OGH vom 16.10.2007, 5Ob217/07h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich S*****, vertreten durch Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. Josef L*****, wegen Handlung (Streitwert 30.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 120/07h-52, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Ein Mit- und Wohnungseigentümer begehrte von einem anderen Mit- und Wohnungseigentümer, auf den Bestandnehmer seines Wohnungseigentumsobjekts einzuwirken, dass dieser und dessen Lokalbesucher jeden die nächtliche Ruhe in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen störenden Lärm (insbesondere der durch Gespräche, Unterhaltungen, Streitigkeiten, Hupen, Autoradios im Lokal oder im Freien hervorgerufen wird) unterlassen sollten. Das Erstgericht erkannte den auf § 364 Abs 2 ABGB gestützten Anspruch des Klägers grundsätzlich als berechtigt, gab dem Urteilsspruch aber von Amts wegen die Fassung, der Beklagte sei schuldig, Lärm, der durch das in seinem Objekt befindliche Lokal innerhalb und außerhalb desselben verursacht wird und der die Ruhe des Klägers in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und/oder an Sonn- und Feiertagen stört, zu unterlassen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise und zwar dahin Folge, dass es diesen zur Einwirkung im Sinn des vom Kläger formulierten Begehrens verpflichtete.
Rechtliche Beurteilung
In seiner gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revision macht der Beklagte keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend:
1. Der Beklagte ist der Ansicht, das Berufungsgericht habe gegen § 462 Abs 1 ZPO verstoßen und entgegen dem Verbot der reformatio in peius dem erstinstanzlichen Klagebegehren stattgegeben. Diese Ansicht ist unzutreffend, weil der Beklagte die vom Erstgericht von Amts wegen vorgenommene Änderung der Fassung des Klagebegehrens in seiner Berufung ausdrücklich bekämpft, schon das Erstgericht im Grundsatz den auf § 364 Abs 2 ABGB gestützten Anspruch des Klägers als berechtigt erkannt hat und das Berufungsgericht nicht über das Begehren des Klägers hinausgegangen ist (zur Zulässigkeit der Anpassung des Urteilsspruchs [sogar] in dritter Instanz über Revision des unterlassungspflichtigen Beklagten s 4 Ob 250/06b = EvBl 2007/89, 499).
2. Der Beklagte meint, er habe die vom Kläger begehrte Einwirkungsverpflichtung bereits dadurch erfüllt, dass er seinen Bestandnehmer mit einem Nachtrag zum Mietvertrag angewiesen habe, Ruhestörungen zu unterlassen und die Hausordnung einzuhalten.
Diese Rechtsansicht des Beklagten ist unrichtig (vgl 5 Ob 240/03k =
wobl 2004/82, 336 [Call] = MietSlg 55.055 = NZ 2004/98, 373), weil
diesem notfalls etwa auch der Klageweg gegen seinen Bestandnehmer
offen steht (vgl 7 Ob 182/02v = JBl 2003, 372 = wobl 2003/141, 272; 5
Ob 86/03p = immolex 2003/167, 295 = JBl 2004, 238 = MietSlg 55.053).
Dass der Beklagte gegebenenfalls alles ihm Zumutbare gegen seinen
Bestandgeber und diesem zuzurechnende Störungen unternommen hat, muss
der Beklagte letztlich in einem allfälligen Impugnationsstreit
geltend machen (vgl 4 Ob 527/93; 5 Ob 240/03k = wobl 2004/82, 336
[Call] = MietSlg 55.055 = NZ 2004/98, 373).
3. Dem Beklagten fehlt die Erörterung der Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er auf seinen Bestandnehmer einwirken könne, Ruhestörungen „im Freien" hintanzuhalten. Judikatur zu dieser Frage im Zusammenhang mit § 81 SPG (Störung der öffentlichen Ordnung) liege nicht vor. Es wäre rechtswidrig und unzulässig, würde sein Bestandnehmer im Freien gegen Straßenpassanten oder Benützer öffentlicher Verkehrsflächen einschreiten. Dass die Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung umfasst, auf Dritte einzuwirken, auf die Einfluss genommen werden kann und dass als solche Dritte etwa Lieferanten, Gäste und Geschäftspartner in Frage kommen, entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0011737, insb [T2]). Die Wahrnehmung sicherheitspolizeilicher Aufgaben gegenüber unbeteiligten Dritten wird mit der bekämpften Entscheidung weder dem Beklagten noch seinem Bestandnehmer abverlangt.
4. Klärungsbedürftig erscheint dem Beklagten die Frage möglicher Immissionsabwehransprüche im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung im Rahmen einer rechtswirksamen Betriebsanlagengenehmigung. Zunächst entspricht es bereits ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass § 364 Abs 2 ABGB auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern anwendbar ist (RIS-Justiz RS0010614; RS0010591;
RS0010603 [T1]). Dass ein solcher Unterlassungsanspruch auch speziell
hinsichtlich des vom Bestandnehmer des Beklagten betriebenen Lokals
und ungeachtet der erteilten verwaltungsbehördlichen Genehmigung
grundsätzlich in Frage kommt, hat der erkennende Senat bereits in der
gerade dieses Objekt betreffenden E 5 Ob 59/05w (= immolex 2005/112,
279 [Prader] = NZ 2007/42, 148 = ecolex 2005, 836 = Zak 2005/60, 37 =
JBl 2006, 37) ausgesprochen, weshalb diese Fragen nicht neuerlich zu erörtern sind.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen.