OGH vom 20.06.1991, 6Ob569/91

OGH vom 20.06.1991, 6Ob569/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. *****, geboren am , im Haushalt, ***** vertreten durch den Vormund ***** wegen Erlöschens oder Erhöhung der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Vaters *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in Salzburg, infolge Rekurses des Vaters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom , AZ 22 c R 6/91 (ON 44), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom , GZ 4 P 455/85-40, teils bestätigt und teils unter Ausspruch der Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Die Minderjährige kam am Christtag 1973 zur Welt. Die vier Jahre zuvor geschlossene Ehe ihrer Eltern wurde mit Gerichtsbeschluß über die Scheidung der Ehe im Einvernehmen vom aufgelöst. Im Sinne der pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vereinbarung der Eltern wurde das Kind der alleinigen Obsorge der Mutter überantwortet und die monatliche Unterhaltszahlungspflicht des Vaters mit 1.000 S bestimmt. Diese Zahlungsverpflichtung wurde mit Unterhaltserhöhungsbeschluß vom für die Zeit ab auf 2.500 S monatlich erhöht.

Am , ihrem 41.Geburtstag, starb die Mutter. Für die Halbwaise wurde ihr mütterlicher Onkel zum Vormund bestellt.

Das knapp 16 Jahre alte Mädchen wurde schwanger. Ihr Beschäftigungsverhältnis als Ladnerin in einer Bäckerei endete mit durch eine mit dem Dienstgeber abgesprochene Dienstnehmerkündigung.

Der Vater zog nach gerichtlichen Erhebungen seinen Mitte November 1989 wegen Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen gestellten Antrag auf Enthebung von seinen Unterhaltszahlungsverpflichtungen Ende April 1990 wieder zurück.

Am wurde die Minderjährige eines Knaben entbunden. Ein 23 Jahre alter Spengler anerkannte die Vaterschaft zu diesem Kind und verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 1.600 S.

Nach dem Erhebungsbericht des Jugendamtes führt die Minderjährige mit dem Vater ihres Kindes keinen gemeinsamen Haushalt.

Die Minderjährige lebt nunmehr wieder in jenem Haus, das ihren Eltern als Ehewohnung gedient hatte und das diese als Miteigentümer zur Hälfte im Sinne der Vereinbarung über die nacheheliche Vermögensauseinandersetzung jeweils auf ihren Todesfall dem gemeinsamen Kind geschenkt hatten. Aufgrund dieser Schenkung der Mutter ist die Minderjährige nunmehr Hälfteeigentümerin, bewohnt einen Teil des Hauses aufgrund dieses Rechtstitels, hat aber auch die Erhaltungskosten entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zu tragen.

Die Minderjährige hat für ihre eigene Lebenshaltung und die ihres Kleinkindes selbst zu sorgen. Sie ist nicht erwerbstätig, steht in keiner weiteren Berufsausbildung und widmet sich der Betreuung ihres im ersten Lebensjahr stehenden Kindes. Sie bezieht nach ihrer verstorbenen Mutter von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Waisenpension. Diese soll nach dem Vorbringen ihres Vormunds im zweiten Halbjahr 1990 2.142,90 S monatlich betragen haben, hat aber nach einer inzwischen vorliegenden Pensionsbestätigung des Sozialversicherungsträgers (ON 46) tatsächlich nur rund die Hälfte dieses Betrages ausgemacht. Ferner bezieht die Minderjährige für sich die Familienbeihilfe.

Überdies bezog sie Geldleistungen aufgrund des Salzburger Sozialhilfegesetzes (idF: SHG), und zwar im September 1990 Hilfeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von 3.795 S (das entspricht den Richtsätzen nach der Verordnung vom , SbgLGBl Nr 5/1990 für den Hauptunterstützten und den Mitunterstützten mit Familienbeihilfenanspruch: 3.005 S + 780 S). Überdies erhielt die Minderjährige als Hilfesuchende nach dem SbgSHG im September 1990 einen Betrag von 26.450 S zur Deckung von Hausratsanschaffungskosten (Einbauküche).

Der Vater erklärte am den Antrag zu gerichtlichem Protokoll, rückwirkend ab von seiner Unterhaltszahlungsverpflichtung gegenüber seiner Tochter wegen deren Selbsterhaltungsfähigkeit enthoben zu werden.

