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OGH vom 17.12.2019, 3Ob232/19t

OGH vom 17.12.2019, 3Ob232/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K***** Gesellschaft m.b.H. & Co. KG., *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwirkung von Unterlassungen (§ 355 EO), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 47 R 274/19w-12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 68 E 3528/19m-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden die Kosten ihres Revisionsrekurses von 2.427,14 EUR (darin enthalten 353,19 EUR an USt und 308 EUR an Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Zuspruch von Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Verpflichtete ist gegenüber der Betreibenden aufgrund eines vollstreckbaren Urteils des Handelsgerichts Wien vom , 19 Cg 37/17p (im Folgenden: Exekutionstitel), verboten, eine „Exklusivität“ ihrer redaktionellen Berichterstattung zu behaupten, wenn dies nicht den Tatsachen entspricht, insbesondere wenn fälschlich ein „exklusives“ Interview mit Sebastian Kurz behauptet wird.

Die beantragte, ihr gegen die Verpflichtete aufgrund dieses Exekutionstitels die Exekution gemäß § 355 EO wegen eines näher behaupteten Verstoßes zu bewilligen und über die Verpflichtete eine Geldstrafe zu verhängen.

In ihrer zur Strafhöhe nach § 358 Abs 2 EO eingeräumten Äußerung wies die im Wesentlichen darauf hin, dass die Betreibende zum behaupteten Titelverstoß vor dem Handelsgericht Wien eine weitere Unterlassungsklage erhoben habe, die das rechtskräftige Urteil vom (im Folgenden: zweites Urteil) zur Folge hatte. Nach dem zweiten Urteil sei ihr gegenüber der Betreibenden verboten, eine „Exklusivität“ der von ihr verbreiteten Inhalte zu behaupten, wenn dies nicht den Tatsachen entspreche, insbesondere wenn fälschlich behauptet werde, sie habe über einen Skandal „exklusiv“ berichtet. Die zweite Klage sei wegen des (später) auch hier geltend gemachten Titelverstoßes eingeleitet worden. Der Wille der Verpflichteten sei bereits durch das zweite Urteil gebeugt worden. Dem Exekutionsantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, was die Verpflichtete – im Fall der Erteilung der Exekutionsbewilligung – mit einer Impugnationsklage geltend machen werde.

Das bewilligte die Exekution antragsgemäß und hielt fest, dass der Titelverstoß nachvollziehbar und konkret behauptet worden sei. Auf das Rechtsschutzinteresse könne nicht eingegangen werden.

Das gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts in eine Antragszurückweisung ab. Es verneinte das Vollstreckungsinteresse der Betreibenden. Dieses liege in der Unterlassungsexekution darin, dass sich das willensbeugende Element der Geldstrafe einerseits zur Erzwingung künftigen titelgemäßen Verhaltens und andererseits zur Bestrafung begangenen Zuwiderhandelns entfalten könne, um so weitere Eingriffe in die durch den Exekutionstitel gesicherte Rechtsposition hintanzuhalten. Das Vollstreckungsinteresse der Betreibenden sei hier zu verneinen, weil sie wegen desselben Verstoßes bereits das zweite Urteil erwirkt habe, das selbst wieder ein Exekutionstitel sei, weshalb wegen dessen Einmaligkeitswirkung der Verstoß nicht auch noch zum Gegenstand einer (Unterlassungs)Exekution gemacht werden könne. Damit schließe die Einmaligkeitswirkung des zweiten Urteils eine neuerliche Geltendmachung des Anspruchs im Rahmen eines Exekutionsverfahrens aus. Zudem käme eine Verhängung einer Geldstrafe bei Bewilligung der Unterlassungsexekution einer neuerlichen Verurteilung der Verpflichteten gleich und wäre eine unzulässige zivilrechtliche „Doppelbestrafung“.

Das bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob ein Verstoß gegen einen Exekutionstitel nach dessen neuerlicher Einklagung (und Erwirkung eines Urteils) auch Gegenstand einer Unterlassungsexekution sein kann.

Dagegen richtet sich der der mit dem Antrag auf Abänderung in eine Wiederherstellung der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts.

Die erstattete (unaufgefordert) eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist aus Gründen der Rechtssicherheit und , weil das Rekursgericht von gesicherten Grundsätzen des Zivilverfahrens abgewichen ist.

1. Das Rekursgericht stützte die Unzulässigkeit des Exekutionsantrags unter anderem auf die Einmaligkeitswirkung des zweiten Urteils.

1.1 Die in § 411 ZPO angeordnete Einmaligkeitswirkung schließt zwischen gleichen Parteien die neuerliche Anhängigmachung eines , das auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt wird, aus und verwehrt eine inhaltliche Entscheidung über dieses Rechtsschutzbegehren (RS0041115 [T2, T 6]).

