OGH vom 25.01.2005, 1Ob295/04w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Malisa T*****, und 2) Zorica T*****, beide *****, vertreten durch Dr. Bernd Oberhofer, Mag. Markus Lechner und Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Auflösung eines Mietvertrags und Räumung (Streitwert 85.899,28 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 163/04m-23, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies die auf § 458 ABGB gestützte Devastationsklage der klagenden Partei als vormaliger Pfandgläubigerin und späterer Ersteherin der mit dem Pfandrecht belasteten zwangsversteigerten Eigentumswohnung ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es "seine Entscheidung an den Grundsätzen der ... zitierten höchstgerichtlichen Judikatur und Literatur" orientiert habe. Infolge dessen Ansicht wäre nach den maßgebenden Feststellungen zwar "der Beseitigungsanspruch eines Pfandgläubigers zu bejahen", für die klagende Partei sei daraus aber nichts zu gewinnen, "weil sie die Rechtsstellung eines Pfandgläubigers nicht mehr" habe. Sie könne aus ihrer früheren Rechtsposition als Pfandgläubigerin einen "aus § 458 ABGB zufolge fahrlässigen Eingriffs in ein dingliches Recht ableitbaren Beseitigungsanspruch" nicht erfolgreich geltend machen. Diese Rechtslage greife auch im Fall "einer restlichen forderungsbekleideten Eigentümerhypothek" ein. Der klagenden Partei könnte "als frühere(r) Pfandgläubigerin und Ersteherin ... nur wegen Beeinträchtigung eines fremden Forderungsrechtes, das als Vermögensrecht keinen absoluten Schutz" genieße, "eine Naturalrestitution im Wege der Beseitigung der Eingriffshandlung aus dem Titel des Schadenersatzes zugestanden werden". Das setze jedoch entweder eine "absichtliche Schadenszufügung oder das Vorliegen von Kollusion zwischen Pfandschuldner und Bestandnehmer oder zumindest eine wissentliche Verleitung zum Vertragsbruch auf der Seite des Bestandnehmers" voraus. Den Beklagten sei insoweit "höchstens fahrlässige Unkenntnis" vorwerfbar. Auch als "Ersteherin und Eigentümerin der Pfandliegenschaft" stünde der klagenden Partei "eine auf § 523 ABGB gestützte Entfernungsklage nur bei einem rechtswidrigen Eingriff in ihr dingliches Recht zu". Ein solcher Eingriff sei jedoch gleichfalls zu verneinen, weil die klagende Partei durch den Zuschlag originär Eigentum erworben habe und "das Bestandobjekt bereits vor der Erteilung des Zuschlags dem Bestandnehmer übergeben worden" sei.
Die außerordentliche Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht berief sich als Stütze dafür, dass dem vormaligen Pfandgläubiger und späteren Ersteher der mit dem Pfandrecht belasteten Liegenschaft im Zwangsversteigerungsverfahren kein Beseitigungsanspruch auf Grund einer "Pfandverschlechterungsklage" analog § 458 ABGB zustehe, auf Reidinger (Inbestandgabe zur Erschwerung von Liegenschafsexekutionen. Rechte des Erstehers, WoBl 1991, 217, [221]) und auf eine - nicht nachgewiesene - "herrschende Judikatur". Nach Ansicht des erwähnten Autors kann dem Ersteher "nicht mit Hilfe eines Analogieschlusses (zur Devastationsklage) geholfen werden"; diesen Standpunkt teile auch die Rechtsprechung; das belegten die Entscheidungen 3 Ob 45/88 (= SZ 61/126) und 3 Ob 134/88 (= SZ 62/76 = JBl 1989, 590). Der ersten Entscheidung zufolge kommt eine Ausdehnung der Devastationsklage des Pfandgläubigers gemäß § 458 ABGB auf einen von der Pfandverschlechterung später betroffenen Ersteher im Weg der Analogie nicht in Betracht. In der zweiten Entscheidung wird dieser Rechtssatz wiederholt, jedoch letztlich ausgesprochen, es bedürfe - infolge anderer rechtlicher Möglichkeiten zum Schutz des Erstehers im dortigen Anlassfall - keines Analogieschlusses "auf die dem Pfandgläubiger zustehende Klage nach § 458 ABGB (dessen fragliche Berechtigung erst einer eingehenden Prüfung unterzogen werden müsste)". In keinem dieser Fälle war indes der spätere Ersteher - anders als im nunmehrigen Anlassfall - vorher Hypothekargläubiger im Zwangsversteigerungsverfahren.
Auch Hofmann (in Rummel, ABGB³ § 458 Rz 6) verficht - unter Ablehnung der Entscheidung 3 Ob 572/92 (= ÖBA 1993, 665) die Meinung, der Ersteher sei "in den Schutzbereich des § 458 ABGB" nicht einzubeziehen. Nach dem Sachverhalt der abgelehnten Entscheidung war jedoch der Ersteher vorher gleichfalls nicht Hypothekargläubiger im Zwangsversteigerungsverfahren.