Die Minderjährige sprach sich durch ihren Vormund gegen diesen Antrag aus und beantragte ihrerseits mit einer Eingabe vom eine Erhöhung der dem Vater obliegenden monatlichen Unterhaltszahlungen um 500 S auf 3.000 S.

Das Gericht erster Instanz gab dem Enthebungsantrag des Vaters antragsgemäß statt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in Ansehung der Monate April bis Juli 1990, faßte aber hinsichtlich des Enthebungsbegehrens für die Zeit ab sowie hinsichtlich des Unterhaltserhöhungsbegehrens einen Aufhebungsbeschluß; diesbezüglich erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Während das Gericht erster Instanz mit Rücksicht auf den Bezug der Waisenpension, der Familienbeihilfe und der Sozialhilfeleistungen sowie unter Berücksichtigung der vom Vater geleisteten monatlichen Rückzahlungen auf ein Darlehen die Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen angenommen hatte, erachtete das Rekursgericht die Beurteilung dieser Frage für die Zeit ab noch von ergänzenden Erhebungen und Feststellungen abhängig.

Zu seinem Verfahrensergänzungsauftrag sprach das Rekursgericht folgende Rechtsansichten aus:

a) Die außerhalb des elterlichen Haushaltes lebende Minderjährige sei erst dann als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn ihr - zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfes - mindestens ein Betrag zur Verfügung stünde, der den Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG erreichte (daher im zweiten Halbjahr 1990 im Monatsdurchschnitt rund 6.500 S und im Jahr 1991 im Monatsdurchschnitt rund 7.800 S).

b) In dem Ausmaß, in dem der Unterhaltsbedarf durch Sozialhilfeleistungen gedeckt sei, stünde der Unterhaltsberechtigten gegen ihren Vater unabhängig davon kein Leistungsanspruch zu, ob die betreffende Unterhaltsforderung auf den Sozialhilfeträger übergegangen sei, noch übergehen könne oder ob ein solcher Übergang kraft Gesetzes oder nach der konkreten Fallgestaltung ausgeschlossen wäre. Die Sozialhilfeleistungen träten an die Stelle der Unterhaltszahlungen des Vaters und bewirkten in ihrem Umfang ein Ruhen der Unterhaltspflicht.

c) Die aus Anlaß der Übersiedlung und der Hausratsanschaffung (zweckbestimmten und einmaligen) Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe seien auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Minderjährigen gegen ihren Vater keinesfalls anrechenbar.

d) Die für die Minderjährige ausbezahlte Familienbeihilfe mindere deren Unterhaltsanspruch nicht.

e) Die Waisenpension, die die Minderjährige nach ihrer verstorbenen Mutter beziehe, ersetze deren (Natural-)Unterhaltsleistungen und sei aus diesem Grund ohne Einfluß auf die Geldzahlungsverpflichtung des Vaters.

f) Kreditrückzahlungen, zu denen sich der unterhaltspflichtige Vater im Zuge der Vereinbarung nach § 55 a EheG gegenüber der Mutter der Minderjährigen seinerseits verpflichtete, blieben als Ergebnis der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung selbst dann ohne Einfluß auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber seiner Tochter, wenn die Rückzahlungen (auch) der Minderjährigen zugute kämen.

Das Rekursgericht befand, daß für den Zeitraum ab mangels verläßlicher Sachverhaltsgrundlagen über den ungedeckten Unterhaltsbedarf des Kindes und die Leistungsfähigkeit des Vaters weder dessen Enthebungsantrag noch der Erhöhungsantrag des Kindes entscheidungsreif wären.

Der Vater ficht den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung wegen unrichtiger Lösung entscheidungswesentlicher qualifizierter Rechtsfragen mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung zielenden Abänderungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist wegen der darzulegenden Rechtsfragen zulässig. Er ist nur insoweit berechtigt, als die für das ergänzende Verfahren zu überbindenden Rechtsansichten klarzustellen und zu ergänzen sind; im Ergebnis hat es bei der aufgetragenen Verfahrensergänzung zu verbleiben.

