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OGH vom 12.02.2003, 7Ob283/02x

OGH vom 12.02.2003, 7Ob283/02x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Dr. Reinhard S 2. Alice S 3. mj Kathrin S*****, geboren am ***** und 4. mj Max S*****, geboren am ***** die dritt- und viertklagende Partei vertreten durch die erst- und zweitklagende Partei, alle: ***** vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei G***** Club ***** vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Ladislav Margula, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinsausschlüsse (Streitwert: EUR 8.720; Streitwert im Provisorialverfahren: EUR 5.000), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 18 R 195/02h-38, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 3 C 416/02a-9, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Parteien hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die Kläger und gefährdeten Parteien die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

§ 8 Abs 5 der Statuten des Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagter) lautet wie folgt:

"Der Vorstand ist berechtigt, Mitgliedschaften ohne Angabe von Gründen zu kündigen. Der Gekündigte verliert seine Mitgliedschaft dann, wenn der Vorstand nachweislich dem gekündigten Mitglied die Eintrittsgebühr und die aliquote Jahresgebühr zurückgezahlt hat. ..."

Mit Schreiben vom teilte der beklagte Verein den Klägern und gefährdeten Parteien (in der Folge: Kläger) mit, dass der Vorstand in der Vorstandssitzung vom laut Statuten gemäß § 8 Abs 5 beschlossen habe, die Mitgliedschaftsrechte der Kläger aufzukündigen, und dass diese Mitgliedschaften daher am endeten. Die Kündigung bewirke, dass der Beklagte die Kläger von der Benützung des Hauses und Platzes ausschließe, bis eine gegenteilige Beschlussfassung durch den Vorstand erfolge.

Die aliquoten Jahresbeiträge sowie die Eintrittsgebühren wurden den Klägern überwiesen.

Mit Schreiben vom riefen die Kläger unter Berufung auf die Statuten gegen den mitgeteilten Beschluss des Vorstandes das Schiedsgericht an. Mit Schreiben vom teilte das Schiedsgericht des Beklagten den Klägern mit, dass gemäß den gültigen Statuten eine Beurteilung der Kündigung der Mitgliedschaftsrechte nicht in den Entscheidungsbereich des Schiedsgerichtes falle. Die Kläger urgierten mehrfach vergebens die Vorschreibung für den Mitgliedsbeitrag 2002.

Eine Teilnahme bei Turnieren ohne Mitgliedschaft bei einem Verein ist nicht möglich.

Die Kläger beantragen zur Sicherung ihres Feststellungsbegehrens, dass die Vereinsausschlüsse unwirksam seien, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, dass der Beklagte bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Klage den Aufenthalt der Kläger auf dem Golfplatz des Beklagten und den dazugehörigen Einrichtungen zu dulden habe. Sie stützten sich darauf, dass § 8 Abs 5 der Statuten nichtig sei, da er dem Vorstand in sittenwidriger Weise die Ausübung von Willkür ermögliche. Der Erstkläger sei als Vorsitzender des Schiedsgerichtes des Beklagten an einem Schiedsspruch beteiligt gewesen, der nicht die Billigung des Vorstandes gefunden habe. Dies rechtfertige eine Kündigung nicht. Es könne nur ein Verein eine Spielberechtigung für Turniere erteilen. Der Beklagte sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, Schadenersatz in Geld zu leisten.