Dagegen wurden der nach § 458 ABGB klagenden Hypothekargläubigerin nach den die Entscheidung 6 Ob 261/01b (= EvBl 2002/94 = ÖBA 2002/1058, 728) tragenden Tatsachen die im Exekutionsverfahren versteigerten Liegenschaften letztlich auch als Ersteherin zugeschlagen. Der Oberste Gerichtshof wies jedoch die (zugelassene) Revision der dort klagenden Partei zurück, weil die Frage, "ob dem Ersteher einer Liegenschaft, der gleichzeitig Pfandgläubiger war und nach dem Zuschlag wegen nur teilweiser Befriedigung Gläubiger einer forderungsbekleideten Hypothek an eigener Sache wurde (§§ 469 f ABGB), in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 458 ABGB die Pfandverschlechterungsklage" zustehe, nicht zu lösen sei, "wenn auch ein Pfandgläubiger den bekämpften Mietvertrag wegen Gutgläubigkeit des Mieters" nicht hätte erfolgreich anfechten können; letzteres sei aber infolge der dort maßgebenden Feststellungen zu bejahen. In der Entscheidung 7 Ob 818/82 (= EvBl 1984/119) wurde schließlich darauf verwiesen, dass die Entscheidung 7 Ob 211/71 eine "dingliche Devastationsklage" nach schuldhaft schädigenden Einwirkungen auf die Rechte eines Pfandgläubigers durch Mieter zum Gegenstand gehabt habe, weil "ein nicht verbüchertes Wohnungsrecht unter nahen Angehörigen nach Einleitung des Versteigerungsverfahrens zum Nachteil des Pfandgläubigers und späteren Erstehers in ein Bestandrecht umgewandelt" worden sei. Dort war das Räumungsbegehren allerdings bereits deshalb erfolgreich, weil die Beklagten jenes Verfahrens "den Beweis des Bestehens eines Mietvertrages als von ihnen behaupteten Rechtsgrundes für die Benützung der gegenständlichen Wohnung nicht erbracht haben".
2. Die voranstehende Analyse der Rechtsprechung zeigt, dass die Ansicht des Berufungsgerichts - Ablehnung eines Anspruchs des vormaligen (in Ansehung der betriebenen Forderung nicht zur Gänze befriedigten) Hypothekars und späteren Erstehers des Pfandobjekts, einer Verschlechterung des Pfandrechts mit einer auf § 458 ABGB gestützten Klage entgegenzutreten - nicht auf Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beruht. Ob die Ansicht des Berufungsgerichts, "bei den vorgetragenen Prozessbehauptungen und dem festgestellten Sachverhalt" hätte wohl ein bloßer "Pfandgläubiger", nicht aber die klagende Partei als spätere Ersteherin des Pfandobjekts "erfolgreich die Räumungsklage als Folge des Beseitigungsanspruchs gemäß § 458 ABGB einbringen" können einer Nachprüfung standhielte, wäre an sich als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen.
Eine - auch den erörterten Punkt einschließende - sachliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat indes zu unterbleiben, weil die klagende Partei in ihrer außerordentlichen Revision weder die erläuterte noch eine andere erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, von deren Lösung die Entscheidung abhinge. Sie gründet ihr Rechtsmittel - feststellungsfremd - lediglich auf die Behauptung, die Beklagten hätten bei Abschluss des Bestandvertrags "in Schädigungsabsicht - zumindest mit dolus eventualis -" gehandelt. Sie hätten mit dem vormaligen Wohnungseigentümer "bewusst zusammengewirkt ..., um den Wert der Pfandsache zu mindern" und auf diese Weise die klagende Partei als Pfandgläubigerin zu schädigen. Deshalb wäre von den Vorinstanzen festzustellen gewesen, "der ehemalige Eigentümer ... sowie die beklagten Parteien in diesem Verfahren haben zusammengewirkt und dadurch den Wert der Pfandsache, durch Abschluss eines Mietvertrages, vermindert". Insoweit ist die Revisionswerberin bloß daran zu erinnern, dass das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil als letzte Tatsacheninstanz ausführte, "die Berufungswerberin vermag ... nicht anzuführen, auf Grund welcher konkreten Beweisergebnisse die begehrten Feststellungen, dass den Beklagten bei Unterfertigung des Mietvertrages am die dadurch eintretende Wertminderung der Pfandsache bekannt war und ihnen weiters bekannt war, dass sie durch den Abschluss des Mietvertrages den Pfandgläubiger schädigen, in Abänderung welcher konkreten erstinstanzlichen Feststellungen zu treffen gewesen wären, sodass hier eine gesetzmäßige Ausführung des Berufungsgrundes nicht vorliegt. Aus den von der Klägerin angestellten Erwägungen unter Zitierung von Hilfstatsachen ist im Übrigen die von ihr vorgenommene Schlussfolgerung keineswegs zwingend und sind die angestrebten Tatsachenfeststellungen nicht zu begründen" (ON 23 S. 16 f).