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OGH vom 21.12.2004, 5Ob217/04d

OGH vom 21.12.2004, 5Ob217/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz B*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Weinzettl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen EUR 3.500 sA und Feststellung (Streitwert EUR 3.500; Gesamtstreitwert EUR 7.000) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 70/04d-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom , GZ 14 C 470/03z-13, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am kaufte die Gattin des Klägers bei der Beklagten in deren Filiale in G***** ein (laut Aufschrift auf der Verpackung) "Orginal französisches Baguette". Auf der Verpackung befand sich kein Hinweis auf das Unternehmen, das das Baguette hergestellt hat. Als der Kläger das Baguette aß, biss er auf ein in den Teig eingearbeitetes Steinchen, wodurch er einen seiner bis dahin gesunden Zähne beschädigte. Noch am gleichen Tag forderte der Kläger in seinem Schreiben an die Geschäftsleitung der Beklagten nach Schilderung des Vorfalles eine angemessene Entschädigung für den eingetretenen Schaden. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Produkthaftungsgesetz (PHG) erfolgte nicht. In ihrem Antwortschreiben vom gab die Beklagte unter Hinweis auf das PHG die "Firma B*****" als Lieferanten der Baguettes samt Anschrift "T*****" bekannt. Sie nannte einen Ansprechspartner. Die "Firma B*****" sei von dem Vorfall informiert und es werde ersucht, etwaige Forderungen mit diesem Unternehmen abzuklären. Der Klagevertreter wandte sich an die "Firma B*****" und forderte sie zum Schadenersatz auf. Es meldete sich der Versicherungsmakler der "Firma B*****" und teilte mit, dass die Angelegenheit an den Versicherer weitergeleitet worden sei. Der Haftpflichtversicherer der "Firma B*****" kontaktierte mit Schreiben vom den Klagevertreter und erfragte neuerlich den zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Haftpflichtversicherer der "Firma B*****" führte mit Schreiben vom aus, dass die "S.A. B*****" nur Verkäuferin des beanstandeten Baguettes sei, der tatsächliche Hersteller sei die "S.A. C*****". Die Forderungen mögen direkt an die S.A. C***** gestellt werden. Einige Tage später forderte der Klagevertreter die Beklagte sowie deren Haftpflichtversicherer erneut zur Deckung des Schadenersatzanspruches auf. Daraufhin übermittelte der Haftpflichtversicherer der Beklagten mit Schreiben vom eine Kopie des Schreibens der "Firma B*****", worin diese bestätigte, dass das Baguette aus ihrem im Südwesten Frankreichs gelegenen Werk geliefert worden sei. Darüber hinaus wurde eingeräumt, dass der eigentliche Name von "B*****" "C*****" laute und in diesem Falle "B*****" als Handelsmarke anzusehen sei.

Die Beklagte bezieht von der "Firma B*****" die Baguettes von Frankreich im tiefgefrorenen Zustand. In Österreich wird die Ware in das Tiefkühllager geliefert. Die Ware im Tiefkühllager gehört der "Firma B*****" und wird erst über Abruf der Beklagten durch ein drittes Unternehmen an die Filialen der Beklagten ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgt nicht direkt an die "Firma B*****", sondern an "T*****". Die Preisvereinbarung wurde mit der "Firma B*****" getroffen. Die Beklagte bezahlt zwar an "T*****" einen höheren Preis, erhält aber dann von der "Firma B*****" aufgrund von internen Preisvereinbarungen Gutschriften. Die Firma "T*****" ist nur der dazwischen geschaltete Logistiker. Die einzige Tätigkeit der Beklagten im Bezug auf die schon zu 70 - 80% ausgebackenen Baguettes besteht darin, sie im Backofen der jeweiligen Filialen fertig zu backen. Die "Firma B*****" trat der Beklagten gegenüber stets als Produzent und Importeur der Baguettes auf.

