OGH vom 15.12.2009, 5Ob220/09b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Lovrek, Dr. Veith und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjähriger Sebastian S*****, geboren am *****, vertreten durch Sebastian K*****, beide *****, dieser vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Räumung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 29/09b-24, mit dem infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom , GZ 8 C 806/07k-19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil wie folgt zu lauten hat:
„I. Die Klagebegehren,
1. es werde festgestellt, dass
a) die im Übergabsvertrag vom geschlossene Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten, wonach dem Beklagten das unentgeltliche Wohnungsrecht am gesamten Wohnhaus auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit der Liegenschaftsadresse *****, samt Benützung von Garten und Gemüsegarten auf dessen Lebenszeit eingeräumt wurde, aufgehoben sei,
b) das zu Gunsten des Beklagten zu C-LNR 9a eingetragene Wohnrecht und das zu C-LNR 10a eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten des Beklagten, beides in EZ ***** KG *****, zu löschen seien, und
2. der Beklagte schuldig sei, das auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, gelegene Wohnhaus sowie den dazu gehörigen Garten binnen drei Monaten zu räumen und dem Kläger geräumt von Fahrnissen des Beklagten zu übergeben,
werden abgewiesen.
II. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.179,24 EUR bestimmten Prozesskosten (darin 196,54 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.117,16 EUR (darin 467 EUR Barauslagen und 108,36 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 74,60 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der minderjährige, im Jahre 1993 geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten.
Mit Übergabsvertrag vom übergaben die väterlichen Großeltern dem damals drei Jahre alten Kläger ihre Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit dem Haus *****. Zugleich erhielt der Beklagte ein unentgeltliches Wohnungsrecht am gesamten Wohnhaus samt dem Recht der Mitbenützung von Garten und Gemüsegarten eingeräumt und dem Übernehmer wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot auferlegt. Der Beklagte verpflichtete sich, sämtliche mit dem Besitz der Liegenschaft verbundenen Lasten und Abgaben bis zum Erreichen der Volljährigkeit seines Sohnes ohne Anspruch auf Rückersatz zu tragen.
Das Wohnungsrecht sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot sind verbüchert.
Der Beklagte bezahlte in der Folge Grundsteuer und Hausabgaben unregelmäßig, sodass ein Rückstand von 3.181,60 EUR anlief, den der Beklagte - nach Klagseinbringung - zur Gänze beglich.
Zunächst lebte der minderjährige Kläger mit seiner Mutter und dem Beklagten im Haus. Die Mutter des Klägers verstarb 1998. Fortan lebte der Kläger mit dem Beklagten und ab 1999 auch mit dessen Lebensgefährtin und deren Tochter im Haus.
Der Beklagte war wegen seiner Alkoholkrankheit nicht in der Lage, für den Kläger verantwortungsvoll zu sorgen, was zu dessen emotionaler und psychischer Vernachlässigung führte. Der Beklagte ging auch gewalttätig gegen den Kläger vor, worauf dieser zunächst auf einem Pflegeplatz untergebracht wurde. Im Jahr 2004 wurde dem Beklagten die Obsorge entzogen und den mütterlichen Großeltern übertragen, bei denen der Kläger seither lebt.
Der Beklagte kommt der ihm rechtskräftig auferlegten Verpflichtung, dem Kläger einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 135 EUR zu bezahlen, nicht freiwillig nach. Dem Kläger wurde daher ein Unterhaltsvorschuss bewilligt, der vom Beklagten monatlich exekutiv hereingebracht wird. Der Beklagte bezieht eine Witwerpension von 250 EUR und eine Ausgleichszulage. Er verfügt abzüglich der einbehaltenen Unterhaltsschulden über ein monatliches Nettoeinkommen von 544,50 EUR.
Vor vier Jahren unterzog sich der Beklagte einer Alkoholentzugstherapie und er ist seither beim AMS als arbeitssuchend gemeldet.
Zwischen Kläger und Beklagten besteht kein Kontakt. Weder besucht der Beklagte den Kläger noch übermittelt er ihm Geschenke oder Geburtstags- oder Weihnachtsgrüße.
Das vom Beklagten bewohnte Einfamilienhaus befindet sich außen und innen in einem optisch sauberen und gepflegten Zustand, größere Schäden an der Substanz sind mit freiem Auge nicht erkennbar.
