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OGH vom 19.11.2014, 6Ob17/14i

OGH vom 19.11.2014, 6Ob17/14i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Rundfunk (ORF), 1136 Wien, Würzburggasse 30, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Veröffentlichung (Streitwert 32.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 172/13w 12, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 53 Cg 67/12t 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben .

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 4.203 EUR (darin 473,50 EUR Umsatzsteuer und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Holdinggesellschaft der N*****-Gruppe.

Am strahlte der ORF im Rahmen des Mittagsjournals im Radio Niederösterreich ein Interview mit T***** H*****, dem damaligen Landesgeschäftsführer der politischen Partei *****, aus, in welchem es um das Glücksspielgesetz ging.

Daraufhin brachte die Klägerin wegen verschiedener Aussagen in diesem Interview beim Landesgericht St. Pölten zu 24 Cg 62/10f eine Klage gegen T***** H***** gemäß § 1330 ABGB ein und obsiegte auch in diesem Verfahren. T***** H***** wurde zum Widerruf bestimmter Äußerungen und zu dessen Veröffentlichung in Radio Niederösterreich verurteilt. Der ORF war nicht Partei dieses Verfahrens.

Nachdem T***** H***** den ORF mit der Veröffentlichung des Widerrufs in Radio Niederösterreich beauftragt und der ORF die Veröffentlichung mit dem Hinweis abgelehnt hatte, dazu nicht verpflichtet zu sein, beantragte die Klägerin die Bewilligung der Exekution gegen T***** H***** gemäß § 353 EO. Diese Exekution wurde bewilligt und die Klägerin ermächtigt, die Veröffentlichung des Widerrufs im Namen und auf Kosten T***** H*****s in Frist und Form des § 13 MedienG in Radio Niederösterreich vorzunehmen. Daraufhin beauftragte die Klägerin den ORF mit Schreiben vom 8. 5. und vom mit der Veröffentlichung des Widerrufs, was der ORF ohne Angabe von Gründen ablehnte.

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des ORF zur Veröffentlichung des T***** H***** zu 24 Cg 62/10f des Landesgerichts St. Pölten aufgetragenen Widerrufs in Radio Niederösterreich in Frist und Form des § 13 MedienG, in eventu die Verpflichtung zum Widerruf jener Äußerungen, die zuvor bereits T***** H***** untersagt worden waren, und dessen Veröffentlichung. Der ORF habe die Veröffentlichung ohne Begründung abgelehnt, obwohl ihn eine Kontrahierungspflicht treffe. Außerdem hafte der ORF infolge seiner Weigerung selbst für die unwahren ehrenbeleidigenden und kreditschädigenden Äußerungen T***** H*****s. Die Ablehnung des Anspruchs der Klägerin sei verfassungswidrig, laufe sie doch dem Schutz des Privat und Familienlebens nach Art 8 und 10 EMRK zuwider.

Der beklagte ORF beruft sich darauf, zu dieser Veröffentlichung nicht verpflichtet zu sein. Für die Verweigerung der Veröffentlichung bestehe nicht nur ein sachlicher, sondern auch ein aus § 46 MedienG ersichtlicher gesetzlich anerkannter Grund. Bei Ansprüchen nach § 1330 ABGB bestehe kein Kontrahierungszwang, für die Veröffentlichung des Widerrufs stünden genügend andere Medien zur Verfügung. Im Übrigen seien die Äußerungen T***** H*****s weder ehrenbeleidigend noch kreditschädigend gewesen.

Das Erstgericht verpflichtete den ORF zur Veröffentlichung im Sinn des Hauptbegehrens, dürfe dieser doch die Übernahme von Werbeaufträgen nur aus zulässigen Gründen ablehnen; solche seien vom ORF aber nicht geltend gemacht worden.

Das Berufungsgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualklagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige; die Revision sei nicht zulässig.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, anders als § 85 Abs 4 UrhG und § 25 Abs 7 UWG enthalte § 1330 ABGB keine Regelung, die einen Medienunternehmer, in dessen Medium die kreditschädigenden Tatsachen verbreitet wurden, verpflichteten, den Widerruf zu veröffentlichen. Es handle sich hiebei auch nicht um eine gerichtliche Entscheidung im Sinn des § 46 Abs 2 MedienG. Für eine unsachliche Ungleichbehandlung der Klägerin durch den ORF wäre die Klägerin beweispflichtig; eine solche sei auch nicht erkennbar. Auch bei einer Veröffentlichung des Widerrufs in derselben Sendung, in der die Äußerungen gemacht worden seien, bestehe lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dieselben Hörer zu erreichen. Eine Monopolstellung des ORF sei nicht allein dadurch entstanden, dass die Klägerin im Verfahren gegen T***** H***** eine Veröffentlichung in Radio Niederösterreich begehrt habe, ohne den ORF zuvor einzubinden. Schließlich verwies das Berufungsgericht auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der ORF grundsätzlich nicht verpflichtet sei, eine Widerrufserklärung hinsichtlich kreditschädigender Äußerungen zu veröffentlichen.

