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OGH vom 17.04.2002, 7Ob287/01h

OGH vom 17.04.2002, 7Ob287/01h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U*****versicherung AG, ***** vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000,-- = EUR 21.801,85) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 60.000,-- = EUR 4.360,37; Gesamtstreitwert: S 360.000,-- = EUR 26.162,22), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 113/01v-12, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 39 Cg 19/00p-8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie zu lauten haben wie folgt:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, 1) es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, sich auf die Klausel "Der Versicherer ist berechtigt, Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Tarife vorzunehmen, wenn sie auf Grund von Veränderungen der im Tarif angeführten Faktoren, des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen erforderlich sind." oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Vertragsformblättern in von der beklagten Partei bis zum geschlossenen Verträgen unzulässigerweise vereinbart worden seien, und 2) der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den Spruch dieser Entscheidung binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der "Neuen Kronen Zeitung" auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern zu veröffentlichen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR

3.367,79 = S 46.341,80 (darin enthalten EUR 560,33 = S 7.710,30 an

USt und die mit EUR 5,81 = S 80 an Barauslagen) bestimmten

Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR

2.386,94 = S 32.845,-- (darin enthalten EUR 269,43 = S 3.707,50 an

USt und EUR 770,33 = S 10.600.-- an Barauslagen) bestimmten Kosten

des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR

2.376,53 = S 32.701,80 (darin enthalten EUR 219,13 = S 3.015,30 an

USt und EUR 1.061,75 = S 14.610 an Barauslagen) bestimmten Kosten des

Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein Konsumentenschutzverein und gesetzlich für Verbandsklagen nach dem Konsumentenschutzgesetz legitimiert. Die Beklagte gehört in Österreich zu den größten Krankenversicherungsunternehmen, für die der Abschluss von entsprechenden Versicherungsverträgen ein Massengeschäft darstellt. Im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern verwendete die Beklagte jedenfalls bis in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaus-Tagegeldversicherung unter Punkt 18 "Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Tarife" folgende Klauseln:

"18.1. Der Versicherer ist berechtigt, Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Tarife vorzunehmen, wenn sie auf Grund von Veränderungen der im Tarif angeführten Faktoren des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden Bestimmungen erforderlich sind.

18.2. Sofern im Tarif nicht anders geregelt, gelten die im § 178f Abs 2 VersVG angeführten Faktoren als vereinbart:

VersVG § 178f

(2) Als für Änderungen der Prämie oder des Versicherungsschutzes maßgebende Umstände dürfen nur die Veränderungen folgender Faktoren vereinbart werden:


