OGH vom 30.03.2020, 4Ob35/20f

OGH vom 30.03.2020, 4Ob35/20f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** M*****, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P***** GmbH & Co KG *****, und 2. V***** AG, *****, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 10.914 EUR sA und Aufhebung eines Kaufvertrags, über den ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 23 R 111/19s-26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 5 C 566/18f-20, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger macht geltend, im Jahr 2013 von der in Österreich ansässigen erstbeklagten Autohändlerin ein von der in Deutschland ansässigen Zweitbeklagten hergestelltes Dieselfahrzeug erworben zu haben. Wegen behaupteter Abgasmanipulationen durch die Zweitbeklagte ficht er den Kaufvertrag mit der Erstbeklagten wegen Irrtums an, macht Wandlung geltend und begehrt Vertragsaufhebung. Er wirft beiden Beklagten List bzw listige Irreführung vor und macht Schadenersatz geltend. Er begehrt gegenüber beiden Beklagten die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Benützungsentgelt (samt Eventualbegehren). Die Zuständigkeit für die Klage gegenüber der Erstbeklagten ergebe sich aus § 88 Abs 1 JN; der Gerichtsstand gegen die solidarisch haftende Zweitbeklagte folge aus § 11 Z 1 ZPO iVm § 93 JN und aus Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012. Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, sei der Sitz der Erstbeklagten und liege im Sprengel des Erstgerichts.

Die Zweitbeklagte bestritt die örtliche und internationale Zuständigkeit des Erstgerichts nach Art 7 EuGVVO 2012. Für den Erfolgsort komme nur jener Ort in Betracht, an dem sich die Schädigung zuerst auswirke und wo das geschützte Rechtsgut verletzt werde. Dieser liege in Deutschland, auf einen Folgeschaden in Österreich komme es nicht an. Für einen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art 8 EuGVVO 2012 fehle es am Sachzusammenhang.

Beide Beklagten beantragten die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Klagenfurt zu AZ 21 Cg 47/18v.

Das Erstgericht unterbrach sein Verfahren aus Gründen der Prozessökonomie bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Klagenfurt zu AZ 21 Cg 47/18v.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, wies den Unterbrechungsantrag der Beklagten ab und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Die hier geltend gemachten Anspruchsgründe seien mit denen im Verfahren des Landesgerichts Klagenfurt nicht ident. Eine Unterbrechung sei unzweckmäßig.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs beider Beklagter ist unzulässig.

1. Nach § 192 Abs 2 ZPO können die nach den § 187-191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Abweisung eines Unterbrechungsantrags ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich unanfechtbar (RIS-Justiz RS0037071, RS0037003).

2. Anderes gilt zwar dann, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben ist (RS0037034, RS0037020). Das trifft hier aber nicht zu: Zwar kann eine Unterbrechung aus Anlass eines in einem anderen Verfahren gestellten Vorabentscheidungsersuchen zweckmäßig sein (RS0110583), eine generelle Unterbrechungspflicht besteht aber nicht (RS0114648).

3. Hier liegt auch kein Fall vor, dass das Rekursgericht einen aufgrund besonderer Vorschrift unanfechtbaren Unterbrechungsbeschluss behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen hätte. Zwar darf die (unmittelbar) auf Art 267 AEUV beruhende Vorlagebefugnis aller Gerichte nicht durch Regelungen des nationalen Verfahrensrechts eingeschränkt werden, was zur Unzulässigkeit eines gegen das Vorabentscheidungsersuchen erhobenen Rekurses führt (RS0106043).

Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass auch die Unterbrechung wegen eines von einem anderen Gericht gestellten Vorabentscheidungsersuchens unanfechtbar wäre. Da hier das Rekursgericht das Erstgericht auch nicht an eine der Auslegung des EuGH widersprechende Auslegung des Unionsrechts gebunden hat, hat es bei der Anwendung von § 192 Abs 2 ZPO zu bleiben (4 Ob 71/16v mwN).

4. Der Revisionsrekurs ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

5. Da der Kläger auf diese Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, war seine Revisionsrekursbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und daher nicht zu honorieren.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00035.20F.0330.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.