OGH vom 11.09.2003, 6Ob166/03k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Hertha Johanna W*****, 2. Elisabeth H*****, 3. Edmund K*****, und 4. Mag. Marcus M*****, alle vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei T***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wegen Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 58/03g-45, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom , GZ 1 Cg 94/00v-39, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagenden Aktionäre fechten die Wiederwahl zweier Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung vom ua wegen Verstoßes eines der beiden Wiedergewählten gegen die Unvereinbarkeitsregel des § 90 AktG an. Für den zweiten Rechtsgang hat der Oberste Gerichtshof mit seinem Aufhebungsbeschluss vom , 6 Ob 97/02m, (veröff. RdW 2003, 87/70, wbl 2003, 187/119 und GesRZ 2003, 41) die Rechtsansicht überbunden, dass der nach § 195 Abs 1 AktG zu beurteilende Anfechtungsgrund die Kenntnis der Hauptversammlung über die Ausübung von Vorstandsfunktionen durch das Aufsichtsratsmitglied zur Voraussetzung habe.
Im zweiten Rechtsgang haben die Vorinstanzen die Wahl (den Hauptversammlungsbeschluss) für nichtig erklärt, weil eine Kenntnis der Aktionäre vom Verstoß gegen das Trennungsprinzip feststehe. In der Hauptversammlung sei vor der Wahl dem einen Aufsichtsratsmitglied vorgehalten worden, es habe Vorstandsagenden besorgt. Der Angegriffene habe dies damit gerechtfertigt, "der Vorstand könne das nicht".
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:
Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen und gezogenen Schlüsse, dass den Aktionären die (gesetzwidrige) Ausübung von Vorstandsfunktionen durch den dann wiedergewählten Aufsichtsrat bewusst gewesen sei und dass die Aktionäre dieses Verhalten mit der Wiederwahl auch genehmigten, fallen jedenfalls auch (als quaestiones mixtae) in den Tatsachenbereich und sind aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Die außerordentliche Revision greift zumindest teilweise in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen an. Auch der vom Berufungsgericht gezogene Schluss, dass die Aktionärsversammlung die Verletzung des Trennungsprinzips aufrecht erhalten habe wollen, ist eine vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbare Schlussfolgerung auf dem Boden einer nachvollziehbaren logischen Beweiswürdigung. Wenn das wiedergewählte Aufsichtsratsmitglied die Ausübung von Vorstandstätigkeiten mit dem Argument zu rechtfertigen suchte, der Vorstand sei für die Geschäftstätigkeit nicht geeignet, lässt dies offen, ob es damit nur - wie dies die Revisionswerberin nun auffasst - den zurückgetretenen Vorstand meinte oder aber auch den künftigen oder jeden Vorstand der Aktiengesellschaft. Mangels einer Erörterung dieser Frage in der Hauptversammlung liegen jedenfalls keine Umstände vor, warum in Zukunft bei einem neu gewählten Vorstand nicht ebenfalls mit Verstößen gegen das Trennungsprinzip zu rechnen wäre. Allein aus dem Umstand, dass wegen des schon erfolgten Rücktritts der Vorstandsmitglieder ein neuer Vorstand zu wählen war, kann noch nicht abgeleitet werden, dass sich die Verletzung des Trennungsprinzips durch den Wiedergewählten nicht wiederholen werde.
Aufgrund der getroffenen positiven Feststellungen erübrigen sich hier die von der Revisionswerberin angestellten Überlegungen zur Beweislast. Im Verfahren erster Instanz wurde die mit der ZVN 2002 neu geschaffene Bestimmung des § 182a ZPO angewendet. Das Erstgericht erörterte mit den Parteien die aufgrund des Aufhebungsbeschlusses des erkennenden Senates im ersten Rechtsgang relevanten rechtlichen Gesichtspunkte. Die Verfahrensrüge, auch das Berufungsgericht hätte eine solche Erörterung durchführen müssen, berührt zwar eine grundsätzlich erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes, die hier aber schon deshalb die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen vermag, weil einerseits nach dem Protokoll über die Berufungsverhandlung nach dem Referat des Berichterstatters eine Erörterung ohnehin stattfand und überdies im Berufungsverfahren keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte zu erörtern, sondern die schon offengelegten Rechtsargumente der Parteien zu überprüfen waren. Das Erörterungsgebot des § 182a ZPO verfolgt den Zweck, die Parteien vor "Überraschungsentscheidungen" der Gerichte zu schützen (MGA ZPO15 Erg. Heft 2002, Anm zu § 182a), wie dies in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung für Rechtsmittelentscheidungen ganz allgemein schon vor der Normierung des § 182a ZPO verlangt wurde (dazu SZ 70/199). Von einer die Parteien mit neuen rechtlichen Gesichtspunkten überraschenden Entscheidung des Berufungsgerichtes kann hier aber keine Rede sein.
Entgegen den Revisionsausführungen ist auch die Klagestattgebung betreffend das zweite Aufsichtsratsmitglied, das selbst nicht unmittelbar gegen das Trennungsprinzip des § 90 AktG verstieß, wegen der festgestellten Kenntnis über die gesetzwidrige Ausübung von Vorstandstätigkeiten durch den Aufsichtsratskollegen und der damit erfolgten Verletzung der eigenen Kontrolltätigkeit, frei von Rechtsirrtum.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).