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1.
eines in der Vereinbarung genannten Index,
2.
der durchschnittlichen Lebenserwartung,
3.
der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Leistungen nach Art der vertraglich vorgesehenen und deren Aufwendigkeit, bezogen auf die zu diesem Tarif Versicherten,
4. des Verhältnisses zwischen den vertraglich vereinbarten Leistungen und den entsprechenden Kostenersätzen der gesetzlichen Sozialversicherungen,
5. der durch Gesetz, Verordnung, sonstigen behördlichen Akt oder durch Vertrag zwischen dem Versicherer und im Versicherungsvertrag bezeichneten Einrichtungen des Gesundheitswesens festgesetzten Entgelte für die Inanspruchnahme dieser Einrichtungen und
6. des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen.
Bloß vom Älterwerden des Versicherten oder von der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes abhängige Anpassungen dürfen jedenfalls nicht vereinbart werden, um eine schon bei Eingehung der Versicherung unzureichend kalkulierte Alterungsrückstellung zu ersetzen. Es kann jedoch vereinbart werden, dass eine zunächst geringere Prämie ab einem bestimmten Lebensalter des Versicherten auf denjenigen Betrag angehoben wird, den der betreffende Tarif für Versicherte vorsieht, die mit diesem Alter in die Versicherung eintreten; dieses Lebensalter darf nicht über 20 Jahren liegen."
Über Aufforderung des Klägers verpflichtete sich die Beklagte, diese oder ähnliche Klauseln nicht mehr zu verwenden und sich auch nicht darauf zu berufen, bei Altverträgen aber mit der Einschränkung auf einen darin gelegenen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG liege hingegen nicht vor. Der Kläger stützt sein Unterlassungsbegehren auf einen Verstoß der genannten Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 3 und Abs 3 KSchG. Die Klausel sei deshalb unzulässig, weil sich die Beklagte damit nicht nur geringfügige Änderungen des Versicherungsschutzes vorbehalte, was auch der Richtlinie 93/13/EWG zuwiderlaufe. Die Änderung müsse für den Verbraucher zumutbar sein, was grundsätzlich nur dann anzunehmen sei, wenn sie nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch geringfügig sei. Eine Einzelfallausnahme ergebe sich auch für Krankenversicherungen nicht, weil dem Verbraucher als einzige Reaktionsmöglichkeit auf Leistungsänderungen die Kündigung verbleibe und er in diesem Fall die gemäß § 18c Z 2 VAG angesparte Altersrückstellung vollständig verlieren würde. Dies komme einer wirtschaftlichen Bindung des Verbrauchers auf Lebenszeit gleich. Eine Einzelfallausnahme vom engen Zumutbarkeits-Verständnis verbiete sich weiterhin wegen der Möglichkeit einer für den Verbraucher transparenteren und weniger belastenden Prämienerhöhung. Nur hiedurch würde dem Verbraucher auch die Wahlmöglichkeit des § 178f Abs 3 VersVG eingeräumt; dies sei eine gesetzgeberische Wertung dahingehend, dass schwerwiegende Eingriffe in das vertragliche Austauschverhältnis grundsätzlich über Prämienanpassungen zu regeln seien. § 178f VersVG konkretisiere nicht das Kriterium der Geringfügigkeit oder Zumutbarkeit im Sinne des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, sondern berühre diese Norm nicht. Hinsichtlich des Regulativs der Verbandsklage sei die Verlagerung der Zumutbarkeitsprüfung von der präventiven Klauselkontrolle gemäß § 28 KSchG auf die ex post-Kontrolle gemäß § 178g Abs 1 VersVG jedenfalls wegen mangelndem überwiegendem Interesse unzulässig, da dem Verbraucher hiedurch eine Kontrollinstanz genommen werde und sich die ex post-Kontrolle nur noch gegen tatsächlich erfolgte Leistungsänderungen richten könne. Auch sei der Zumutbarkeitsmaßstab von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG wegen des unterschiedlichen Grades der Klauselunangemessenheit in den Abs 1 und 2 nicht mit dem des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG vergleichbar, weshalb sich Wertungsvergleiche bei der Auslegung der Gesetzesmaterialien verböten. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG liege schließlich darin, dass die Beklagte die Verbraucher - wegen der fehlenden Einschränkung lediglich auf zumutbare Änderungen im Klauseltext - über die Reichweite zulässiger Änderungen im Unklaren lasse.
Die Beklagte bestreitet einen Verstoß der Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 3 und Abs 3 KSchG mit der Begründung, dass diese ohnedies nur zumutbare Änderungen zulasse. Zum einen sei bei der Bewertung des Zumutbarkeitskriteriums die Norm des § 178f Abs 2 VersVG zu berücksichtigen, da diese Regelung klare Vorgaben enthalte und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwingend als Konkretisierung des Zumutbarkeitskriteriums im Sinne des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG aufzufassen sei. Die Aufnahme des Wortes "zumutbar" in den Vertragstext stelle einen unnötigen Pleonasmus dar. Es genüge, in der Anpassungsklausel eine Änderung des Versicherungsschutzes vorzusehen und diese von einer Änderung der gemäß § 178f Abs 2 VersVG zulässigen Anpassungsfaktoren abhängig zu machen, dabei jedoch auf eine nähere Konkretisierung des nach dem Gesetz Zulässigen zu verzichten. Die Verbraucherinteressen würden dadurch nicht beeinträchtigt, da sich die Prüfung der Zumutbarkeit für den Verbraucher durch Verbandsklagen von der ex ante-Kontrolle der Änderungsklausel gemäß § 28 KSchG auf die gleichartige, ebenso effiziente ex post-Kontrolle bei Ausübung des Änderungsrechtes gemäß § 178g Abs 1 VersVG verlagere. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass das durch die beanstandete Klausel gewährte Änderungsrecht keine für den Verbraucher erkennbare Begrenzung des Umfangs, sondern lediglich eine Beschränkung dem Grunde nach auf die im § 178f VersVG genannten Faktoren enthalte. Der Verbraucher sei nicht bloß auf die Möglichkeit der ex post-Kontrolle angewiesen, sondern es könne die Nichtigkeit einer solchen Klausel schon von vornherein geltend gemacht werden. Der bloße Verweis auf die im § 178f Abs 2 VersVG vorgesehenen Änderungsfaktoren sei schon deshalb nicht ausreichend, weil diese nach ihrem Wortlaut nur "unbeschadet" des § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 3 KSchG releviert werden könnten. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG enthalte nicht das weitergehende Merkmal der Zumutbarkeit im Sinne des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. Die im § 178f VersVG enthaltenen Änderungsfaktoren konkretisierten damit hinsichtlich § 6 Abs 2 Z 3 KSchG das Merkmal der sachlichen Rechtfertigung, nicht jedoch das der Zumutbarkeit. Nach der dem KSchG insoweit zu Grunde liegenden EU-Richtlinie 93/13/EWG sei eine Klausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursache. Die richtlinienkonforme Auslegung erzwinge ein enges Verständnis des Zumutbarkeitskriteriums. Eine besondere Interessenlage der Beklagten zur Beschränkung der präventiven Prüfung auf das Merkmal der sachlichen Rechtfertigung liege nicht vor, weil der rechtlichen Bindung des Versicherers auf Lebenszeit des Versicherten die wirtschaftliche Bindung des Versicherten im Hinblick auf den sonst gemäß § 18c Z 2 VAG drohenden Verlust der angesparten Altersrückstellung gegenüberstehe. Die lebenslange Bindung könne eine reduzierte Prüfung des Geringfügigkeitskriteriums auf ex ante-Ebene nicht rechtfertigen. Den besonderen Bedürfnissen der Krankenversicherung auf Grund des unsicheren Planungshorizonts sei dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass das Merkmal der "Geringfügigkeit" oder der "Zumutbarkeit" zwar in der Änderungsvorbehaltsklausel enthalten sein müsse, auf eine genaue Umschreibung dieses Merkmals aber verzichtet und die Prüfung insoweit bei konkreten klauselmäßigen Änderungen auf die ex post-Kontrolle gemäß § 178g Abs 1 VersVG verschoben werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verwies in seiner Urteilsbegründung gemäß § 500a ZPO auf die Urteilsbegründung des Erstgerichtes. Zumutbare Änderungen hätten trotz des zum Teil missverständlichen auf einen bloß demonstrativen Gehalt hinweisenden Adverbs "besonders" sowohl geringfügig als auch sachlich gerechtfertigt zu sein. Die Zumutbarkeit werde daher durch eine Begrenzung des Ausmaßes nach oben hin, somit quantitatives ("geringfügig") Kriterium einerseits und ein qualitatives ("sachlich gerechtfertigt") andererseits determiniert. Dadurch unterscheide sich § 6 Abs 2 Z 3 von Abs 1 Z 5 KSchG, wonach - neben anderen Kriterien - zwar die sachliche Rechtfertigung, nicht aber die Geringfügigkeit angesprochen werde. Der Hinweis der Beklagten auf die Materialien zur Novelle des VersVG 1994 gehe damit ins Leere. § 178f Abs 2 VersVG zähle jene Umstände auf, die als die Prämie oder den Versicherungsschutz ändernde Faktoren vereinbart werden dürfen. Der Verweis auf diese Bestimmung decke damit das qualitative Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung ab. Über das quantitative ("geringfügig"), die Zumutbarkeit bestimmende Element werde darin aber nichts ausgesagt. Durch den bloßen Verweis auf § 178f Abs 2 VersVG würden daher mögliche Änderungen nicht ausreichend beschränkt und seien auch nicht ex ante ausreichend bestimmt. Gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoßende Klauseln seien sowohl einer ex ante-, als auch einer ex post-Kontrolle zugänglich. Dadurch solle verhindert werden, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende, den Interessen des Verbrauchers widersprechende, einseitige Leistungsänderungen vorbehalte. Umfassende und vage Änderungsklauseln indizierten daher eine Unzumutbarkeit. Die Vorbehalte müssten, damit sie rechtswirksam blieben, möglichst genau umschrieben und konkretisiert sein. Da im Verfahren über eine Verbandsklage nach der herrschenden Rechtsprechung die für den Kunden ungünstigste mögliche Auslegung der beanstandeten Klausel zu Grunde zu legen sei, erfordere die Zulässigkeit der Änderungsklausel neben dem Verweis auf § 178f Abs 2 VersVG eine weitere quantitative Beschränkung der möglichen Änderungen. Es sei dabei weder erforderlich, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen, noch ausdrücklich das Adjektiv "geringfügig" zu verwenden, aber doch eine auf das Ausmaß Bezug nehmende Einschränkung vorzunehmen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision in Ermangelung einschlägiger Judikatur zulässig sei.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In § 178f Abs 1 VersVG wird festgelegt, dass eine Vereinbarung, nach der der Versicherer berechtigt ist, die Prämie nach Vertragsabschluss einseitig zu erhöhen oder den Versicherungsschutz einseitig zu ändern, etwa einen Selbstbehalt einzuführen, nur mit den sich aus den folgenden Abs 2 und 3 ergebenden Einschränkungen wirksam sei, dies unbeschadet des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG bzw § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. In Abs 2 leg cit werden jene Umstände genannt, die als Faktoren für die Änderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes vereinbart werden dürfen, während andere Faktoren ausdrücklich zur Klarstellung ausgeschlossen werden. Nach dem eindeutigen Gesetzestext (arg. "unbeschadet") gilt neben dem § 178f VersVG der § 6 Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 3 KSchG (vgl auch GP XVIII RV 1553, S 32). Nach dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 178f VersVG geltenden § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (vor der Novelle BGBl I 1997/6) waren Vertragsbestimmungen, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen ein höheres Entgelt als bei Vertragsschluss vereinbart (hier Prämienerhöhung) zustehen soll, unwirksam, wenn die für die Erhöhung maßgebenden Umstände nicht im Vertrag umschrieben sind und ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt. § 6 Abs 2 Z 3 KSchG regelt (unverändert), dass Vertragsbestimmungen die dem Unternehmer das Recht einräumen, eine von ihm zu erbringende Leistung (hier: den Versicherungsschutz) einseitig zu ändern oder von ihr abzugehen, unzulässig sind, wenn sie im Einzelnen nicht ausgehandelt wurden, es sei denn, die Änderung bzw Abweichung ist dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist.