Der Beklagte nahm verschiedene Baumaßnahmen am Haus vor und zwar:
Betonierung eines Teilbereichs des Kellers,
Errichtung eines Sanitärbereichs mit Dusche und WC im Erdgeschoß,
Verlegung von Laminatböden in mehreren Räumen,
Einbau einer Terrassentür,
Einbau eines zweiten Fensters der Küche,
Entfernung und Zumauerung eines Fensters im Bereich der Nordseite,
Anbringung von neuen Heizkörpern in diversen Räumen,
Trockenausbau inklusive Isolation eines Zimmers im Obergeschoß,
Schleifung und Neuverputz im Inneren des Kamins,
Anbringung eines neuen Foliendachs am Nebengebäude.
In der mündlichen Streitverhandlung am übernahm der Beklagte in Abänderung des Übergabsvertrags vom , wonach der Kläger ab dem vollendeten 18. Lebensjahr sämtliche mit der Liegenschaft verbundene Kosten selbst zu tragen hätte, die Verpflichtung, auch nach jenem Zeitpunkt sämtliche mit dem Besitz der Liegenschaft verbundenen Lasten und Abgaben einschließlich sämtlicher Strom-, Heiz- und sonstiger Verbrauchskosten der Liegenschaft selbst zu tragen und den Kläger auch nach Erreichung dessen Volljährigkeit diesbezüglich schad- und klaglos zu halten, solange der Beklagte auf der Liegenschaft sein Wohnrecht ausübe.
Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage - ohne Behauptung einer zuvor erfolgten Vertragsaufhebungserklärung - die Feststellung, das unentgeltliche, lebenslange Wohnungsrecht des Beklagten sei aufgehoben, das zu Gunsten des Beklagten eingeräumte Belastungs- und Veräußerungsverbot sei zu löschen und der Beklagte sei schuldig, Wohnhaus und Garten geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Anspruchsbegründend brachte der Kläger vor, dass der Beklagte seiner im Übergabsvertrag übernommenen Verpflichtung zur Zahlung der Abgaben und Steuern nur unregelmäßig und unvollständig nachgekommen sei, weshalb im Lastenblatt der Liegenschaft Zwangspfandrechte in Höhe von 11.475,52 EUR zu Gunsten des Magistrats der Stadt Graz und in Höhe von 702,95 EUR zu Gunsten der Stadt Graz einverleibt worden seien. Bei Klagseinbringung habe davon noch ein Betrag von 3.181,60 EUR unberichtigt ausgehaftet. Der Beklagte sei finanziell nicht in der Lage, das Haus zu erhalten und die Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben zu bezahlen. Darüber hinaus sei das Vertrauensverhältnis des Klägers zum Beklagten aufgrund seines massiv pflichtwidrigen Verhaltens, welches zum Obsorgeentzug geführt habe, und auch deshalb gestört, weil er seiner Unterhaltspflicht nicht nachkomme und auch keinen persönlichen Kontakt zum Kläger pflege. Den Vereinbarungen im Übergabsvertrag sei zugrunde gelegen, dass der Beklagte die Obsorge für den Kläger innehabe und sich ihm gegenüber ordnungsgemäß verhalte. Diese Vertragsgrundlage sei weggefallen. Das Ausnützen der dem Beklagten eingeräumten Rechtsposition zu Lasten des Klägers mache diesem die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses unzumutbar.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Er habe kein Verhalten gesetzt, das die Aufhebung des ihm eingeräumten Wohnungsrechts rechtfertigte. Es treffe zwar zu, dass er diverse, das Haus betreffende Zahlungen unregelmäßig geleistet habe, mittlerweile seien aber sämtliche Rückstände beglichen. Die Gründe, die der Kläger für den Vertrauensverlust angegeben habe, seien ebenso wenig wie seine Säumigkeit mit Unterhaltszahlungen oder die strafrechtliche Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber einem anderen Kind geeignet, die Auflösung des Vertrags zu begründen. Er befinde sich in einer schwierigen finanziellen Situation, die Wohnmöglichkeit im Haus sei der einzige Fixpunkt seines Lebens. Er sei bestrebt, seinen Verpflichtungen nachzukommen und habe Renovierungsarbeiten am Haus vorgenommen, die sogar zu einer Aufwertung der Liegenschaft geführt hätten. Darüber hinaus habe er sich ausdrücklich verpflichtet, während der gesamten Dauer der Ausübung seines Wohnrechts sämtliche mit dem Besitz der Liegenschaft verbundenen Lasten und Betriebskosten auch nach Volljährigkeit des Klägers selbst zu tragen. Die Auflösung eines dinglichen Wohnungsrechts komme stets nur als „äußerstes Notventil" in Frage, wobei die Gründe hiefür bei weitem größeres Gewicht haben müssten als jene, die allgemein zur Auflösung von Dauerschuldverhältnissen genügten.
