OGH vom 19.12.2013, 3Ob232/13h

OGH vom 19.12.2013, 3Ob232/13h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei U*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Rechtsanwälte Weissborn Wojnar Kommandit Partnerschaft in Wien, gegen die verpflichtete Partei Z*****, vertreten durch Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 216/13f 23, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 28 E 193/09f-20, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zur Vorlage an das Rekursgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom sprach das Erstgericht die Einstellung der fortgesetzten Räumungsexekution aufgrund eines rechtskräftigen Impugnationsurteils vom gemäß § 36 Abs 3 EO (Punkt 1.), die Bewilligung des neuerlichen Vollzugs der Räumungsexekution aufgrund eines Fortsetzungsantrags vom (Punkt 2.) und die Verpflichtung der verpflichteten Partei zum Kostenersatz (Punkt 3.) aus.

Dagegen wurde nur vom Verpflichteten Rekurs erhoben, und zwar gegen die Punkte 2. und 3. Diesem gab das Rekursgericht Folge und änderte die beiden Punkte dahin ab, dass der Fortsetzungsantrag zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass die Betreibende die Kosten selbst zu tragen hat. Die unbekämpft gebliebene Einstellung der Exekution sei als das durch gerichtlichen Beschluss angeordnete endgültige Abbrechen des Exekutionsverfahrens zu verstehen, das nicht mehr fortgesetzt werden könne. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Die Zustellung der Rekursentscheidung an den Vertreter der Betreibenden erfolgte am ; der letzte Tag der 14 tägigen Rechtsmittelfrist fiel daher auf den .

Gegen die Rekursentscheidung brachte die Betreibende am

- einen an das Erstgericht adressierten und dort eingebrachten außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof (ON 26) im ERV ein, in dem zur Zulässigkeit argumentiert wird, die Einstellung der Räumungsexekution führe gemäß § 575 Abs 2 ZPO dazu, dass die bereits bewilligte Räumungsexekution nicht mehr vollzogen werden könne; damit werde aber (auch) der titulierte Räumungsanspruch selbst beseitigt und daher über diesen entschieden, sodass der Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO verwirklicht sei;

- einen an das Rekursgericht adressierten und dort eingebrachten Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs samt ordentlichem Revisionsrekurs (ON 28) im ERV ein, der beim Erstgericht erst am einlangte (Eingangsvermerk AS 99).

Zum Abänderungsantrag traf das Erstgericht keine Entscheidung, er wurde dem Rekursgericht auch noch nicht vorgelegt. Das Erstgericht legte nur den außerordentlichen Revisionsrekurs (ON 26) dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Das widerspricht aus folgenden Gründen der Rechtslage:

1. Für die Frage, ob der außerordentliche Revisionsrekurs das prozessrechtlich zutreffend erhobene Rechtsmittel gegen die erst vom Rekursgericht ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Fortsetzung der Räumungsexekution ist, kommt es darauf an, ob von einer Rechtsstreitigkeit iSd § 502 Abs 5 Z 2 ZPO auszugehen ist.

Das ist nach der ständigen Judikatur des erkennenden Senats zu verneinen, weil die Entscheidung über die Durchsetzung des bereits in vollstreckbarer Form festgestellten Räumungsanspruchs im Unterschied zu jener über den materiell-rechtlichen Räumungsanspruch diesem Ausnahmetatbestand nicht zu unterstellen ist (RIS Justiz RS0115036).

Der Verweis der Betreibenden auf § 575 Abs 2 ZPO rechtfertigt keine andere Beurteilung. Durch die Unterlassung alsbaldiger Exekutionsführung iSd § 575 Abs 2 ZPO tritt nämlich keine Änderung der materiell rechtlichen Beziehungen der Parteien ein, weil das materielle Recht, den Bestandgegenstand geräumt übergeben zu erhalten, durch den Ablauf der Sechsmonatsfrist nicht verloren geht. Ein beendetes Bestandverhältnis bleibt beendet, der frühere Bestandnehmer ist weiterhin zur Zurückstellung der Bestandsache iSd § 1109 ABGB verpflichtet; der Räumungsanspruch muss allerdings neuerlich im Wege der Kündigung, eines Antrags nach § 567 ZPO oder einer Klage wegen - jetzt titelloser Benützung - geltend gemacht werden (3 Ob 179/07f mwN = SZ 2008/28; RIS Justiz RS0020831; Weixelbraun in Fasching/Konecny ² § 575 ZPO Rz 17).

2. Unter diesen Voraussetzungen hatte die Betreibende gemäß § 528 Abs 2a ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3, § 508 ZPO (hier iVm § 78 EO) einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht zu stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Der Oberste Gerichtshof ist in solchen Fällen zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses funktionell unzuständig. Dies gilt auch, wenn das Rechtsmittel wie hier als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird (vgl § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO) und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Ein solches Rechtsmittel der Klägerin wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern vielmehr dem Rekursgericht vorzulegen gewesen; dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben. Ob der nur an den Obersten Gerichtshof gerichtete Revisionsrekurs einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (stRsp, RIS Justiz RS0109620).

3. Dieser Vorlage an das Rekursgericht steht der bereits eingebrachte Abänderungsantrag nicht entgegen. Bei sinnvoller Deutung des Vorgehens der Betreibenden muss dieser nämlich zu ihren Gunsten als (eventualiter) vorweggenommene Verbesserung des „außerordentlichen“ Revisionsrekurses angesehen werden, sodass er weder mit dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (vgl RIS Justiz RS0041666) im Konflikt steht, noch als verspätet zu beurteilen ist.

Der Akt ist daher vom Erstgericht dem Berufungsgericht vorzulegen, das über den Abänderungsantrag zu entscheiden haben wird.