OGH 16.02.2012, 6Ob17/12m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen M***** GmbH mit dem Sitz in *****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführer W***** F*****, W***** Z***** und C***** A*****, alle vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 497/11d-8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 73 Fr 11191/11m-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Nach herrschender Auffassung hat das Firmenbuchgericht mit der Verhängung von Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB auch bei Unvollständigkeit und Formverstößen dann vorzugehen, wenn der Verstoß gegen § 281 UGB sich gleichzeitig als Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB darstellt (6 Ob 262/09m; Zehetner in Straube HGB II² § 281 Rz 98). Die Auffassung der Vorinstanzen, wonach die Nichteinreichung der Gewinn- und Verlustrechnung als Teil des Jahresabschlusses (Fellinger in Straube UGB³ § 277 Rz 4) den Tatbestand des § 283 UGB erfüllt, ist daher nicht zu beanstanden.
2. Die Revisionsrekursausführungen zum angeblich strafrechtlichen Charakter des Zwangsstrafenverfahrens nach § 283 UGB gehen ins Leere. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich beim Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB nicht um Strafen iSd Art 6 EMRK handelt (6 Ob 154/05y; 6 Ob 262/09m ua). Dies gilt auch für die Neuregelung des Zwangsstrafenverfahrens durch das BudgetbegleitG 2011 (6 Ob 235/11v). Dies entspricht auch der herrschenden Auffassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofs sowie im Schrifttum. Demnach ist die Verhängung von Zwangsstrafen oder Beugestrafen nicht die Repression eines rechtlich verbotenen Verhaltens, sondern auf die Erzwingung rechtlich gebotenen Verhaltens gerichtet (EGMR , K gegen Österreich, Nr 16002/90, Rz 38 f; VfSlg 10.840; Grabenwarter/Pabel EMRK5 394; Kopetzki, Unterbringungsrecht I 177).
3. Die Ausgestaltung des Zwangsstrafenverfahrens durch das BudgetbegleitG 2011 ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verfassungsrechtlich unbedenklich (6 Ob 129/11f). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass gegen die Verfassungsgemäßheit der Umsetzung der Publizitätsrichtlinie EWG/RL 68/151/EWG, der Bilanzrichtlinie EWG-RL 78/660/EWG und der Änderungsrichtlinie zur Publizitätsrichtlinie EG/LR 2003/58/EG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, und zwar weder im Hinblick auf § 1 DSG noch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz (RIS-Justiz RS0113089; 6 Ob 142/11t).
4.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 6 Ob 235/11v klargestellt, dass entgegen der Auffassung des Rekursgerichts mit der Erlassung einer Zwangsstrafverfügung nicht der gesamte bis dahin andauernde Verstoß gegen die Offenlegungspflicht verfolgt wird, sondern nur derjenige für die betreffende Zweimonatsfrist gemäß § 283 Abs 1 letzter Satz und Abs 4 UGB. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch die jeweils zweimonatigen Strafperioden gemäß § 283 Abs 1 letzter Satz und Abs 4 UGB konkretisiert. Demnach ergeben sich bei einem Jahresabschlussstichtag 31. 12. die Bestrafungszeiträume mit 1. 10. bis einschließlich 30. 11. des Folgejahres, 1. 12. des Folgejahres bis einschließlich 31. 1. des darauf folgenden Jahres usw, wobei im Spruch jeder einzelnen Strafverfügung der Bestrafungszeitraum eindeutig auszudrücken ist.
4.2. Umgelegt auf den vorliegenden Fall, in dem die Gesellschaft den 30. 6. als Stichtag für den Jahresabschluss hat, ergeben sich somit nach der Erstbestrafung wegen nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses zum 31. 3. für die Verhängung von Folgestrafen die Bestrafungszeiträume 1. 4. bis einschließlich 31. 5. des Folgejahres, 1. 6. bis einschließlich 31. 7. des Folgejahres usw. Dabei ist dem Text der Strafverfügungen im vorliegenden Fall, wonach die Zwangsstrafen „wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung gemäß § 277 ff UGB, die Unterlagen für die Bilanz der Gesellschaft zum bis zum (Stichtag dieser Zwangsstrafverfügung) vollständig beim Firmenbuchgericht einzureichen“, mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass es sich um eine Erstverhängung handelt. Gegenstand dieser Strafverfügungen ist daher die Nichteinreichung bis zum Stichtag . Die Nichteinreichung während zweier weiterer Monate könnte demnach entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts ab die Verhängung weiterer Zwangsstrafverfügungen zur Folge haben.