Zum Eventualbegehren meinte das Berufungsgericht, der ORF sei im Hinblick auf § 6 Abs 2 Z 4 MedienG gerechtfertigt, weil in seiner Sendung die Äußerungen T***** H*****s wahrheitsgetreu wiedergegeben worden seien und ein überwiegendes öffentliches Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis dieser Äußerungen bestanden habe. Eine eigene Verpflichtung des ORF zum Widerruf dieser Äußerungen und zu dessen Veröffentlichung bestehe deshalb nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden, dass den Bestimmungen des (damals geltenden) Rundfunkgesetzes zwar nicht zu entnehmen ist, dass dem ORF eine (freiwillige) Veröffentlichung gerichtlich angeordneter Widerrufserklärungen verboten wäre; allerdings bestehe keine (ausdrückliche gesetzliche) Verpflichtung des ORF zu derartigen Veröffentlichungen in welcher Sendung auch immer, sodass der Geschädigte das Risiko dafür trage, dass die ihm zuerkannte Veröffentlichung im Fernsehen oder im Rundfunk mangels Bereitschaft des ORF schließlich unterbleibt (6 Ob 95/97g).

Durch das ORF Gesetz hat sich an dieser Gesetzeslage nichts geändert; nach dessen § 5 Abs 6 besteht lediglich eine Veröffentlichungsverpflichtung hinsichtlich behördlicher und privater (hier nicht einschlägiger) Aufrufe. Aufgrund der Ausführungen der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision war die in der Entscheidung 6 Ob 95/97g vertretene Rechtsauffassung jedoch einer Überprüfung zu unterziehen.

2. Nach § 46 Abs 1 MedienG müssen in periodischen Medienwerken, die Anzeigen veröffentlichen, unter anderem gerichtliche Entscheidungen, auf deren Veröffentlichung in diesem Medienwerk erkannt worden ist, in der gesamten Ausgabe gegen Vergütung des üblichen Einschaltungsentgelts veröffentlicht werden; nach Abs 2 sind aber in den Programmen des Rundfunks nur solche gerichtliche Entscheidungen zu veröffentlichen, die sich auf eine Veröffentlichung in einer Sendung des betreffenden Programms beziehen.

Da die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht die Veröffentlichung des gegen T***** H***** zu 24 Cg 62/10f des Landesgerichts St. Pölten ergangenen Urteils, sondern die Veröffentlichung des Widerrufs T***** H*****s begehrt, scheidet die Anwendung dieser Bestimmung aus. Gegen eine extensive Auslegung mediengesetzlicher Bestimmungen spricht nämlich eine historische Interpretation. In der Präambel zum MedienG wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Zweck des MedienG darin besteht, die volle Freiheit der Medien zur Sicherung der Meinungsäußerungsfreiheit zu gewährleisten (EB zur RV 2 XV. GP 22; vgl auch 6 Ob 2018/96). Die Mediengesetznovelle 1992 wollte zwar bestehende Defizite im Bereich des Persönlichkeitsschutzes beheben (EB zur RV 503 XVIII. GP 8), änderte aber gerade nichts an der Veröffentlichungspflicht nach § 46 MedienG. Zieht man diese Wertungen des historischen Gesetzgebers heran, widerspricht eine analoge Anwendung von Bestimmungen, die diese Freiheit einschränken, dem Gesetzeszweck. Im Ergebnis kann daher die Verpflichtung des § 46 MedienG nicht für eine Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Widerrufs herangezogen werden.

3. Nach § 85 Abs 4 UrhG und § 25 Abs 7 UWG ist die Veröffentlichung auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder eines anderen vollstreckbaren Exekutionstitels vom Medienunternehmer ohne unnötigen Aufschub vorzunehmen; diese Bestimmungen beziehen sich auf Exekutionstitel, welche ihre Grundlage in den genannten Gesetzen haben.

3.1. Derartige Regelungen kennt § 1330 ABGB hinsichtlich des Anspruchs des Geschädigten auf Widerruf von Äußerungen nicht, auch wenn er dem Geschädigten ebenfalls einen Anspruch auf Veröffentlichung des Widerrufs zugesteht. Eine unmittelbare Anwendung der genannten Bestimmungen kommt somit nicht in Betracht.

