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OGH vom 14.12.2010, 3Ob231/10g

OGH vom 14.12.2010, 3Ob231/10g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen die beklagte Partei M*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Holter Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 194/10a 25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom , GZ 2 C 755/08a 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.049,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 174,84 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** S*****. Die Ehe der Streitteile wurde mit Endurteil des Amtsgerichts München vom geschieden. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und in Österreich wohnhaft; die Beklagte ist deutsche Staatsbürgerin und in Deutschland wohnhaft.

Nach der Scheidung wurde in der Folgesache wegen Zugewinnausgleichs im Protokoll über die Sitzung vom unter anderem festgehalten, dass beide Parteien übereinstimmend erklären, dass die Schulden bei der Sparkasse S***** im Zusammenhang mit dem Haus stehen und in Österreich abgehandelt werden sollen, ebenso vom Antragsgegner in der Zeit ab Zustellung des Scheidungsantrags hierauf geleistete Zins- und Tilgungsleistungen sowie ein möglicher, vom Antragsgegner bestrittener Nutzungsentschädigungsanspruch der Antragstellerin, die das Haus in S***** seit der Trennung im Jahr 2002 nicht mehr bewohnt.

Am schlossen die Parteien in diesem Verfahren vor dem Amtsgericht München einen Vergleich, in dem sich der dortige Antragsgegner (und nunmehrige Kläger) verpflichtete, zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs und eines Ausgleichsanspruchs für das von ihm an die Antragstellerin (und nunmehrige Beklagte) überlassene gemeinschaftliche Wohnmobil und zur Abgeltung des von der Antragstellerin nach der Trennung zurückgeführten gemeinsamen Kredits bei der C***** Bank in Höhe von 8.363,57 EUR an die Antragstellerin 16.000 EUR zu zahlen. Dieser Titel über 16.000 EUR wurde als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt.

Zuvor hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach ihr der Kläger zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs und des Gesamtschuldnerausgleichs der Parteien (vorbehaltlich einer Regelung betreffend das Haus) 16.681,78 EUR zahlen solle. Zu diesem Vergleichsvorschlag erklärte der Kläger, der Beklagten in mehreren Tranchen insgesamt 15.500 EUR zu zahlen; die Parteien sollten ihr Einverständnis erklären, dass schon vor Ablauf der Stundung von jeder Partei mit oder gegen die einzelnen Teilbeträge mit Ansprüchen und Gegenansprüchen verrechnet werden dürfe, soweit sich diese im Zuge der Auseinandersetzung wegen des gemeinsamen Hauses in Österreich ergeben sollten.

Mit Beschluss vom bewilligte das Erstgericht der betreibenden (nun beklagten) Partei zur Hereinbringung ihrer Vergleichsforderung von 16.000 EUR sA unter anderem die Zwangsversteigerung des Hälfteanteils des Verpflichteten (= Klägers) an der Liegenschaft in S*****.

In der am eingebrachten Oppositionsklage bringt der Kläger vor, dass der Anspruch der Beklagten, zu dessen Hereinbringung die Zwangsversteigerung bewilligt wurde, erloschen sei, weil er „teilweise nach dem Exekutionstitel“ für die Beklagte Schulden in der Höhe von 14.412 EUR übernommen habe. Weiters habe er der Beklagten im Jahr 1997 einen Betrag von 10.000 EUR geliehen, der bis dato noch nicht zurückgezahlt worden sei. Außerdem habe er „gemeinsame Kredite bei der Sparkasse S***** im Ausmaß von 14.000 EUR und einen Betrag von 28.000 EUR alleine zurückbezahlt“. Weiters habe die Beklagte eine grundbücherliche Schuld von 36.000 EUR aufgenommen, die den Hälfteanteil an der Liegenschaft belaste. Sämtliche Ansprüche seien im Verfahren vor dem Amtsgericht München „aus verfahrensrechtlichen Gründen (österreichisches Recht) nicht berücksichtigt“ worden und berechtigten daher zur Aufrechnung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Abgesehen von einem Betrag von 2.354,89 EUR für die Instandhaltung des Hauses (der Geltendmachung dieses Anspruchs stehe die Eventualmaxime entgegen) habe sich der Kläger ausschließlich auf behauptete Ansprüche bezogen, die zeitlich vor dem Vergleich des Amtsgerichts München vom entstanden seien. Die nunmehr vorgebrachten Einwendungen hätten sehr wohl vor dem Amtsgericht München geltend gemacht werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Nach § 2 Abs 2 EO seien Vollstreckungstitel, denen im Ursprungsstaat die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel beigesetzt worden sei, inländischen Vollstreckungstiteln einschränkungslos gleichgestellt. Fraglich sei, inwieweit dem Verpflichteten im Rahmen der inländischen Exekution aufgrund eines Europäischen Vollstreckungstitels auch die Oppositionsklage zur Verfügung stehe. Da die EuVTVO jede Nachprüfung der Vollstreckbarkeit gerichtlicher Vergleiche und Urkunden im Vollstreckungsstaat verbiete, müssten nach einhelliger Auffassung in der deutschen Rechtsprechung auch alle Einwendungen, soweit dies zeitlich möglich sei, im Ursprungsmitgliedstaat geltend gemacht werden. Demzufolge führe bereits das tatsächliche Bestehen einer Aufrechnungslage bis spätestens zur letzten mündlichen Verhandlung zur Präklusion einer Aufrechnungseinwendung, wenn diese dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet werden hätte können. Schließlich bleibe dem Schuldner, der die objektive Möglichkeit zur Aufrechnung bereits im Erkenntnisverfahren gehabt hätte, auch immer der Weg der eigenen Leistungsklage.