Der Beklagte begehrt die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, in eventu möge eine Sicherheitsleistung von zumindest EUR 50.000 aufgetragen werden, da die Kläger durch ihren Aufenthalt auf dem Platz den Golfbetrieb gefährdeten, was zu erheblichen Schadenersatzansprüchen der Mitglieder und Spieler führen könnte. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nicht zulässig, da ein negativer Feststellungsanspruch nicht sicherbar sei. Es gebe über 1000 andere Golf-Klubs in Österreich, bei denen die Kläger spielen könnten. § 8 Abs 5 der Statuten sei nicht sittenwidrig, weil die Kündigung erst mit nachweislicher Rückerstattung der Eintrittsgebühr und der aliquoten Jahresgebühr wirksam werde und dem gekündigten Mitglied daher kein finanzieller Nachteil erwachse. Da nicht jedermann dem Verein beitreten könne, sei auch eine grundlose Kündigung von Mitgliedschaften zulässig. Die Anzeige eines Mitglieds über das Verhalten des Erstklägers beim Golfspielen hätte zur Befassung des Schiedsgerichtes führen müssen. Der Vorstand habe aber beschlossen, die Anzeige nicht vor das Schiedsgericht zu bringen, sondern eine nicht begründete Kündigung auszusprechen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung abzusehen sei, da keine konkreten Umstände angeführt worden seien, worin der drohende Nachteil des Beklagten liegen solle. Die einstweilige Verfügung sei zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge. Soweit es für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist, vertrat es die Rechtsansicht, dass dem Erstgericht kein Verfahrensfehler unterlaufen sei, wenn es den Antrag des Beklagten auf Auferlegung einer Sicherheitsleistung nicht im Spruch abgewiesen habe, sondern lediglich in den Gründen dargelegt habe, warum eine Sicherheitsleistung nicht auferlegt worden sei. Vereinsbeschlüsse unterlägen der gerichtlichen Überprüfung. Das Ausschlussverfahren müsse satzungsgemäß, aber nicht gesetz- oder sittenwidrig sein. Durch die Verwendung des Begriffes "Kündigung" in den Statuten könne nicht die Rechtslage umgangen werden, nach der ein Ausschluss aus dem Verein nur aus wichtigen Gründen erfolgen dürfe und von den ordentlichen Gerichten überprüfbar sein müsse. Ein Ausschluss aus dem Verein sei nur als "ultima ratio" und nur dann zulässig, wenn gelindere Sanktionen nichts gefruchtet hätten und eine Interessensabwägung ergebe, dass trotz beträchtlichen Schadens für das auszuschließende Mitglied ein Verbleiben für die übrigen Vereinsmitglieder unzumutbar sei. § 8 Abs 5 der Statuten des Beklagten, welche unter den Begriff "Kündigung" in Wahrheit einen grundlosen Ausschluss ermögliche, sei sittenwidrig. Der darauf basierende Beschluss des Vereinsvorstandes sei unwirksam, zumal der Verein hinsichtlich des Erstklägers selbst zugestehe, dass durch die Kündigung ohne Angabe von Gründen die notwendige Befassung des Schiedsgerichtes umgangen worden sei. Feststellungsansprüche seien sicherungsfähig, wenn - wie hier - dahinter bedingte oder künftige Leistungsansprüche steckten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes in Ansehung aller Kläger jeweils EUR 4.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes dazu bestehe, ob eine Bestimmung in den Vereinsstatuten, welche dem Vorstand die Kündigung von Mitgliedsrechten ohne Angabe von Gründen gegen Rückgewährung von Beitritts- und anteiligen Jahresgebühren, ermögliche, sittenwidrig sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Die Kläger beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Einleitend ist auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Vorauszuschicken ist, dass das Vereinsgesetz 2002 im vorliegenden Fall noch nicht zur Anwendung kommt (§ 33 leg cit). § 4 Abs 2 lit e VerG 1951 ordnet an, dass den jeweiligen Vereinsstatuten Bestimmungen über den Erwerb und die Beendigung der Mitgliedschaft zu entnehmen sein müssen.

Die vorliegenden Statuten weisen die Besonderheit auf, dass sie neben dem Ausschluss eines Mitglieds auch noch die Möglichkeit der Kündigung der Mitgliedschaft ohne Angabe von Gründen durch den Vorstand gegen Rückzahlung der Eintrittsgebühr und der aliquoten Jahresgebühr jederzeit unter Einhaltung einer 14-tägigen Frist zum jeweiligen Monatsende vorsehen. Der beklagte Verein stützt sich nun darauf, dass bei Rückerstattung der Gebühren ein Mitglied nicht benachteiligt sei und daher die Kündigung - anders als der Ausschluss - unbegründet erfolgen könne. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.

Unstrittig ist, dass Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern privatrechtlicher Natur sind. Entscheidungen von Vereinsorganen über diese Rechtsbeziehung können nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gerichtlich überprüft werden (7 Ob 110/00b, 2 Ob 126/00v, 2 Ob 196/01i, je mwN; RIS-Justiz RS0045572, RS0038953; Aicher in Rummel I3, § 26 ABGB, Rz 45). Es kann daher ein Vereinsmitglied die (gerichtliche) Feststellung verlangen, dass eine Vereinsmaßnahme infolge Sittenwidrigkeit ihm gegenüber unwirksam sei (2 Ob 126/00v, RIS-Justiz RS0038953). Dem zu Unrecht aus einem Verein ausgeschlossenen Vereinsmitglied steht nach herrschender Auffassung der - mittels Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO geltend zu machende - Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses bzw der dazu führenden Beschlüsse der Vereinsorgane zu (3 Ob 597/92, 7 Ob 2314/96m, RIS-Justiz RS0038953).