Das Erstgericht gab ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen dem Klagebegehren statt. Es erkannte rechtlich, dass ein auf Lebensdauer eingeräumtes Wohnrecht nur aus wichtigen Gründen, gleichsam als äußerstes Notventil vorzeitig aufgelöst werden könne und auch nur von demjenigen, der für das Auftreten der Misshelligkeiten nicht allein oder überwiegend verantwortlich sei. Es sei eine umfassende Abwägung des Bestandsinteresses der einen Seite und des Auflösungsinteresses der anderen Seite vorzunehmen. Dabei sei dem Beklagten ein erhebliches Interesse am Weiterbestand des ihm von seinen Eltern eingeräumten lebenslangen Wohnrechts zuzugestehen, weil dieses angesichts des geringen Einkommens des Beklagten in hohem Maß seiner Existenzsicherung diene. Dem stehe gegenüber, dass sich der Beklagte dem Kläger gegenüber, dem die Liegenschaft seinerzeit offenbar (ebenfalls) zu dessen Existenzsicherung übertragen worden sei, derart krass pflichtwidrig verhalten habe, dass ihm sogar die Obsorge entzogen worden und ein weiterer Verbleib des Klägers in seinem Haus nicht mehr möglich gewesen sei. Auch nach Obsorgeentziehung habe der Beklagte sein pflichtwidriges Verhalten fortgesetzt, indem er seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen sei, zu diesem keinerlei Kontakte gepflegt und über einen langen Zeitraum nicht einmal die laufenden Kosten für das Haus des Klägers bezahlt habe. Vor diesem Hintergrund sei eine Rückkehr des Klägers in sein Haus unzumutbar. Der Kläger könne keinerlei Nutzen aus seinem Eigentum ziehen, was objektiv betrachtet einen unerträglichen Eingriff in dessen Rechte als Liegenschaftseigentümer darstelle. Berücksichtige man überdies, dass der Kläger als Minderjähriger besonders schutzwürdig sei, wohingegen es dem Beklagten zumutbar sei, sich aus eigenen Kräften um eine adäquate Wohnversorgung zu kümmern, ergebe die vorzunehmende Interessensabwägung eindeutig den Vorrang des Auflösungsinteresses des Klägers.
Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Begründung des Erstgerichts und erachtete die dagegen erhobenen Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO). Die Feststellungen rechtfertigten die Annahme der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für den Kläger. Als wichtiger Auflösungsgrund sei zu bejahen, dass ein gedeihliches Zusammenleben der Vertragspartner nicht mehr möglich sei. Auch die vom Erstgericht vorgenommene Abwägung der gegenteiligen Interessen billigte das Berufungsgericht. Dem Argument, der Kläger könne aus der Beendigung des Wohnrechts keinen unmittelbaren Nutzen ziehen, während der Beklagte der Obdachlosigkeit preisgegeben sei, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass durch Aufhebung des Wohnrechts des Beklagten dem Kläger ermöglicht werde, durch eigene Wohnversorgung, Vermietung oder Verkauf Nutzen aus dem ihm zur Sicherung seiner Existenz übertragenen Eigentum zu ziehen. Der Beklagte hingegen, der nach seinen eigenen Ausführungen seit seiner Entziehungskur keinen Alkohol mehr trinke und sein Leben wieder im Griff habe, könne sich selbst eine Wohnversorgung schaffen. Das Auflösungsinteresse des Klägers erscheine daher weitaus beachtlicher als das Bestandinteresse des Beklagten.
Dass der Beklagte ausdrücklich eine Übernahme der mit der Liegenschaft verbundenen Lasten und Abgaben sowie der Betriebskosten erklärt habe, solange er sein Wohnrecht ausübe, sei angesichts seiner angespannten finanziellen Situation zweifelhaft und ändere nichts daran, dass der Kläger jedenfalls den Erhaltungsaufwand des Hauses zu tragen hätte, ohne einen Nutzen aus seinem Eigentum ziehen zu können.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.
Der Kläger hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, Gebrauch gemacht, und darin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen in Überschreitung des ihnen zukommenden Beurteilungsspielraums von Rechtsprechungsgrundsätzen zur Auflösbarkeit von dinglichen Wohnungsrechten abgewichen sind; die Revision des Beklagten ist auch berechtigt.