Anders als zu einem gerichtlichen Urteil habe der Oberste Gerichtshof zum vollstreckbaren Notariatsakt die Meinung vertreten, dass wegen des Fehlens einer Präklusionswirkung jede zivilrechtliche Aufrechnungserklärung, die nach Errichtung des Notariatsakts abgegeben worden sei, unabhängig vom tatsächlichen Bestehen einer Aufrechnungslage und der objektiven Möglichkeit der Aufrechnung schon im Erkenntnisverfahren als Grund für eine Oppositionsklage geltend gemacht werden könne.

Allerdings könnten diese Grundsätze nicht auf einen gerichtlichen Vergleich übertragen werden, der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sei. Vielmehr würden die Grundwertungen und Zielsetzungen der EuVTVO und das in Art 24 Abs 2 EuVTVO angeordnete Verbot der Nachprüfung der Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsstaat bezüglich der Frage der Zulässigkeit einer Oppositionsklage (zumindest) eine völlige Gleichstellung mit gerichtlichen Entscheidungen im Sinne der vom deutschen Gesetzgeber diesbezüglich eingeführten Bestimmung des § 1086 Abs 2 dZPO gebieten. Selbst wenn man im Sinne der herrschenden Lehre in Österreich die Zulässigkeit der Oppositionsklage auch gegen einen Europäischen Vollstreckungstitel bejahe, so dürfe dies nicht dazu führen, dass der Schuldner im mit einem gerichtlichen Vergleich beendeten Titelverfahren versäumte, ihm objektiv mögliche Einwendungen nunmehr in einer Oppositionsklage nachholen und damit eine Verschleppung der Exekutionsführung erreichen könnte.

Im konkreten Fall biete die Entstehungsgeschichte des gerichtlichen Vergleichs vom auch keinen Anhaltspunkt für einen übereinstimmenden Willen der Vergleichsparteien, dass dem Kläger weiterhin die Möglichkeit offen stehen solle, allfällige ihm zustehende Gegenforderungen im Wege der Oppositionsklage einzuwenden. Das Berufungsgericht teile daher im Ergebnis die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die vom Kläger eingewendeten Gegenforderungen keinen tauglichen Oppositionsklagegrund bilden. Die Aufrechnung mit dem Betrag von 2.354,89 EUR sei wegen Verstoßes gegen die Eventualmaxime im Oppositionsverfahren unbeachtlich.

Die Revision sei im Hinblick auf das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig, ob überhaupt und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Aufrechnung als Oppositionsklagegrund geltend gemacht werden könne, wenn die Exekution aufgrund eines Europäischen Vollstreckungstitels bewilligt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er die Klagestattgebung anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Kläger die internationale Zuständigkeit für seine am eingebrachte, allein auf Aufrechnung gestützte Oppositionsklage zwar nicht ausdrücklich, aber doch erkennbar auf den ausschließlichen Gerichtsstand nach Art 22 Nr 5 EuGVVO gestützt hat. Die in Deutschland wohnhafte Beklagte hat sich ohne Zuständigkeitsrüge auf das Verfahren vor dem Erstgericht eingelassen, sodass dieses gemäß Art 24 EuGVVO jedenfalls zuständig geworden ist.

2. Das Revisionsvorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass durch eine Oppositionsklage nicht in den Exekutionstitel eingegriffen werde. Im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtseinheit könne es auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht angehen, dass eine Oppositionsklage gegen einen österreichischen Titel zulässig sei und gegen einen Europäischen Vollstreckungstitel unzulässig. Daraus ergebe sich die berechtigte Heranziehung der Aufrechnungseinwendung als Oppositionsgrund, zumindest in Höhe von 2.354,89 EUR. Vor dem Amtsgericht München habe der Kläger die Ansprüche, die er nunmehr mit Oppositionsklage geltend mache, „faktisch“ nicht geltend machen können.

3. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Grundsätzlich ist auf die inhaltlich zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

3.1. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei Oppositionsklagen gegen vollstreckbare Notariatsakte und gerichtliche Vergleiche beachtet werden muss, dass diesen die Rechtskraftwirkung fehlt; deshalb ist die Geltendmachung der Aufrechnung mittels Oppositionsklage auch dann noch möglich, wenn zwar die Aufrechenbarkeit schon bei Errichtung des Notariatsakts bzw bei Abschluss des Vergleichs gegeben war, die Aufrechnungseinwendung aber erst nach Titelschaffung erhoben wurde (RIS-Justiz RS0107709).

3.2. Diese dem innerstaatlichen Verständnis entspringende Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht unbesehen auf Konstellationen übertragen, in denen die Exekutionsführung auf einem ausländischen gerichtlichen Vergleich beruht, der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 12/10a mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass auch bei Oppositionsklagen der unionsrechtliche Kontext zu beachten ist. Insofern ist für den Kläger aus dem von ihm relevierten Gleichheitssatz nichts zu gewinnen: Dass ein als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigter Vergleich, der vor einem ausländischen Gericht abgeschlossen wurde, unter den gleichen Bedingungen zu vollstrecken ist wie ein im Vollstreckungsstaat geschlossener Vergleich (Art 20 Abs 1 Satz 2 in Verbindung mit Art 24 Abs 3 EuVTVO) besagt nicht, dass auch alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe gegen den Anspruch und die Exekutionsführung in gleicher Weise zur Verfügung stehen wie in Bezug auf einen innerstaatlichen Titel (vgl etwa McGuire , Rechtsbehelfe des Schuldners gegen den EU-Vollstreckungstitel, ecolex 2006, 83 ff, und Oberhammer , Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl 2006, 477 [499 ff]).

Auch wenn die Ansicht, der Verpflichtete könne Oppositionsgründe im Anwendungsbereich der EuVTVO nur mit Oppositionsgesuch, nicht aber mit Oppositionsklage geltend machen (in diesem Sinn McGuire , ecolex 2006, 85, und Jakusch in Angst 2 § 35 Rz 70c; anderer Ansicht etwa Burgstaller/Neumayr , Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ÖJZ 2006, 179 [190]; Höllwerth in Burgstaller/Neumayr , IZVR [6. Lfg 2006] Art 20 EuVTVO Rz 14; König , Der Europäische Vollstreckungstitel: Haben wir gehörig vorgesorgt? in König/Mayr , Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich [2007] 113 [126]), nicht herrschend geworden ist, ist doch zu beachten, dass nach Art 24 Abs 2 EuVTVO die Vollstreckbarkeit eines Vergleichs im Vollstreckungsstaat nicht mehr angefochten werden darf. Damit ist gemeint, dass die Berechtigung des Titels im Zeitpunkt seiner Schaffung nicht angreifbar ist ( Pabst in Rauscher , EuZPR/EuIPR [2010] Art 20 EuVTVO Rz 36), woraus abzuleiten ist, dass Ansprüche, die bereits vor Titelschaffung zur Aufrechnung zur Verfügung standen, nicht mittels Oppositionsklage dem betriebenen Anspruch entgegengesetzt werden können. Ihre selbständige Geltendmachung wird dadurch aber nicht ausgeschlossen, worauf auch schon das Berufungsgericht hingewiesen hat. Die vom Kläger angesprochene „faktische Unmöglichkeit“ der Geltendmachung der Gegenforderung im Verfahren im Ursprungsstaat kann eine Zulassung als Oppositionsgrund keineswegs rechtfertigen.

3.3. Der Berücksichtigung der Gegenforderung in Höhe von 2.354,89 EUR aus der Instandhaltung des Hauses steht die Eventualmaxime (§ 35 Abs 3 EO) entgegen; die entsprechende Forderung wurde erst in dem am eingebrachten Schriftsatz (ON 11) als Oppositionsgrund geltend gemacht.

4. Zusammenfassend gilt:

Forderungen, die bereits vor dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der im Ursprungsstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde, zur Aufrechnung zur Verfügung gestanden wären, können in Österreich als Vollstreckungsstaat dem betriebenen Anspruch nicht mittels Oppositionsklage entgegengesetzt werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Fundstelle(n):
HAAAD-55515