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OGH vom 13.09.2012, 6Ob165/12a

OGH vom 13.09.2012, 6Ob165/12a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen ***** M***** P*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. Klaus Dorninger, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 259/12g 55, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Der Sachwalter ist für die Vertretung der Betroffenen bei allen Angelegenheiten im Bezug auf ihren Ehemann, insbesondere auch bei allen Gerichtsverfahren, bestellt. Die Ehe der Betroffenen wurde gemäß § 50 EheG ohne Verschuldensausspruch geschieden. Der Sachwalter legte eine Klage sowie einen Antrag auf einstweilige Verfügung für nachehelichen Unterhalt, gestützt auf §§ 68a, 69 und 69b EheG vor und beantragte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung.

Die Vorinstanzen lehnten die Genehmigung ab. Im Klagsentwurf sei kein Vorbringen zum Lebensbedarf der Betroffenen enthalten, sodass die Gefahr einer allfälligen Überklagung nicht beurteilt werden könne. Trotz Aufforderung durch das Erstgericht habe der Sachwalter den Vermögensstand der Betroffenen sowie die Einkommens und Vermögensverhältnisse allfällig unterhaltsverpflichteter Verwandter nicht bekannt gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Bei der durch das Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Frage, wann die Erhebung der Klage zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen ist, ist auf den Einzelfall abzustellen, eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten anzustellen und vor allem das Wohl des Pflegebefohlenen bestimmend (RIS Justiz RS0048142). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit, korrigiert werden müsste. Gebietet das Gesetz die Entscheidung nach billigem Ermessen, könnte letztlich nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens aufgegriffen werden (RIS Justiz RS0044088).

Auch die Frage, ob ein bestimmtes Vorbringen Anlass zu einer Erörterung bzw Anleitung einer Partei durch das Gericht geben könnte, ist schon von vornherein so einzelfallbezogen, dass darin in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RIS Justiz RS0114544). Das Erstgericht hat den Sachwalter, der Rechtsanwalt ist, ohnedies zur Bekanntgabe des Vermögensstands der Betroffenen sowie der Darstellung der Einkommens und Vermögensverhältnisse allfälliger unterhaltsverpflichteter Verwandter aufgefordert. In der Auffassung des Rekursgerichts, damit sei das Erstgericht seiner Anleitungspflicht ausreichend nachgekommen, ist keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Gleiches gilt für die Auffassung der Vorinstanzen, dass mangels Vorbringen zum Lebensbedarf der Betroffenen die Gefahr der Überklagung nicht beurteilt werden kann.

Die Beurteilung, ob die vom Gesetzgeber ausdrücklich „nur für bestimmte Härtefälle als Ausnahmeregelung gedachte“ Bestimmung der §§ 68a, 69b EheG zur Anwendung kommt, hängt jeweils von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0118107). Dabei hat eine umfassende Interessenabwägung der Unbilligkeitsgründe nach den Umständen des Einzelfalls stattzufinden. Das Gewicht der Unbilligkeitsgründe nach § 68a Abs 3 EheG ist auch maßgebend für die Frage, inwieweit vom Unterhaltsbedürftigen verlangt werden kann, seinen Unterhalt aus dem Stamm seines Vermögens zu decken (RIS Justiz RS0118107 [T2]). Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte für den konkreten Lebensbedarf der Betroffenen; diese wären jedoch für die Beurteilung der Angemessenheit notwendig.

Bei Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 69 Abs 3 EheG hat grundsätzlich der klagende geschiedene Ehegatte unzureichende Vermögens und Einkommensverhältnisse seiner unterhaltspflichtigen Verwandten als Voraussetzung des Eingreifens der subsidiären Unterhaltspflicht des Prozessgegners zu behaupten und zu beweisen. Ob die Subsidiarität der Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehegatten in Fällen der Unterhaltsbemessung nach § 69 Abs 3 EheG dem Grundsatz der Billigkeit entspricht, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Vermögensverhältnisse und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und jene der primär unterhaltspflichtigen Verwandten des Unterhaltsberechtigten wie auch die jeweiligen Sorgepflichten der genannten Beteiligten sind für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob es der Billigkeit entspricht, den Unterhaltsbetrag ganz oder teilweise dem geschiedenen Ehegatten anzulasten oder ob die ehelichen Kinder in Befolgung ihrer primären Unterhaltspflicht für den Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ganz oder teilweise aufzukommen haben (RIS Justiz RS0114832). In der Auffassung der Vorinstanzen, wonach es keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich der Vermögens und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten, der primär unterhaltspflichtigen Verwandten sowie hinsichtlich der jeweiligen Sorgepflichten gebe, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.