Im ABGB ist ein Erlöschen eines dinglichen Wohnrechts aus wichtigen Gründen nicht ausdrücklich vorgesehen. Im Weg der Analogie hat die Rechtsprechung - der Lehre folgend - eine außerordentliche Aufkündigung auch solcher Rechtsverhältnisse - allerdings nur aus sehr schwerwiegenden Gründen, gleichsam als äußerstes Notventil zur Beseitigung eines unzumutbaren Zustands - bejaht (vgl RIS-Justiz RS0011875; 8 Ob 569/92 = NZ 1994, 20; 9 Ob 233/01g = immolex 2002/99, 245 = MietSlg 54.051; 7 Ob 287/02k = immolex 2003/192, 341 = MietSlg 55.056). Die Auflösung von verbücherten und daher auf eine stärkere Bindung abzielenden Wohnungsrechten erfordert, dass die dafür in Betracht kommenden Gründe ein noch größeres Gewicht haben müssen als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen allgemein genügen (vgl 4 Ob 189/99v = MietSlg 51.165; 9 Ob 233/01g = immolex 2002/99, 245 = MietSlg 54.051; 1 Ob 2392/96p = MietSlg 48.029; 6 Ob 48/99y; RIS-Justiz RS0011519; RS0011875 [insb T 7]; RS0018813).
Als wichtige Gründe kommen allgemein für die Auflösbarkeit von Dauerschuldverhältnissen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Schuldners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen (RIS-Justiz RS0027780; RS0018305 [T57]). Die Rechtsprechung anerkennt, dass ein Vertrag gelöst werden darf, wenn die objektive (typische) Geschäftsgrundlage, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbindet, weggefallen und damit der im Vertragsinhalt zum Ausdruck gebrachte, von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck dauerhaft und nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist (vgl 8 Ob 60/70 = SZ 43/63 = MietSlg 22.611/13; 1 Ob 711/79 = MietSlg 31.223).
Auch wenn dies hier nicht ausdrücklich festgestellt ist, geht doch - wie allgemein bei solchen Verträgen - aus der Tatsache des Übergabsvertrags an den Enkel und der Dienstbarkeitsbestellung für den Sohn der rechtliche Zweck der Sicherung der Existenz beider Berechtigter mit ausreichender Deutlichkeit hervor (vgl 8 Ob 569/92 = NZ 1994, 20; 4 Ob 189/99v = MietSlg 51.165). Es ist also zugrundezulegen, dass die Rechtsbegründung für den Beklagten, wie das Erstgericht übrigens auch annahm, dessen existentieller Sicherung durch Wohnversorgung diente und die Eigentumsübertragung an den Kläger allgemein dessen finanzieller Sicherung. Ein zugrundegelegener Vertragszweck dahin, der Vater werde mit dem Sohn ständig gemeinsam im Haus wohnen, lässt sich den Feststellungen dagegen nicht entnehmen, auch wenn dies im Zeitpunkt der Rechtsbegründung der Fall war.
Die Vorinstanzen haben aus dem Umstand, dass der damals alkoholkranke Beklagte nach dem Tod seiner Gattin nicht in der Lage war, seinen Obsorgepflichten gegenüber dem damals dreijährigen Kläger nachzukommen, er den Kläger auch misshandelt hat, was zum Entzug der Obsorge führte, und dem Fehlen jeglicher Kontakte zwischen Vater und Sohn den Schluss gezogen, dass das Vertrauen des Klägers in seinen Vater erschüttert sei. Dies mag für das Eltern-Kind-Verhältnis zutreffen; mit dem zwischen den Parteien bestehenden Servitutsrechtsverhältnis hat dies allerdings unmittelbar nichts zu tun. Dass der Wegfall der Vertrauensbasis dazu berechtigt, ein Dauerschuldverhältnis aufzulösen, setzt voraus, dass ein Bezug zum konkreten Dauerschuldverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0018305 [T50]). Ein problematisches Eltern-Kind-Verhältnis reicht als wichtiger Grund auch dann nicht aus, von der Unhaltbarkeit des Wohnrechts auszugehen, wenn dieses - vor Jahren - dazu führte, dass der Kläger das Haus verließ und nun bei seinen Großeltern lebt. Derzeit gibt es zwischen den Parteien keine Berührungspunkte im täglichen Leben, bei denen das (allenfalls noch) problematische Eltern-Kind-Verhältnis ins Gewicht fallen könnte. Der Kläger hat mittlerweile das 16. Lebensjahr erreicht. Die Ereignisse, die zum Entzug der Obsorge führten, liegen Jahre zurück. Dem Beklagten ist darin Recht zu geben, dass schon wegen der notwendigen Prüfung der Unhaltbarkeit des derzeitigen Zustands grundsätzlich nur Umstände herangezogen werden können, die im Zeitpunkt der Auflösungserklärung vorliegen (vgl 1 Ob 524/85 = MietSlg 37.179). Dass die vom Beklagten in der Vergangenheit gesetzten Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis heute - vor allem aber bei Erreichen der Volljährigkeit des Klägers und damit bei Beendigung des Obsorgeverhältnisses - eine Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Wohnungsrechts des Beklagten indizierten, ist den erstgerichtlichen Feststellungen nicht zu entnehmen.