3.2. Die Klägerin meint in ihrer außerordentlichen Revision, der sich aus den urheber- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen ergebende Kontrahierungszwang von Medienunternehmen sei auch für Widerrufsveröffentlichungen nach § 1330 ABGB einschlägig.

Allerdings setzt ein Analogieschluss hier von Bestimmungen des UWG/UrhG auf § 1330 ABGB eine Gesetzeslücke voraus, das heißt der Rechtsfall kann nach dem Gesetz nicht beurteilt werden, bedarf jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung; es muss daher eine „planwidrige Unvollständigkeit“, eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (4 Ob 2074/96w SZ 69/109; 3 Ob 215/02t SZ 2002/178). Ohne Vorliegen einer Regelungslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten hingegen nicht zu (3 Ob 215/02t). Dass bei Ansprüchen, die aus dem UWG abgeleitet werden, und bei Ansprüchen nach § 1330 ABGB gerade im Hinblick auf die Beseitigung eingetretener Folgen Unterschiede bestehen, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 215/02t ausführlich dargelegt und eine analoge Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (konkret des § 15 UWG) abgelehnt. Dem schließt sich der erkennende Senat auch für § 25 Abs 7 UWG und § 85 Abs 4 UrhG an.

3.3. Die im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen der EMRK sehen in bestimmten Bereichen neben reinen Abwehrrechten gegenüber staatlichen Eingriffen auch Gewährleistungspflichten des Staates dergestalt vor, dass dieser die Durchsetzung der in der EMRK eingeräumten Rechte gewährleisten muss. Beruft sich die Klägerin daher zur Durchsetzung ihrer Rechte in der außerordentlichen Revision auf Art 8 und Art 10 EMRK, könnte ein Anspruch nur dann bestehen, wenn eine bestehende Norm in verfassungskonformer Weise ausgelegt werden kann, um einen nach den Bestimmungen der EMRK erforderlichen Anspruch zu ermöglichen. Die verfassungskonforme Interpretation als Auslegungsmethode stellt letztlich eine Wahl zwischen möglichen Auslegungsergebnissen dar, bei der jener der Vorzug gegeben wird, die in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung ist ( Khakzadeh , Die verfassungskonforme Interpretation in der Judikatur des VfGH, ZÖR 2006, 201; Berka , Verfassungsrecht 5 [2013] Rz 94; Öhlinger/Eberhard , Verfassungsrecht 10 [2014] Rz 36). Die verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die EMRK können daher im Ergebnis nur dazu dienen, einer möglichen Auslegung den Vorzug gegenüber einer anderen möglichen Auslegung einzuräumen, um dadurch die Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung zu verhindern. Die Grenze ist dabei aber jedenfalls der äußerste Wortsinn einer Bestimmung. Ist die Auslegung hingegen nicht zweifelhaft, kann und darf eine Bestimmung nicht verfassungskonform ausgelegt werden, selbst wenn das Auslegungsergebnis der Verfassung widerspricht (VfSlg 11.036/1986; Berka , Verfassungsrecht 5 Rz 94). Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch lässt sich § 1330 ABGB jedoch nicht entnehmen, § 25 Abs 7 UWG und § 85 Abs 4 UrhG sind hier nicht anwendbar.

Dies erkennt offensichtlich auch die Klägerin, weist sie doch in ihrer außerordentlichen Revision selbst darauf hin, dass die „Republik Österreich die positive Verpflichtung [ treffe ], den guten Ruf einer Person effektiv zu schützen; folglich [ müsse ] im Ergebnis die Möglichkeit bestehen, auf ehrenbeleidigende und insbesondere kreditschädigende Äußerungen mit der Veröffentlichung eines Widerrufs als wesentliches Element des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes reagieren zu können“.

4.1. Die Klägerin beruft sich weiters auf die Monopolstellung des ORF, sei dieser doch die einzig öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Republik Österreich. Daraus schließt sie, dass der ORF „zum Vertragsabschluss verpflichtet“ sei („Abschlusszwang“); er dürfte „die Erbringung von Leistungen nur aus sachlichen Gründen verweigern“. Darauf braucht jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil die Klägerin die Veröffentlichung des Widerrufs nicht etwa im Rahmen einer (entgeltlichen) Werbesendung in Radio Niederösterreich, sondern „in Frist und Form des § 13 MedienG“ anstrebt, also im Rahmen des Mittagsjournals in Radio Niederösterreich. Dass nach der Rechtsprechung des VfGH (B 658/85) die Vergabe von Sendezeiten für kommerzielle Werbung an Interessenten nicht willkürlich und parteiisch sein darf und generell die einseitige Bevorzugung bestimmter Richtungen oder der Ausschluss einzelner Unternehmen verboten ist, vermag somit den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht zu begründen.