In GP XVIII RV 1553, S 23 f wird zu § 178f VersVG klargelegt, dass die Krankenversicherung als "lebenslanges" Vertragsverhältnisses konzipiert besondere Probleme aufwerfe. Während der langen Dauer des Versicherungsverhältnisses im Hinblick auf § 178i VersVG könnten sich eine Vielzahl von Rahmenbedingungen ändern, die das vom Versicherer übernommene Risiko beeinflussen (siehe den im Abs 2 enthaltenen Katalog von Anpassungsfaktoren). Vor allem könnten - auf lange Frist schwer abzusehende - Änderungen im Gesundheitssystem enorme Auswirkungen auf die Deckungspflicht des Versicherers haben, sei es, dass neue Behandlungsmethoden eingeführt werden, sei es, dass sich die Kosten bekannter Behandlungsmöglichkeiten ändern. Bei realistischer Betrachtung dieser Situation sei anzuerkennen, dass es dem Versicherer unmöglich sei, für einen derartigen, auf Jahrzehnte angelegten Versicherungsschutz im Vorhinein eine bestimmte Prämie - oder einen bestimmten Prämienverlauf - endgültig festzusetzen. Es sei grundsätzlich verständlich, dass die Versicherungsunternehmen bisher stets versucht haben, durch die Vereinbarung von Anpassungsklauseln diesem Dilemma zu entrinnen und sich über die darin enthaltenen Gestaltungsrechte einen Einfluss auf die künftige Entwicklung der vereinbarten Prämien zu sichern. Zunächst solle (siehe Abs 1) klargestellt werden, dass vertragliche Anpassungsklauseln im Anwendungsbereich des KSchG dem § 6 Abs 1 Z 5 (Prämienänderung) und dem § 6 Abs 2 Z 3 (Leistungsänderung) dieses Gesetzes unterliegen. Zusätzlich lege Abs 2 - bei Verbrauchergeschäften in Konkretisierung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG - diejenigen Anpassungsfaktoren fest, die zulässigerweise in einer Anpassungsklausel enthalten sein dürften; die Vereinbarung anderer Umstände wäre unwirksam. Durch diese Konkretisierung werde auch die Judizibilität von Anpassungsklauseln bedeutend verbessert.