Nach dem Verständnis des Mitarbeiters der Beklagten war "B*****" eine "Firma" und nicht bloß ein Markenname. Die "Firma B*****" erstellt die Zutaten für die Baguettes und hat auch die Aufsicht über die Herstellung, die durch den ausgelagerten Betrieb "C*****" erfolgt. Auch im geschäftlichen Kontakt zur Beklagten tritt die "Firma B*****" lediglich mit der Bezeichnung "B*****" ohne nähere Bezeichnung einer Rechtsform auf. Ein Unternehmen "C*****" ist dem Mitarbeiter der Beklagten nicht bekannt.

Der Kläger begehrt nun von der Beklagten Schadenersatz nach den Bestimmungen des PHG. Bis heute sei dem Kläger nicht klar, wer tatsächlich der Produzent bzw Händler sei, der der Beklagten das Baguette geliefert habe. Die Beklagte hafte daher gemäß § 1 Abs 2 PHG. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend darum gekümmert, dem Kläger den tatsächlichen Hersteller der Ware, dessen Rechtsform und dessen Anschrift bekanntzugeben. Die Benennung sei verspätet.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage im Wesentlichen mit der Begründung, dass sie dem Kläger mit Schreiben vom den Hersteller des Produktes, nämlich die französische "Firma B*****" bekanntgegeben habe. Die Beklagte habe auch eine Bestätigung des französischen Herstellers eingeholt, woraus sich dessen Produzenteneigenschaft ergäbe und dies dem Klagevertreter mit Schreiben vom mitgeteilt. Für den Fall, dass ein französischer Versicherer einen anderen Produzenten nenne, könne dies der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Mit der Bezeichnung "Firma B*****" sei jedenfalls eine Identifizierung des entsprechenden Unternehmens möglich. Der Beklagten sei von der Existenz einer "Firma C*****" nichts bekannt gewesen. Sowohl die Produktgestaltung als auch die wesentlichen Produkteigenschaften des Baguettes seien im Verantwortungsbereich der "Firma B*****" gewesen. Die "Firma B*****" sei Herstellerin, jedenfalls "Anscheinsproduzentin" iSd § 3 PHG. Die Beklagte habe sich durch deren Nennung dem Geschädigten gegenüber iSd § 1 Abs 2 PHG von einer allfälligen Haftung befreit.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte hafte nicht als Hersteller des Endproduktes. Die Beklagte habe dem Kläger die "Firma B*****" als Lieferant des fehlerhaften Produktes bekanntgegeben. Sie sei sowohl Hersteller - allenfalls Scheinhersteller iSd § 3 PHG - als auch Vorlieferant der Beklagten. Zwischen der Benachrichtigung der Beklagten vom Schaden durch den Kläger und der Bekanntgabe der "Firma B*****" als Lieferant seitens der Beklagten, sei ein Zeitraum von maximal 17 Tagen ohne Postlauf verstrichen, so dass die Bekanntgabe innerhalb einer angemessenen Frist iSd § 1 Abs 2 PHG erfolgt sei. Es sei zwar die Rechtsform des Unternehmens nicht bekanntgegeben worden. Grundsätzlich befreie eine nachträgliche Benennung des Vormannes den Händler nicht. Dem Kläger sei jedoch nur die Rechtsform des Vormannes verspätet, nämlich erst durch Schreiben vom genannt worden, wodurch dem Kläger kein Nachteil entstanden sei. Der Umstand, dass der vom Händler genannte Lieferant seine Haftung selbst bestreite, sei irrelevant. Die Beklagte sei ihrer Obliegenheit nach § 1 Abs 2 PHG fristgerecht nachgekommen.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nicht als Hersteller iSd § 3 PHG anzusehen sei, weil sie weder das Endprodukt noch einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt habe. Es bejahte aber die Haftung der Beklagten nach § 1 Abs 2 PHG. Die Bekanntgabe der "Firma B*****" mit Schreiben vom sei zwar an sich rechtzeitig innerhalb angemessener Frist erfolgt, sie sei jedoch nicht inhaltlich ausreichend gewesen, weil sie die Rechtsform des Unternehmens nicht nennt. Es müsse eine eindeutige Identifizierung des Unternehmens möglich sein, sodass es keiner weiteren Nachforschungen bedürfe. Ohne Bekanntgabe der Gesellschaftsform sei eine aussichtsreiche Klagseinbringung ohne weitere Recherchen seitens des Klägers nicht möglich gewesen. Von einer verspäteten Nennung der Rechtsform des Unternehmens durch die Beklagte könne schon deshalb nicht gesprochen werden, weil das Schreiben vom nicht von der Beklagten, sondern vom Haftpflichtversicherer der "Firma B*****" verfasst worden sei. Es sei Sache des Händlers nachzuweisen, dass die verspätete Nennung keinen Nachteil für den Geschädigten gehabt habe. Diesen Beweis habe die Beklagte hier gar nicht angetreten. Er wäre aber dadurch widerlegt gewesen, dass der Klagevertreter schon vor dem Bekanntwerden kostenauslösende Anspruchsschreiben verfasst habe. Abgesehen davon stehe nach der Aktenlage gar nicht fest, ob eine "S.A. B*****", also eine französische Aktiengesellschaft dieses Namens, überhaupt existiere. Eine Verfahrensergänzung aus diesem Grund erübrige sich jedoch deshalb, weil selbst im Falle der Existenz dieses Unternehmens deren Bekanntgabe an den Kläger verspätet erfolgt sei. Da die Haftung der Beklagten bejaht worden sei, bedürfe das Verfahren, das bisher auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt gewesen sei, einer Ergänzung zur Höhe des Anspruchs.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, da es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei Beurteilung der Haftung nach § 1 Abs 2 PHG die Nichtbekanntgabe der Rechtsform des Unternehmens des Vormannes des Händlers schade oder nicht.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, in eventu den Aufhebungsbeschluss ersatzlos aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Wird durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt, so haftet für den Ersatz des Schadens, wenn der Hersteller oder - bei eingeführten Produkten - der Importeur nicht festgestellt werden kann, jeder Unternehmer, der das Produkt in den Verkehr gebracht hat, wenn er nicht dem Geschädigten in angemessener Frist den Hersteller bzw - bei eingeführten Produkten - den Importeur oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat (§ 1 Abs 2 PHG).