Die Minderjährige hat gegen ihren Vater im Sinn des § 140 ABGB einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Dieser wurde zunächst anläßlich der Scheidung der Ehe der Eltern durch pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung und in der Folge durch einen pflegschaftsgerichtlichen Unterhaltserhöhungsbeschluß betraglich bestimmt. Seit dieser letzten Unterhaltsbemessung im November 1985 haben sich die für die Bemessung bestimmenden Umstände grundlegend verändert: Durch den Tod der Mutter entfiel deren Betreuung der Minderjährigen im Rahmen der mütterlichen Obsorge, die Minderjährige erwarb den ihr auf den Todesfall der Mutter geschenkten Hälfteanteil an einer Liegenschaft mit Wohnhaus, die Minderjährige gestaltet ihre Lebensführung in einem selbständig geführten Haushalt. Davon abgesehen wird ihre Lebensführung nunmehr wesentlich dadurch bestimmt, daß sie Mutter eines Knaben wurde, den sie selbst betreut.

Die nunmehr im 18.Lebensjahr stehende Minderjährige hat ihre unselbständige Erwerbstätigkeit als Ladnerin in einer Bäckerei aufgegeben und bezieht weder ein Arbeitseinkommen noch Karenzgeld noch Einkünfte an Kapitalerträgen. Sie bezieht aber nach ihrer verstorbenen Mutter eine Waisenrente von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, erhält für ihre Person Familienbeihilfe und steht im Genuß von Sozialhilfeleistungen nach dem SbgSHG.

Die konkurrierenden Sorgepflichten des Vaters haben sich seit der letzten Unterhaltsbemessung nach seinen - bisher ungeprüft gebliebenen - Angaben um die für seine beiden jüngsten Kinder aus der zweiten Ehe, nämlich für den am geborenen Manuel und die am geborene Sarah erhöht. Der Vater leistet nach wie vor - was bisher ebenfalls nicht näher geprüft, aber vom Gericht erster Instanz als richtig unterstellt wurde - in Erfüllung der gemäß § 55 a Abs 2 EheG geschlossenen Vereinbarung Rückzahlungen auf ein Darlehen, das auf jener Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellt ist, deren Hälfteanteil der Minderjährigen aufgrund der Schenkung ihrer Mutter übereignet wurde.

Der Vater behauptete den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit seiner Tochter und begehrte aus diesem Grund die beschlußmäßige Enthebung von seinen Unterhaltsverpflichtungen rückwirkend mit .

Die Minderjährige widersprach nicht nur dem Enthebungsbegehren, sie stellte vielmehr ihrerseits einen Unterhaltserhöhungsantrag.

Der Einfluß von - sachlich und zeitlich

kongruenten - Sozialhilfeleistungen auf Unterhaltsansprüche des Leistungsempfängers fand in der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung im grundsätzlichen keine völlig einheitliche Beurteilung (vgl etwa SZ 55/129; SZ 60/71; SZ 60/191; ÖAV 1988, 78 mit Anm von Gamerith; RZ 1990/24 und EvBl 1989/142).

In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall sind nach dem SbgSHG gewährte Sozialhilfeleistungen zu beurteilen.

Nach dieser landesgesetzlichen Regelung wird als Zweck der Sozialhilfe die Ermöglichung menschenwürdiger Lebensführung für jene umschrieben, "die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen" (§ 1 Abs 1). Das Gesetz teilt die Hilfsmaßnahmen in solche zur Sicherung des Lebensbedarfes, in besonderen Lebenslagen und in Form der sozialen Dienste zu gewährende Hilfe (§ 1 Abs 2). Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes umfaßt neben Pflege, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen sowie Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung in erster Linie Leistungen zum Lebensunterhalt (§ 10 Abs 1). Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes wird nach den Grundsätzen der individuellen familiengerechten Hilfe (§ 2) in der Form von Sachleistungen oder persönlicher Hilfe, vor allem aber in der Form von Geldzahlungen erbracht (§ 10 Abs 2). Der Lebensunterhalt umfaßt nach der gesetzlichen Umschreibung (§ 11) "die nötige Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und andere notwendige persönliche Bedürfnisse sowie im angemessenen Umfang die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben." Auf diese Hilfeleistungen im Rahmen der Sicherung des Lebensbedarfes besteht unter den gesetzlichen Voraussetzungen dem Grunde nach

ein - öffentlich-rechtlicher - Rechtsanspruch (§ 5). Dabei wird die sich schon aus der gesetzlich umschriebenen Zweckbestimmung ergebende Subsidiarität für die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes konkret normiert: "Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes ist nicht zu gewähren, soweit andere Personen oder Einrichtungen aufgrund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe leisten. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind dabei aber nicht zu berücksichtigen."