1.2 Das Rechtsmittel weist zutreffend darauf hin, dass der Gegenstand des Exekutionsverfahrens ein anderer ist als der eines Erkenntnisverfahrens. Während das Erkenntnisverfahren dazu dient, einen materiellrechtlichen Anspruch zu prüfen und – im Fall seiner Bejahung – darüber einen Titel zu schaffen, dient das Exekutionsverfahren dazu, einen bereits titulierten Anspruch zwangsweise durchzusetzen, ohne dabei die materiellrechtliche Berechtigung zu prüfen. Im Gegensatz zum Titelverfahren hat das Bewilligungsgericht im Exekutionsverfahren daher gerade nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hat (RS0000217; RS0000279). Dieser strukturelle Unterschied kommt im bekannten, Rosenberg zugeschriebenen Diktum zum Ausdruck, wonach „im Prozess verhandelt, im Vollstreckungsverfahren gehandelt wird“.

1.3 Der auf die Durchsetzung des vollstreckbaren (titulierten) Anspruchs gerichtete Exekutionsantrag ist daher nicht ident mit dem im Prozess erhobenen Klagebegehren, mit dem erst ein Titel über einen materiellrechtlichen Anspruch erwirkt werden soll. Schon wegen dieser fundamentalen Unterschiede zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren kann die Einmaligkeitswirkung eines Urteils nicht auf das Exekutionsverfahren ausstrahlen. Exekutionsantrag und Klage beinhalten nicht „gleiche Begehren“.

1.4 Das unterscheidet die hier vorliegende Konstellation vom (vom Rekursgericht erwähnten) Fall eines grundbücherlichen Eintragungsantrags, der sich inhaltlich mit einem Exekutionsantrag nach § 350 EO deckt.

2. Auch der Hinweis auf das Doppelbestrafungsverbot kann die Zurückweisung des Exekutionsantrags nicht stützen. Eine Unterlassungsklage zielt nämlich (nur) darauf ab, dass dem Beklagten mit Urteil künftig eine bestimmte Handlung untersagt (verboten) wird. Damit ist noch keine „Bestrafung“ für die bisherigen (rechtswidrigen) Handlungen verbunden. Nur ein Verstoß gegen eine titelmäßig gedeckte Unterlassungsverpflichtung kann zur Verhängung einer Geldstrafe im Wege des Exekutionsverfahrens (§ 355 Abs 1 EO) führen. Eine Bestrafung liegt damit nicht vor.

3. Schließlich kann die Zurückweisung auch nicht mit dem Fehlen des Vollstreckungsinteresses begründet werden. Der Hinweis des Rekursgerichts, dass die Betreibende wegen desselben Verstoßes „bereits“ das zweite Urteil erwirkte, überzeugt nicht. Die bloße Existenz eines (weiteren) Unterlassungstitels kann dem Titelgläubiger nicht die Möglichkeit nehmen, die auf die Verhängung von Geldstrafen abzielende Exekution gegen den Schuldner einzuleiten. Es kann im Exekutionsbewilligungsverfahren auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Wille der Verpflichteten bereits durch die Existenz des zweiten Urteils gebeugt wurde, zumal der (erste) Exekutionstitel einen entsprechenden Titelverstoß ebenso nicht verhindern konnte. Bezeichnenderweise moniert die Verpflichtete den Umstand, dass die Betreibende aus Anlass des nunmehrigen Verstoßes ein weiteres Titelverfahren eingeleitet habe, anstatt aufgrund des bereits bestehenden Exekutionstitels einen Exekutionsantrag nach § 355 EO zu stellen. Damit hinterfragt sie zwar die hier nicht zu prüfende (RS0013464 [T1, T 2]) Zulässigkeit/Berechtigung der zweiten Klage, gesteht der Betreibenden aber implizit ein Interesse an einem Antrag nach § 355 EO „wegen eines Verstoßes gegen den nunmehr herangezogenen Exekutionstitel“ zu.

4. Dem Revisionsrekurs war daher stattzugeben und der erstgerichtliche Bewilligungsbeschluss, der auch weder hinsichtlich der Strafhöhe noch der Kostenentscheidung korrekturbedürftig ist, wiederherzustellen.

5. Der Betreibenden sind gemäß § 41, 50 ZPO iVm § 78 EO die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.

Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren einseitig. Weder die von der Betreibenden erstattete Rekursbeantwortung noch die (ohnehin erfolglose) Revisionsrekursbeantwortung der Verpflichteten war aber mangels gesetzlicher Anordnung zurückzuweisen (RS0118686 [T11]). Die Rechtsmittelbeantwortungen dienten allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und sind daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00232.19T.1217.000
Schlagworte:
Vollstreckungsinteresse - Mehrheit von Exekutionstiteln,

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