In den Erläuternden Bemerkungen wird nur auf die Prämienerhöhung Bezug genommen. § 178f Abs 2 VersVG soll danach ausdrücklich jedenfalls eine Konsumentenschutzbestimmung konkretisieren, nämlich § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Die andere zitierte Bestimmung, nämlich § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, bleibt unerwähnt. Es wird aber nicht - was zu erwarten wäre - ausgeführt, dass nicht und aus welchen Gründen nicht auch diese Konsumentenschutzbestimmung eine Konkretisierung in § 178f Abs 2 VersVG erfährt. Damit ist dem Gesetzgeber aber eher zu unterstellen, dass die ausdrückliche Erwähnung des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG als in § 178f Abs 2 VVG konkretisiert in der RV übersehen wurde, als dass hier zwar in Abwägung der beiderseitigen - in der Krankenversicherung besonders gelagerten - Interessen aufwändig Faktoren festgelegt worden seien (abweichende Vereinbarungen ausschließend), die aber nur der einen zitierten Konsumentenschutzbestimmung, nicht jedoch der anderen a priori entsprächen. Wie könnte sonst auch die angestrebte Judiziabilität erreicht werden. Es ist also nach Ansicht des erkennenden Senates davon auszugehen, dass ex ante dem Konsumentenschutzgesetz widersprechende Vertragsbestimmungen hier abschließend geregelt werden sollten (so auch Schauer in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, VersVG-Novellen, § 178f, Rz 5ff).