(§ 7). "Die Hilfe ist nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§ 10) zu sichern." (§ 8 Abs 1). "Art und Ausmaß der Hilfe sind davon abhängig zu machen, daß der Hilfesuchende bereit ist, seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen" (§ 9 Abs 1 Satz 1). Geld- und Sachleistungen im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen sowie Leistungen im Rahmen der sozialen Dienste erbringt das Land als Privatrechtsträger; der Hilfesuchende hat auf diese Leistungen auch dem Grunde nach keinen Rechtsanspruch (§§ 21 und 23).

Über den Ersatz von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes enthält das Gesetz in seinem 9.Abschnitt detaillierte Regelungen (§§ 42 ff).

Der Sozialhilfeempfänger selbst ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er (innerhalb der Verjährungsfrist) zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt oder wenn nachträglich (auch ohne Verschulden des Empfängers) bekannt wird, daß er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte (§ 43 Abs 1). Allerdings unterliegt der Ersatz durch den Empfänger selbst wesentlichen Einschränkungen. So können beispielsweise Leistungen, die für Personen vor Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurden, keinesfalls zum Gegenstand von Ersatzforderungen gemacht werden (§ 43 Abs 2 Z 1).

Der Ersatz durch Dritte, vom Sozialhilfeempfänger und seinen Erben verschiedene Personen wird in der Form eines gesetzlichen Forderungsüberganges geregelt: Neben anderen Rechtsansprüchen des Sozalhilfeempfängers gegen Dritte, aus denen er seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise decken kann, gehen für die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der Kosten vor allem Unterhaltsansprüche des Leistungsempfängers gegen Angehörige, deren Einkommen beim Ausmaß der Geldzahlungen nicht zu berücksichtigen waren (weil es sich nicht um unterhaltspflichtige Kinder des Hilfesuchenden handelte, die mit diesem in Familiengemeinschaft lebten), auf den Sozialhilfeträger über, "sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet" (§ 44 Abs 1 Satz 1). Die Geltendmachung dieser Ersatzanansprüche gegen den Empfänger und seine Erben sowie gegen die von der Legalzession betroffenen Dritten wird teilweise überhaupt ausgeschlossen, zum Teil umfänglich begrenzt und insbesondere einer besonderen Verjährungsregelung unterworfen (§ 45).

Ergänzend zum gesetzlichen Forderungsübergang knüpft das Gesetz an die Zustellung der schriftlichen Anzeige an den leistungspflichtigen Dritten die Berechtigung des Sozialhilfeträgers "ohne Zutun des Sozialhilfeempfängers dessen Leistungsanspruch gegenüber dem Dritten allein geltend zu machen" (§ 44 Abs 1 Satz 2). Ausdrücklich erklärt das Gesetz den Vorbehalt, daß Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechtes (§ 1042 ABGB) unberührt blieben (§ 44 Abs 1 Satz 3).

Das Gesetz normiert Anzeigepflichten und öffentlich-rechtliche Rückerstattungspflichten bezüglich solcher Leistungen, die zufolge Verletzung der Anzeigepflichten zu Unrecht empfangen wurden. Die Erschleichung von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes ist als Verwaltungsübertretung strafbar.

Aus dieser Regelung des SbgSHG folgt:

1. Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SbgSHG sichern bestimmungsgemäß nur solche Bedürfnisse, die auch ein auf § 140 ABGB beruhender Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern zu decken bestimmt ist. Damit ist die sachliche Kongruenz zu bejahen.

2. Sozialhilfeleistungen sind dazu bestimmt, die notwendigsten Lebensbedürfnisse des Empfängers zu sichern. Im Falle einer bloß teilweisen Bedarfsdeckung durch die Unterhaltsleistung (vor allem wegen beschränkter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen) ist die Sozialhilfe ohne Bedachtnahme auf die durch sie nicht gedeckten Unterhaltsbedürfnisse des Empfängers den Unterhaltsforderungen kongruent. Daraus folgt - auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung - das Vorrecht des Sozialhilfeträgers als Legalzessionars gegenüber dem Leistungsempfänger (in Ansehung dessen ungedeckt bleibenden Unterhaltsbedürfnissen).