4.2.

Gemäß Art I Abs 2 BVG-Rundfunk obliegt es dem Gesetzgeber, bei der näheren Ausgestaltung der Rundfunktätigkeit Bestimmungen festzulegen, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und die Ausgewogenheit der Programme gewährleisten. Die nähere Ausgestaltung des Objektivitätsgebots findet sich in § 4 Abs 5 ORF-G. Die Bestimmung gilt aufgrund des Wortlauts zunächst nur für das Informationsangebot des ORF, somit für die eigenen, redaktionell gestalteten Programmangebote. Darüber hinaus enthalten auch die in § 10 ORF-G enthaltenen Programmgrundsätze in Abs 5 eine Forderung nach umfassender, unabhängiger, unparteilicher und objektiver Information in sämtlichen Sendungen des ORF.

4.2.1.

§ 4 Abs 5 ORF-G enthält inhaltliche Vorgaben für die Gestaltung der Programmsendungen durch den ORF insoweit, als dem ORF eine objektive, sachlich ausgewogene Berichterstattung auferlegt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundeskommunikationssenats kommt es zur Wahrung des Objektivitätsgebots darauf an, dass beim Durchschnittsbetrachter kein einseitig verzerrter Eindruck im Rahmen der Berichterstattung geweckt wird. Das Objektivitätsgebot verpflichtet den ORF dazu die Pro- und Kontrastandpunkte voll zur Geltung kommen zu lassen (BKS 611.909/003-BKS/2002; vgl auch Kogler/Traimer/Truppe , Österreichische Rundfunkgesetze 3 [2011] § 4/22). Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang dem Grundsatz des „audiatur et altera pars“ zu. Eine selektive und unvollständige Informationsauswahl in einem Beitrag dadurch, dass Stellungnahmen eines Betroffenen nicht ausreichend wiedergegeben werden, ist deshalb mit dem Objektivitätsgebot nicht vereinbar (BKS GZ 611.980/0003-BKS/2010).

4.2.2. Diese Wertung findet sich auch in § 9 MedienG, der für die Gestaltung journalistischer Beiträge grundsätzlich die Möglichkeit einer Gegendarstellung einräumt. Der Anspruch auf eine Gegendarstellung steht nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gegen Tatsachenmitteilungen zu, die in einem periodischen Medium verbreitet worden sind. Bei Rundfunkprogrammen ging man bei der Schaffung des § 9 MedienG davon aus, dass jedes der vom ORF ausgestrahlten Programme als periodisches Medium anzusehen ist ( Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll , Mediengesetz 3 [2012] § 9 Rz 2).

4.2.3. Zwar geht aus dem Wortlaut des § 90 MedienG eindeutig hervor, dass vor diesem Hintergrund nur die Möglichkeit zu einer Gegendarstellung gegeben werden muss, wenn Tatsachenbehauptungen in einem periodischen Medium erfolgen, ohne dabei ausdrücklich eine Veröffentlichungsverpflichtung für Widerrufsansprüche festzuhalten. Ein unmittelbar darauf gestützter Anspruch auf die Veröffentlichung eines Widerrufs käme daher nicht in Betracht. Allerdings kommt vor dem Hintergrund des Objektivitätsgebots der Wertung dieser Bestimmung insoweit Bedeutung zu, als man sie zur Beurteilung des objektiven Verhaltens bei der Ablehnung der Veröffentlichung des Widerrufs heranzieht. Eine gegen das Objektivitätsgebot verstoßende Darstellung liegt dann vor, wenn der Inhalt einer Sendung zu einer einseitigen oder unvollständigen Darstellung führt. Eine einseitig verzerrte Darstellung kann aber nicht nur dann gegeben sein, wenn dem von bestimmten in einer Sendung gemachten Behauptungen Betroffenen keine Möglichkeit zur Gegendarstellung gegeben wird. Diese Darstellung bleibt jedenfalls unabhängig von einer etwa gemachten Gegendarstellung dann einseitig, wenn eine sich zwischenzeitlich als unrichtig erwiesene Tatsachenbehauptung insofern gegenüber dem angesprochenen Publikum als „wahr“ aufrechterhalten wird, als dem Publikum die Möglichkeit vorenthalten wird, vom Widerruf Kenntnis zu nehmen, weil die Veröffentlichung der Verlesung des Widerrufs abgelehnt wird.