Diese Gesetzesauslegung widerspricht nicht den Zielsetzungen des Konsumentenschutzgesetzes.§ 6 Abs 2 Z 3 KSchG unterliegt einer ex ante vorzunehmenden Inhaltskontrolle, nämlich dahingehend, ob die Klauseln auf Veränderungen abzielen, von denen a priori gesagt werden kann, dass sie dem Verbraucher im voraussichtlichen Annahmezeitpunkt nicht zumutbar sein werden (Welser in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz, S 359 f, Krejci in Rummel II2, § 6 KSchG, Rz 186). Im besonderen Fall der Krankenversicherung ist die ungewöhnliche Länge des Leistungszeitraums zu berücksichtigen. Es können an eine ex ante-Kontrolle naturgemäß nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie zum Beispiel an die relativ kurzfristige Lieferung eines Kaufgegenstandes. Wird wie hier vom Gesetzgeber im besonderen Fall der Krankenversicherung wegen der Bindung des Versicherers praktisch auf Lebenszeit des Versicherten eine Anpassung an deutlicherer als ohnedies im Gesetz festgelegt nicht absehbare künftige Verhältnisse (sowohl im Gesundheitswesen selbst als auch in den gesetzlichen Bestimmungen) unter Hinweis auf Konsumentenschutzbestimmungen anerkannt, so sind die festgesetzten Umstände ("Faktoren") ex ante betrachtet nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch dem Verbraucher grundsätzlich im Sinne des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG zumutbar. Es würde entgegen der Ansicht der Vorinstanzen zu keiner Präzisierung für den Verbraucher führen, wenn in den Vertragstext zu den gesetzlich festgelegten Faktoren, notwendigerweise nicht weiter präzisiert, entweder das Wort "geringfügig" oder "zumutbar" aufgenommen würde.

Ex post kann, auf Grund der Bestimmung des § 178g VersVG ebenfalls u. a. vom Verein für Konsumenteninformation zusätzlich zur ex ante Kontrolle konkret für den dann betroffenen Erfüllungszeitraum geprüft werden, ob die dann vom Versicherer gewünschte Änderung des Leistungsumfangs für den Verbraucher in dieser Ausformung zumutbar ist. Das bedeutet also, dass bei der ex ante-Kontrolle der inkriminierten Vertragsklausel nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG vom Faktorenkatalog des § 178f Abs 2 VersVG auszugehen ist. Entspricht die im Krankenversicherungsvertrag enthaltene Anpassungsklausel den dort festgelegten Faktoren, so ist sie nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG auch ohne eine Aushandlung im einzelnen wirksam. Der Grundsatz der vertraglichen Äquivalenz auch im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates (vgl D. Kiendl, Die Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in JBl 1995, 98) ist nicht verletzt. Die inkriminierte Klausel entspricht dem Faktorenkatalog des § 178f Abs 2 VersVG. Sie ist aus den oben genannten Gründen auch nicht unklar oder unverständlich im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG. Es waren daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt S 360.000,--.