Soweit für die Auflösung des Vertragsverhältnisses Zahlungsverzüge des Beklagten mit Bewirtschaftungskosten und insoweit Vertragsverletzungen herangezogen wurden, verweist der Beklagte in seiner Revision zutreffend auf die der Entscheidung 4 Ob 532/91 (= JBl 1992, 187 = NZ 1992, 112 = MietSlg 43.015) zugrundeliegenden Erwägungen, wonach ein auf § 1118 ABGB gestütztes Räumungsbegehren dann abzuweisen ist, wenn den Mieter am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft und er vor Schluss der Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet. Dies gilt umso mehr für einen Wohnungsberechtigten, dessen dingliches Recht ja stärker ist als das bloß obligatorische Bestandrecht. Auch im konkreten Fall hat der Beklagte nur ein ganz geringes Einkommen, wovon die öffentlichen Abgaben und Betriebskosten für das Haus zu entrichten sind. Der Vorwurf eines groben Verschuldens, nämlich dass er die Interessen seines Vertragspartners aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt hätte (vgl etwa 7 Ob 614/78 = MietSlg 30.475; RIS-Justiz RS0069304), trifft angesichts seines besonders niedrigen Einkommens nicht zu. Entscheidend ist, dass er sich bemühte, den Rückstand abzudecken und ihn auch während des Verfahrens berichtigte. Weil für die Auflösung des dinglichen Wohnrechts die in Betracht kommenden Gründe ein noch größeres Gewicht haben müssen, als allgemein für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen gefordert (vgl RIS-Justiz RS0011875 [insb T 7]; RS0018813), reicht dieser Grund nicht aus, die Auflösung zu rechtfertigen (vgl anders der Fall zu 9 Ob 233/01g [= immolex 2002/99, 245 = MietSlg 54.051], wo die dortige Klägerin mehrmals zur Klagsführung genötigt war und ein Großteil ihrer Forderungen nicht beglichen wurde).
Es bleibt schließlich noch der Vorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht, der von den Vorinstanzen ebenfalls als schwerer Übergriff gegen den Kläger gewertet wurde. Hier gilt wiederum, dass dieses Verhalten in keinem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit dem dinglichen Wohnrecht steht und daher - abgesehen davon, dass die Unterhaltsbeträge monatlich überwiegend exekutiv hereingebracht werden - nicht als Begründung für die Auflösung des dinglichen Wohnungsrechts herangezogen werden kann.
Was die Frage betrifft, inwieweit dem Kläger überhaupt die Aufrechterhaltung des Wohnrechts seines Vaters an dem in seinem Eigentum stehenden Einfamilienhaus wirtschaftlich auf Dauer zumutbar ist, ist klarzustellen, dass gerade durch das im Übergabsvertrag bedungene Wohnrecht samt Veräußerungs- und Belastungsverbot jener Zustand geschaffen wurde, den der Kläger nunmehr beklagt. Der Beklagte hat ein Wohnrecht am gesamten Haus, ihn trifft die Verpflichtung zur Tragung der laufenden Kosten, nicht jedoch der Erhaltung. Der Kläger kann über das Haus weder durch Belastung noch Veräußerung verfügen. Infolge des Wohnrechts des Beklagten am gesamten Haus ist dem Kläger auch eine Vermietung des Einfamilienhauses nicht möglich. Gerade das ist aber der vom Vertrag gewollte Zustand und der daher das Auflösungsbegehren nicht rechtfertigen kann (vgl 6 Ob 59/00w = SZ 73/180; 3 Ob 274/02v = JBl 2003, 643 = wobl 2004/87, 346). Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angestellten wirtschaftlichen Überlegungen sind daher nicht zielführend.
Da insgesamt keine tragfähigen Gründe jener Qualität, die die Rechtsprechung für die Auflösung eines dinglichen Wohnungsrechts fordert, behauptet und erwiesen wurden, waren in Stattgebung der Revision und in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen die Klagebegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 43 Abs 1, 50 ZPO. Für die Klage war noch ein teilweises Obsiegen des Klägers im Umfang des ursprünglichen Leistungsbegehrens zu berücksichtigen. Für die vom Beklagten verzeichneten Kosten betrug die richtige Bemessungsgrundlage durchwegs (nur) 5.000 EUR. Eine vom Beklagten verzeichnete Kommission war weder hinsichtlich tatsächlicher Vornahme noch Notwendigkeit bescheinigt.