Im Ergebnis ist es somit nicht von entscheidender Bedeutung, wie der verzerrte Eindruck, der als nicht mehr objektiv angesehen wird, entstanden ist. Die fehlende Möglichkeit zur ausreichenden Darstellung der eigenen Position wirkt sich für den Betroffenen in vergleichbarer Weise aus wie die Weigerung, einen Widerruf zu veröffentlichen.

4.2.4. Der von der Klägerin angestrebten Veröffentlichung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Widerrufs im Mittagsjournal in Radio Niederösterreich steht auch § 46 Abs 2 MedienG, auf den sich der ORF in einem Größenschluss beruft, nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind in den Programmen des Rundfunks nur solche gerichtlichen Entscheidungen zu veröffentlichen, die sich auf eine Veröffentlichung in einer Sendung des betreffenden Programms beziehen. Die von der Klägerin inkriminierten Äußerungen T***** H*****s fielen aber gerade im Mittagsjournal.

5. Dieses im Wege des Objektivitätsgebots erzielte Ergebnis lässt sich im Übrigen auch mit jenen Überlegungen begründen, auf welche die Klägerin ihr Eventualbegehren gestützt hat.

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fällt selbst das bloße Weitergeben kreditschädigender Behauptungen eines Dritten, ohne sich mit dessen Äußerungen zu identifizieren, unter § 1330 ABGB (4 Ob 2205/96k; 4 Ob 40/04t SZ 2004/35), weshalb nach § 1330 Abs 2 ABGB haftet, wer verursacht, dass die Tatsache einem größeren Kreis von Menschen bekannt wird; in diesem Sinn ist nicht nur der Verleger eines Buches oder einer periodischen Druckschrift „Verbreiter“ der darin veröffentlichten Behauptungen, sondern auch der Medieninhaber (Verleger), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um redaktionelle Artikel, einen Leserbrief oder um ein Zeitungsinterview handelt (6 Ob 30/95 SZ 68/136). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist hier beachtlich, dass die Äußerungen T***** H*****s in einer Sendung des ORF fielen.

5.2. Nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden hat. Bei diesem Rechtfertigungsgrund sind aber auch die Interessen des Verletzten zu bedenken, die nach dem Willen des Gesetzgebers gegenüber dem Medieninhaber (Verleger) offenbar nur deshalb zurücktreten sollen, weil er sich immer noch gegen den Dritten zur Wehr setzen kann, dessen Äußerung, an deren Kenntnis ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit besteht, wahrheitsgetreu wiedergegeben wurde. Daraus folgt aber, dass jedenfalls dann, wenn der Verletzte für den Medieninhaber (Verleger) objektiv erkennbar auch gegen den Urheber der Äußerung schutzlos bliebe, der Rechtfertigungsgrund nicht zum Tragen kommen kann (RIS Justiz RS0064448). Gerade diese Schutzlosigkeit der verletzten Klägerin wäre hier aber im Verhältnis zu T***** H***** gegeben.

6.1. Zusammenfassend ist deshalb der ORF zur Veröffentlichung des Widerrufs T***** H*****s im Mittagsjournal in Radio Niederösterreich verpflichtet, weil die von der Klägerin im Hauptverfahren inkriminierten Äußerungen in einer dieser Sendungen erfolgten und es dem dem ORF gesetzlich auferlegtenObjektivitätsgebot widersprechen würde, könnten weder der Verletzer noch der Verletzte durchsetzen, dass der die Ehre oder den guten Ruf des Verletzten wiederherstellende Widerruf des Verletzers vom ORF auch tatsächlich in äquivalenter Weise gesendet wird. Die in der Entscheidung 6 Ob 95/97f vertretene Auffassung wird nicht aufrecht erhalten. Dem Hauptklagebegehren war somit statt zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

6.2. Eine nähere Auseinandersetzung mit der dem Eventualbegehren zugrunde liegenden Überlegung, dass neben dem (verschuldensabhängigen) Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB auch ein (verschuldensunabhängiger) Beseitigungsanspruch des Geschädigten bestehen könnte (in diesem Sinn 4 Ob 370/32 SZ 14/201 [„Abgabe oder Veröffentlichung einer bestimmten Erklärung“]; Koziol , Die Haftung für kreditschädigende Berichte in Massenmedien, JBl 1993, 613; vgl auch Jabornegg in Strasser , Privatrecht und Umweltschutz [1976] 48), der sich dann bereits im Hauptverfahren gegen den Medienunternehmer richten müsste, bedarf es somit nicht.

7. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00017.14I.1119.000