Im vorliegenden das EWR-Inland betreffenden (vgl Fitz/Grau, PHG2, § 1, Rz 4) Fall ist strittig, ob die Beklagte innerhalb angemessener Frist ihre Obliegenheit zur Nennung des Herstellers, Importeurs oder desjenigen, der ihr das Produkt geliefert hat, erfüllt hat.

Die Frist beginnt mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Lieferanten, wenn der Händler aus dem Aufforderungsschreiben erkennen kann, dass der Geschädigte Ersatzansprüche (auch) nach dem Produkthaftungsgesetz stellt (2 Ob 240/99d, 6 Ob 272/03y). Es ist nicht notwendig, dass der Geschädigte den Händler zur Bekanntgabe des Herstellers, Importeurs oder Vorlieferanten besonders auffordert (6 Ob 272/03y).

Auch wenn also der Kläger in seinem Anspruchsschreiben an die Beklagte nicht ausdrücklich seinen Anspruch auf die Haftung nach dem PHG gestützt hat, so wurde sein Anspruchsschreiben doch sowohl von der Beklagten als auch von ihrem Haftpflichtversicherer zu Recht so verstanden, dass Ersatzansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz begehrt werden. Mit diesem Schreiben beginnt daher die im § 1 Abs 2 PHG genannte angemessene Frist zu laufen.

Die Dauer der Frist ist im Gesetz nicht genau festgelegt. Jene Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die davon abweichend eine konkrete Frist festgesetzt haben, haben eine Frist von einem Monat bzw drei Monaten gewählt (vgl Welser/Rabl, Kommentar zum Produkthaftungsgesetz, Rz 64). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich die Angemessenheit der Bennungsfrist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richtet und vor allem an der Art des Produktes, dem Sitz der Primärhaftpflichtigen oder Vorlieferanten und der Anzahl der notwendigen Erhebungen und Rückfragen durch den benennungspflichtigen Händler zu bemessen ist (2 Ob 240/99d mwN).

