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OGH vom 16.02.2005, 7Ob286/04s

OGH vom 16.02.2005, 7Ob286/04s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eberhard C*****, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert EUR 50.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 124/04d-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , GZ 23 Cg 33/03g-14, bestätigt wurde, den

Beschluss :

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.791,72 (darin enthalten EUR 298,62 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Facharzt für Gynäkologie. Er nahm einige Jahre hindurch bei seinen Patientinnen Zellabstriche vor, leitete sie aber nicht an ein geeignetes zytodiagnostisches Labor weiter. Er befundete die Zellabstriche nur optisch, was nicht lege artis ist. Dem Kläger war bewusst, dass der Sinn des Zellabstriches die Früherkennung von bösartigen Zellveränderungen ist und damit der Krebsfrüherkennung dient, und dass grob sinnlich, also durch Sehen und Tasten im Zuge anderer Untersuchungen, eine Zellveränderungen im Frühstadium nicht erkannt werden kann, sondern die mikroskopische Untersuchung durch ein zytologisches Labor erfolgen muss. Der Kläger hatte weder eine zytologische Qualifikation noch verfügt er über die technischen Voraussetzungen für die Zytodiagnostik. Dadurch, dass der Kläger die von ihm abgenommenen Zellabstriche nicht auf Krebsverdacht befunden ließ, konnte bei insgesamt sechs Patientinnen des Klägers im Entstehen befindliche Karzinome nicht rechtzeitig erkannt und nicht mehr minimal-chirurgisch behandelt werden.

Der Kläger leidet an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer affektiven Psychose. Die affektive Psychose führte bei ihm zu Phasen ausgeprägter Manie und Depression, die zu einer Aufhebung des Einsichts- und Steuerungsvermögens führte. Diese Phasen waren aber zeitlich auf ca drei bis vier Monate beschränkt und sind dann wieder völlig verschwunden. In den krankheitsfreien Zeitspannen wäre dem Kläger eine Änderung seines Verhaltens ohne weiteres möglich gewesen.

Der Kläger wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB und wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB verurteilt. Der Kläger hatte nämlich darüber hinaus in der Zeit von April 1995 bis die zuständigen Krankenversicherungsträger zur Auszahlung von nicht zustehenden Honorarbeträgen verleitet, indem er vorgegeben hatte, die von ihm den Patientinnen entnommenen Zellabstriche auf Krebsverdacht nach den Bestimmungen der Honorarvereinbarung bearbeitet, insbesondere die Formblätter ausgefüllt und mit den Abstrichen an das zuständige Labor zur Befundung weitergeleitet zu haben. Tatsächlich präparierte er die Abstriche und bewahrte sie in der Ordination auf.

Der Kläger begehrt nun Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag.

Dem Versicherungsvertrag liegen die AHVB/EHVB 1986 zugrunde.

Art 7 lautet:

„Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

....

2. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten

2.1 eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch nicht aufgenommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);

2.2 die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten."

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckung seines Haftpflichtversicherers.

Die Beklagte stützt sich insbesondere auf die Risikoausschlüsse nach Art 7 Z 2 AHVB 1996.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da es keine Rechtsprechung zu einem „vergleichbaren" Fall in der (Arzt-)Haftpflichtversicherung gebe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Behauptete Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, deren Vorliegen vom Berufungsgericht bereits verneint wurden, können nicht zum Gegenstand der Revision gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

Das Berufungsgericht und der Revisionswerber übersehen, dass sich der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach mit Art 7.2 AHVB 1986 auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0081689, RS0081692, RS0081721, RS0087592, RS0087591, RS0111246). Dabei wurde bereits Stellung dazu genommen, dass parallel zu § 152 VersVG Art 7.2 AHVB 1986 den Versicherungsschutz für Schäden ausschließt, die der Versicherte rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt hat. Dem Vorsatz wird im Punkt 2.1 die Inkaufnahme des Schadens, der als Folge einer Handlung und Unterlassung mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, gleichgestellt. Im Punkt 2.2 wird darüber hinaus (nicht mehr dem Modell des § 152 VersVG entsprechend) dem Vorsatz die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten ebenfalls gleichgestellt (7 Ob 553/98g, 7 Ob 9/95). Gemeinsam ist diesen beiden Bestimmungen, dass sich das Bedenken und der Beschluss des Versicherungsnehmers nicht auf den Schadenserfolg selbst, sondern nur auf einen diesem Erfolg vorgelagerten Umstand beziehen muss, der im Fall von Punkt 2.1 eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass es wirklich zum Eintritt des Schadens kommen kann, wobei bei Punkt 2.2 nicht die Inkaufnahme des Schadenseintritts durch den Versicherungsnehmer erforderlich ist, da für den Risikoausschluss bereits das positive Wissen von der Mangelhaftigkeit und Schädlichkeit der von ihm erbrachten Leistung ausreicht (5 Ob 353/98g, 7 Ob 9/95, 7 Ob 204/04g).

Ausgehend davon liegt schon der Risikoausschluss vom Versicherungsschutz nach Art 7.2.2.1 vor, da der Kläger wusste, dass der Sinn des Zellabstriches der Früherkennung von Krebserkrankungen dient und die zytologische Untersuchung durch nichts ersetzt werden kann, und trotzdem nur die Abstriche bei seinen Patientinnen vornahm, dies auch der Krankenkasse gegenüber verrechnete, aber dennoch diese keiner zytologischen Untersuchung zuführte. Damit nahm er bewusst in Kauf, dass die Krebsfrüherkennung bei seinen Patientinnen eben nicht erfolgt und Erkrankungen nicht frühzeitig erkannt werden. Im übrigen hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass sein Verhalten jedenfalls den Ausschluss vom Versicherungsschutz nach Art 7. 2.2.2 AHVB 1986 bewirkt, im Rahmen der oben dargelegten Rechtsprechung. Für diesen Ausschluss genügt es, wie bereits dargelegt, dass Kenntnis über die Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit des Verhaltens besteht. Die Vorinstanzen haben genau das festgestellt. Da der Kläger in der Lage war, sein Verhalten jedenfalls in der krankheitsfreien Zeitspanne zu ändern, d.h. die Abstriche an ein Labor weiterzuleiten, liegen keine sekundären Feststellungsmängel vor.

Es wurden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.