4.3. Hingegen ist im ordentlichen Verfahren, das über rechtzeitigen Einspruch gegen die Zwangsstrafverfügung eingeleitet wird, die Angabe des entsprechenden Bestrafungszeitraums zwar zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich, weil der Verfahrensgegenstand des ordentlichen Verfahrens zwangsläufig mit demjenigen der Zwangsstrafverfügung ident ist, sodass sich der Bestrafungszeitraum bereits aus der zugrundeliegenden - durch Einspruch bekämpften - Zwangs-strafverfügung ergibt.
5.1. Zutreffend geht das Rekursgericht davon aus, dass im Zwangsstrafverfahren gemäß § 283 UGB kein Verbot der reformatio in peius besteht, weil das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird (§ 55 Abs 2 AußStrG). Das Rekursgericht kann daher den angefochtenen Beschluss auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei abändern, also innerhalb des Strafrahmens eine höhere Strafe verhängen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 122).
5.2. Die Ausmessung der Zwangsstrafe hängt grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0115833) und hat typischerweise eher schematisch und aufgrund objektiver Kriterien zu erfolgen, ohne dass es einer näheren Feststellung über die Vermögenslage der Geschäftsführer und der Gesellschaft bedarf (6 Ob 142/11t). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats darf die Zwangsstrafe nicht zu niedrig angesetzt werden, weil sie sonst dem Zweck eines Druckmittels für die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung nicht mehr dienen könnte (6 Ob 84/07g).
5.3. Im vorliegenden Fall handelt es sich gerichtsbekanntermaßen um eines der größten Medienunternehmen Österreichs. Schon dieser Umstand erfordert, die Zwangsstrafe entsprechend hoch auszumessen. Der mit Null ausgewiesene Bilanzgewinn ist demgegenüber - entgegen dem Standpunkt der Revisionsrekurswerber - kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Dazu kommt, dass die Nichteinreichung der Gewinn- und Verlustrechnung sogar vorsätzlich und trotz Hinweises des Erstgerichts auf die fehlenden Unterlagen erfolgte. Anders als bei dem vom Gesetzgeber offenbar im Interesse der Verfahrensökonomie einheitlich mit 700 EUR festgelegten Strafsatz für Zwangsstrafverfügungen konnten derartige individuelle Umstände des Einzelfalls bei der Ausmessung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren berücksichtigt werden. In der Erhöhung der Zwangsstrafe auf 3.600 EUR durch das Rekursgericht ist daher keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
6. Die nachträgliche Einreichung des Jahresabschlusses nach Verhängung der Zwangsstrafe steht lediglich einer Verhängung weiterer Zwangsstrafverfügungen für die betreffende Periode entgegen, hat aber keinen Einfluss auf die Höhe der wegen der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verletzung der Offenlegungspflicht zu verhängenden Zwangsstrafe. Eine später vorgenommene Einreichung des Jahresabschlusses macht die Beugemaßnahme nicht gegenstandslos, sondern ist regelmäßig ihr Erfolg (Zib in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 24 FBG Rz 2). Dies muss umso mehr für die nicht bereits tatsächlich erfolgte, sondern lediglich erst für die Zukunft in Aussicht gestellte Einreichung gelten.
7. Damit bringen die Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen M***** GmbH mit dem Sitz in W*****, über den Antrag der Gesellschaft und der Geschäftsführer W***** F*****, W***** Z***** und C***** A*****, alle vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, auf Berichtigung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 6 Ob 17/12m, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berichtigungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerber streben in Wahrheit nicht eine Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern iSd § 419 ZPO, sondern eine inhaltliche Korrektur des Zurückweisungsbeschlusses vom an. Dass der Verfahrensgegenstand des ordentlichen Verfahrens zwangsläufig mit demjenigen der Zwangsstrafverfügung ident ist, räumen die Revisionsrekurswerber ausdrücklich ein. Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof im Zurückweisungsbeschluss vom dargelegt, dass die vom Rekursgericht von Amts wegen vorgenommene Erhöhung der Zwangsstrafen keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufwirft, rechtfertigen doch schon die Größe und wirtschaftliche Stärke der betreffenden Mediengruppe sowie der Umstand, dass es sich um einen vorsätzlichen Verstoß handelte, die Verhängung einer Zwangsstrafe in der vom Rekursgericht ausgesprochenen Höhe. Auf die Richtigkeit der weiteren Überlegungen des Rekursgerichts kommt es damit aber nicht an, hängt doch dann eben die Entscheidung des Falls nicht mehr von der Richtigkeit weiterer Überlegungen ab.
Der auf eine unzulässige inhaltliche Abänderung des Zurückweisungsbeschlusses abzielende Berichtigungsantrag war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2012:0060OB00017.12M.0216.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAD-55660