kann. Danach wäre bzw bliebe der Anspruchsübergang auf den Versicherer ausgeschlossen, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richtet. Zu diesen privilegierten Familienangehörigen zählt nach hM auch der Lebensgefährte des Versicherungsnehmers (Baumann aaO § 67 Rz 162 mwN; Grubmann VersVG5 § 67 E 157 mwN; RIS-Justiz RS0081404).

Die Geltung des "Familienprivilegs" des § 67 Abs 2 VersVG muss zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes in einem Fall wie dem vorliegenden nicht schon deshalb bejaht werden, weil nach § 68a VersVG Abweichungen von § 67 VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers sind, die Vorschrift somit halbzwingend ist (Baumann aaO Rz 189 ua). § 67 Abs 2 VersVG hat nach hM einen doppelten Normzweck: Zum einen soll verhindert werden, dass durch den Regress gegen den Angehörigen der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen wird; es soll vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer am Ende den Schaden doch aus eigener Tasche bezahlen muss (7 Ob 5/95, SZ 68/107 = RIS-Justiz RS0048311; RIS-Justiz RS0081412). Zweitens soll generell der Familienfrieden erhalten werden, der gestört werden würde, wenn Streitigkeiten über die Verantwortung der Schadenszufügung ausgetragen werden müssten (BGH VersR 1971, 901, 902; Baumann aaO Rz 150). Ist nun der Versicherer zufolge Obliegenheitsverletzung leistungsfrei, muss der Versicherungsnehmer - wie bereits ausgeführt wurde - ohnehin gewärtig sein, selbst gemäß § 1431 ABGB zum Rückersatz aufgefordert zu werden (wobei dieser Anspruch einer 30-jährigen Verjährungszeit unterliegt - 7 Ob 78/71; ZVR 1971/257; 7 Ob 8/78; SZ 51/32 ua). Macht der Versicherer hingegen - wie hier - einen Regressanspruch gegen den Beklagten als Schädiger geltend, muss dies (anders als im Fall seiner Leistungspflicht, in dem der Versicherungsnehmer durch das Familienprivileg nur profitieren bzw jedenfalls nicht benachteiligt werden kann) für den Versicherungsnehmer nicht unbedingt als nachteilig angesehen werden.

Der Ansicht, das Privileg des § 67 Abs 2 VersVG sei (auch) im Falle des Art 6 AKB/EA 96 zu beachten, ist aber im Hinblick auf den Wortlaut dieser Versicherungsbedingung gleichwohl beizutreten: Den zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen entwickelten Grundsätzen folgend ist Art 6 AKB/EA 96 nach Vertragsauslegungsregeln aus dem Blickwinkel eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0050063) objektiv unter Beschränkung auf seinen Wortlaut (RIS-Justiz RS0008901) zweckorientiert (7 Ob 147/00v mwN uva) zu interpretieren. Richtig hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass das Familienprivileg des § 67 Abs 2 VersVG nur dann zum Tragen kommen kann, wenn überhaupt ein Regressrecht nach Abs 1 leg cit besteht. Eine Auslegung des Art 6 AKB/EA 96 dahin, dass damit nicht nur eine Beschränkung des Regresses gegenüber dem berechtigten Lenker beabsichtigt werde, sondern im Regressfall auch die Anwendung des § 67 Abs 2 VersVG ausgeschlossen werden solle, stünde aber mit den dargestellten Auslegungsgrundsätzen nicht im Einklang, zumal die Formulierung der betreffenden Versicherungsbedingung einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer keinen Anhaltspunkt für eine derartige Interpretation bietet. Ist der Schädiger ein Familienangehöriger iSd § 67 Abs 2 VersVG, hat der Versicherer das erwähnte Wahlrecht demnach nicht; er kann einen Rückforderungsanspruch nur gegen den Versicherungsnehmer geltend machen.

Ausgehend demnach von der Anwendbarkeit des § 67 Abs 2 VersVG im vorliegenden Fall, ist prozessentscheidend, ob der Beklagte im maßgebenden Zeitpunkt des Schadensfalles (SZ 45/125 ua) der Lebensgefährte der Versicherungsnehmerin war und damit zu den privilegierten Familienangehörigen iSd § 67 Abs 2 VersVG gehörte.

Dies hat das Berufungsgericht im Einklang mit der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur zutreffend bejaht: Lebensgemeinschaft, die als eheähnlicher Zustand definiert wird, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (3 Ob 209/99b ua), setzt nach stRsp im Allgemeinen die Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei jedoch nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen (RIS-Justiz RS0047000 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die dies in Abrede stellenden Ausführungen der Revisionswerberin gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus; insofern ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die Bedenken des Erstgerichtes, die Lebensgemeinschaft der Versicherungsnehmerin und des Beklagten manifestiere sich nicht hinreichend nach außen, sind unberechtigt; auf die in diesem Zusammenhang vermisste polizeiliche Meldung in der gemeinsamen Wohnung und ein entsprechendes Türschild kommt es nicht an.

Der Umstand, dass der Beklagte als Lebensgefährte der Versicherungsnehmerin ein mit dieser in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger iSd § 67 Abs 2 VersVG ist, schließt nach dieser Gesetzesstelle einen Übergang des Ersatzanspruches der Versicherungsnehmerin gegen den Beklagten an die Klägerin aus. Ist der Übergang der Ersatzforderung des Versicherungsnehmers auf den Versicherer nach § 67 Abs 2 VersVG ausgeschlossen, kann der Versicherer aber auch nicht nach § 1042 ABGB gegen den Schädiger Regress nehmen (EvBl 1963, 266/182 = ZVR 1963, 213/211 = SZ 35/124 = VersR 1964, 1035 [Wahle]; JBl 1983, 202; ZVR 1985/7; RIS-Justiz RS0020140). Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb die Revision erfolglos bleiben muss.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.