Enthält die Satzung eines nicht auf Erwerb gerichteten Vereins keine Bestimmungen über die Beendigung der Mitgliedschaft oder die Ausschließung von Mitgliedern, so kann nach ständiger Rechtsprechung analog § 1210 ABGB ein Ausschluss aus den dort angeführten Gründen erfolgen (RIS-Justiz RS0022213). Ist in den Vereinsstatuten der Ausschluß eines Mitglieds zwar vorgesehen, sind aber Ausschließungsgründe nicht angeführt, steht der Ausschluss nicht etwa im Belieben von Vereinsorganen, sondern ist ebenfalls nach § 1210 ABGB zu beurteilen (RIS-Justiz RS0022285; Aicher aaO, Rz 47; Sprung/König, Überprüfung und inhaltliche Voraussetzungen eines Vereinsausschlusses in RdW 1984, 226, Brandle/Schnetzer, Das österreichische Vereinsrecht3, S 86 f; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine, S 62 f; Fessler/Keller, Österreichisches Vereinsrecht7, 48).

Aus den oben dargelegten Grundsätzen ergibt sich also, dass die einseitig gegen den Willen des Mitgliedes erfolgende Auflösung des Mitgliedschaftsverhältnisses durch den Verein nur an besonders gewichtige Gründe, deren Vorliegen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit zu überprüfen ist, gebunden sein soll. Sprung/König aaO fassen zusammen, dass kein Vereinsmitglied "den 'autonomen' Entscheidungen der Vereinsorgane über seine - einmal bestehende - Mitgliedschaft derart ausgeliefert" sein solle, dass eine Überprüfung dieser Entscheidungen durch staatliche Gerichte ausgeschlossen wäre. Begründungen der Vereinsorgane für Ausschlussbeschlüsse seien von den staatlichen Gerichten rigoros zu überprüfen.Es liegt wohl auf der Hand, dass eine derartige gerichtliche Überprüfung sinnentleert und überflüssig wäre, könnte ein solcher Ausschluss nach der Satzung auch grundlos erfolgen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass vom Mitglied geleistete Gebühren zurückbezahlt werden, denn es geht um den Schutz des Mitgliedschaftsverhältnisses selbst, bei dem zweifellos nicht der finanzielle Aspekt im Vordergrund steht. Ist jemand Mitglied eines Vereines geworden, so soll er nur aus ihn belastende wichtigen Gründen gegen seinen Willen diese Mitgliedschaft verlieren. Im Hinblick darauf ist es daher völlig unerheblich, ob ein Verein die ihm anheimgestellte einseitige Auflösung des Mitgliedschaftsverhältnisses als Kündigung oder als Ausschluss bezeichnet (so auch Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, aaO, die eine schlichte Kündigungsmöglichkeit der Mitglieder durch den Verein den Regeln über den Vereinsausschluss unterstellen). § 8 Abs 4 der Statuten des Beklagten dient im vorliegenden Fall lediglich der unzulässigen Umgehung. Dies räumt auch der Beklagte durch sein Vorbringen indirekt ein, dass er nämlich statt eines (aufwändigeren) Schiedsverfahrens eine (einfache) grundlose Künigung ausgesprochen habe.

Ist also wie hier der Ausschluss eines Mitgliedes durch Vereinsorgane (mag dies auch als "Kündigung" bezeichnet sein) in den Statuten vorgesehen, so ist die Zulässigkeit wie oben dargelegt dennoch nach § 1210 ABGB zu beurteilen. Da hier nach den bisherigen Verfahrensergebnissen eine nicht begründete Kündigung ausgesprochen wurde, ist der Beschluss des Vorstandes unwirksam. Der zu sichernde Anspruch ist daher bescheinigt.

In der jüngeren Judikatur und Literatur wird eine einstweilige Verfügung für zulässig erachtet, wenn hinter dem Feststellungsanspruch bedingte oder künftige Leistungsansprüche stecken (9 Ob 17/02v, RIS-Justiz RS0011598 je mwN; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 378 EO, Rz 4). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Entscheidung 3 Ob 567/92 der früheren mittlerweile überholten Rechtsprechungslinie gefolgt sei (9 Ob 17/02v). Die Duldung der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten ist daher sicherungsfähig (9 Ob 17/02v). Die Frage der Bezahlung der Eintrittsgebühr und der Jahresgebühr im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung ist nicht Gegenstand des Provisorialverfahrens.

Soweit der Revisionsrekurswerber neuerlich darauf zurückkommt, dass sein Antrag auf Sicherheitsleistung nicht ausdrücklich im Spruch abgewiesen wurde, sondern lediglich in den Gründen, ist er darauf zu verweisen, dass bereits ein in zweiter Instanz verneinter Verfahrensmangel bzw eine verneinte Nichtigkeit nicht neuerlich im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042981, RS0042925).

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten der Kläger gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten des Beklagten auf §§ 78, 402 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.