3. Der gesetzliche Forderungsübergang ist von der Zustellung der schriftlichen Anzeige an den Schuldner abhängig. Anzuzeigen ist die bescheidmäßige Zuerkennung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (§ 29 Abs 3). Der gesetzliche Forderungsübergang erfaßt aber im Falle seines Wirksamwerdens nicht bloß die Ansprüche für künftige Unterhaltsperioden, sondern auch alle noch nicht verjährten, getilgten oder sonst erloschenen, den Sozialhilfeleistungen zeitlich kongruenten Ansprüche für vergangene Zeiträume.

4. Die gesetzestechnische Form des Ersatzes durch gesetzlichen Forderungsübergang, der zwar in seinem Umfang durch die sachlich und zeitlich kongruenten, bescheidmäßig zuerkannten Sozialhilfeleistungen bestimmt, in seiner Wirkung aber von der durch den Sozialhilfeträger zu bewirkenden Anzeige abhängig ist, bedeutet, daß auch der vom möglichen gesetzlichen Forderungsübergang betroffene Unterhaltsanspruch, soweit er überhaupt entsteht und besteht, solange er mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen noch nicht übergegangen ist, weiterhin dem Sozialhilfeempfänger als dem Unterhaltsgläubiger zusteht. Er hat gegen den Schuldner grundsätzlich das Verfügungsrecht, ihm kommt die Ausübung von Gestaltungsrechten zu (mag er auch diesbezüglich dem Sozialhilfeträger gegenüber verantwortlich sein); ihm gegenüber hat andererseits auch der Schuldner seine Gestaltungsansprüche zu verfolgen.

Anspruchsberechtigung und -verfolgung verbleiben auch in Ansehung der vom gesetzlichen Forderungsübergang erfaßbaren Forderungen und Forderungsteile bis zum Wirksamwerden des Forderungsübergangs beim Unterhaltsgläubiger.

5. Die Tatsache der bescheidgemäßen Leistungen des Sozialhilfeträgers behebt allerdings im Umfang der erbrachten Leistungen den Mangel der Mittel zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse und damit eine bestimmungsgemäße Voraussetzung für das Entstehen einer Unterhaltsforderung, die im herkömmlichen Sinn die Leistungsverpflichtung an den Gläubiger zum Inhalt hat. Auch im Umfang der faktischen Bedürfnisbefriedigung im Rahmen des Bezuges von Sozialhilfeleistungen muß zwar ein Unterhaltsanspruch insoweit entstehen, als dies für den gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergang logisch notwendig ist. Die vom Landesgesetzgeber gewählte Form des Ersatzes durch gesetzlichen Forderungsübergang, für die der Ausdruck der "aufgeschobenen Legalzession" geprägt wurde (SZ 60/191), zwingt nach dem Gebot einer Vermeidung zweckwidriger Doppelversorgung zur dogmatischen Konstruktion, daß die Unterhaltsforderungen des Sozialhilfeemfpängers im Umfang der bescheidmäßig zuerkannten zeitlich und sachlich kongruenten Sozialhilfeleistungen vor dem Wirksamwerden des gesetzlich vorgesehenen Forderungsüberganges zwar in der Rechtszuständigkeit des Sozialhilfeempfängers entstehen und zunächst auch bei ihm verbleiben, daß diese Forderungen aber inhaltlich in der Weise beschränkt sind, als sie nur noch im Weg des gesetzlichen Forderungsüberganges verwertbar sind.

Das bedeutet, daß im Fall eines Unterhaltsbestimmungs- oder Erhöhungsbegehrens des Sozialhilfeempfängers gegen seinen Unterhaltsschuldner die Bemessung unter Außerachtlassung der - ihrem Zweck nach jedem Unterhaltsanspruch dem Subsidiaritätsgedanken gemäß

nachgeordneten - Sozialhilfeleistungen zu erfolgen, ein Leistungsbefehl an den Unterhaltsgläubiger aber zu unterbleiben und lediglich ein Feststellungsausspruch zu erfolgen hat.