Nach den Feststellungen antwortete die Beklagte auf das Anspruchsschreiben des Klägers vom mit Schreiben vom , in dem sie den Hersteller des Produktes mit "Firma B*****" und Adresse benannte. Es bestehen keine Bedenken dagegen, diese Benennung noch als fristgerecht zu beurteilen. Zu prüfen ist hier aber nun, ob der Inhalt der Benennung als Erfüllung der Obliegenheit iSd § 1 Abs 2 PHG ausreichend ist, da schon nach der äußeren Form die Benennung nicht vollständig sein kann, da die Firmenbezeichnung keinen Hinweis auf die Rechtsform enthält.

Die Bekanntgabe muss inhaltlich so beschaffen sein, dass sie zumindest den Namen und die Adresse des Herstellers, Importeurs oder Vorlieferanten enthält, sodass die Angaben für eine Klagsführung ausreichen (Welser/Rabl aaO Rz 68, Rabl, Die Haftung des Händlers nach dem Produkthaftungsgesetz in JBl 1999, S 506 f). Der Geschädigte muss keine besonderen Nachforschungen unternehmen müssen (Preslmayr, Handbuch der Produkthaftung, S 35). Geht man vom Zweck der Bestimmung aus, dass dem Geschädigten die Schadensliquidation erleichtert werden soll (vgl 7 Ob 581/92), so umfassen die zur Klagsführung geeigneten Angaben natürlich die genaue und vollständige Bezeichnung des Firmenwortlautes, also auch die Bekanntgabe der Rechtsform des Unternehmens (so auch Welser/Rabl aaO). Nur so ist sichergestellt, dass einerseits das Unternehmen eindeutig und ausreichend identifiziert ist und dass eine Klagsführung gegen dieses Unternehmen ohne weitere Nachforschungen des Geschädigten möglich ist.

Diesen Anforderungen entspricht die Angabe "Firma B*****" nicht, da der genaue Firmenwortlaut schon dem äußeren Anschein nach mangels Bekanntgabe der Rechtsform nicht ersichtlich ist. Die Beklagte kann sich ihrer Verpflichtung zur Benennung nicht dadurch entledigen, dass sie angeblich selbst keine genaueren Angaben über das Unternehmen habe, als sie weitergegeben habe. Es obliegt ihrer wirtschaftlichen Disposition und ihrem Risiko, ob sie mit einem Vertragspartner Rechtsgeschäfte abschließt, dessen genauen Firmenwortlaut sie nicht kennt. Sie kann dieses Risiko jedoch nicht auf den Geschädigten überwälzen.

Als eine Rechtsform der "Firma B*****" nicht einmal durch die Beklagte selbst, sondern durch ein französisches Unternehmen, genannt wurde, waren bereits rund sieben Monate seit Beginn der Benennungsfrist verstrichen, was als verspätet zu beurteilen ist (vgl 3 Ob 107/01h, hier wurde eine Benennung weit mehr als vier Monate nach der ersten Geltendmachung als unzweifelhaft verspätet bezeichnet). Zusätzlich wurde die Benennung durch das am vom Haftpflichtversicherer der Beklagten weitergeleitete Schreiben der "Firma B*****" verwässert, in dem diese bekanntgibt, "B*****" sei eine Handelsmarke und der eigentliche Name von "B*****" sei "C*****". In diesem Zusammenhang sei der Beklagten kurz erwidert, dass der Kläger bereits in der Klage sowohl die unvollständige Benennung des Herstellers, Importeurs bzw Vorlieferanten als auch die verspätete Benennung geltend machte.

Da die Beklagte daher nicht ihrer Obliegenheit zur Nennung des Herstellers, Importeurs bzw Vorlieferanten erfüllt hat, haftet sich nach § 1 Abs 2 PHG als jenes Unternehmen, das das Produkt in den Verkehr gebracht hat.

Der Rekurs der Beklagten erweist sich daher als unberechtigt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Fundstelle(n):
BAAAD-55595