Gegenüber Exekutionstiteln aus der Zeit vor der Gewährung der Sozialhilfe wäre die dargelegte materiellrechtliche Anspruchsänderung für einen Verpflichteten als Oppositionsgrund anzuerkennen.

Ein Herabsetzungsanspruch des Unterhaltsschuldners wäre nur insoweit berechtigt, als er unabhängig vom Empfang der Sozialhilfeleistungen durch den Unterhaltsgläubiger bestünde.

Im übrigen ist der vom Rekursgericht erwähnte Richtsatz nach § 293 Abs 1 Buchstabe a/bb ASVG keinesfalls absolut, sondern höchstens als Anhaltspunkt für die Annahme eines durchschnittlichen Bedarfes bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit heranziehbar, weil anderenfalls die im Sinne des § 140 Abs 1 ABGB gebotene Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse in unzulässiger Weise außer acht bliebe.

Der Tod des Elternteiles, in dessen Obsorge die Unterhaltsberechtigte bis dahin gestanden war, bewirkte eine Veränderung ihrer Lebensverhältnisse derart, daß die Betreuung der Minderjährigen durch ihre Mutter ersatzlos entfallen ist, die Minderjährige für alle ihre Lebensbedürfnisse nunmehr im Rahmen einer selbständigen Haushaltsführung zu sorgen hat und sich ihr in Geld zu deckender Bedarf insofern erhöhte, die primäre gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern sich auf den überlebenden Vater konzentrierte, daß andererseits aber die der Minderjährigen nach ihrer Mutter zustehende Waisenpension als unterhaltsmindernde eigene Einkünfte zu berücksichtigen ist.

Daß die verstorbene Mutter ihre Betreuung der Minderjährigen im Rahmen der Obsorge aufrechterhalten hätte und die Waisenpension nur diesen Entfall ersetzte, ist eine dem Unterhaltsrecht fremde Fiktion, weil hier nicht von ersatzrechtlichen Hypothesen, sondern von den tatsächlich geänderten Lebensverhältnissen und den sich danach ergebenden Bedürfnissen auszugehen ist.

Außer einem tatsächlich erzielten Erwerbseinkommen ist auch nicht erzieltes, aber bei gebotener Anspannung erzielbares Arbeitseinkommen als eigene Einkünfte im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigen. Vergleichbares hat auch für eine unterbliebene, aber zumutbare Erzielung von regelmäßigen Einkünften aus nutzbarem Vermögen zu gelten. Die Vermietung oder eine sonstige entgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten, hinsichtlich deren dem Unterhaltsberechtigten das Verfügungsrecht zusteht, die er aber als Wohnung im Eigennutz genommen hat, ist grundsätzlich unzumutbar. In diesem Fall sind fiktive Mieteinnahmen nicht als eigene Einkünfte zu berücksichtigen.

Einmalige, ein Sonderbedürfnis abdeckende Zuwendungen sind auf den Unterhaltsanspruch zur Deckung der laufenden Lebensbedürfnisse mangels Kongruenz nicht anrechenbar. Das gilt insbesondere für die im vorliegenden Fall gewährte Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen (Übersiedlungskosten und Kosten für die Hausratsanschaffung).

Die tatsächliche Bedeckung der eigenen Lebensbedürfnisse im Rahmen einer Lebensgemeinschaft könnte unterhaltsrechtlich bedarfsmindernd wirken. Für das Vorliegen der (teilweisen) Befriedigung von Lebensbedürfnissen der Minderjährigen im Rahmen einer vom Vater ihres Kindes finanzierten Lebensgemeinschaft wäre der Unterhaltsschuldner beweispflichtig. (Nach dem inzwischen erstatteten Erhebungsbericht des Fürsorgeträgers vom lebt die Minderjährige mit dem Vater ihres Kindes nicht zusammen.

Im übrigen, insbesondere zum Bezug der Familienbeihilfe und zu den Darlehensrückzahlungen, treffen die vom Rekursgericht ausgesprochenen Rechtsansichten zu.

Die Rechtssache ist entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers noch nicht entscheidungsreif. Es hat daher bei der von ihm bekämpften Verfahrensergänzung zu bleiben. Bei der neuerlichen Entscheidung werden allerdings die hier dargelegten Rechtsansichten zu beachten sein.