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OGH vom 29.03.2006, 3Ob230/05b

OGH vom 29.03.2006, 3Ob230/05b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf G*****, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei L***** AG, ***** vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 268.886,21 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 193/03v-30, womit infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 16 Cg 225/02s-21, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.382,70 EUR (darin 397,12 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erhielt am ein persönlich adressiertes Schreiben von der beklagten Partei, in dem ihm als Gewinn wahlweise ein Pkws der Marke Mercedes oder 850.000 S zugesagt wurde (1. Gewinnzusage). Bei Einsendung innerhalb von 24 Stunden bestehe weiters die Möglichkeit, weitere 400.000 S „Sprinterprämie" zu gewinnen, wenn er den Prämiencode AO581 habe und das große Los auf seine Gewinnzahl I3224709 oder I5674716 falle. Weiters enthielt das Schreiben ein Angebot, beim „ABC-Club Lotto System" mitzuspielen. Der Prämiencode des Klägers passte, er sandte diesen sowie seine Gewinnanforderung für die 850.000 S und die „Sprinterprämie" am an die beklagte Partei. Beim „ABC-Club Lotto System" spielte er nicht mit.

Am ging dem Kläger ein Schreiben der beklagten Partei mit der Nachricht zu, er könne 625.000 S sowie einen zusätzlichen Preis von 12.500 S gewinnen, wenn er seine Gewinnzahl I5701043 binnen sieben Tagen einsende und diese Gewinnzahl als Hauptgewinner gezogen werde (2. Gewinnzusage). Der Kläger schickte seine Gewinnzahl am an die beklagte Partei. Beim ebenfalls angebotenen „ABC-Club Lotto System" spielte er wiederum nicht mit. Am erhielt der Kläger ein weiteres Schreiben der beklagten Partei. Dieses enthielt neben Werbung für das „ABC-Club Lotto System" einen Gutschein über wahlweise einen Pkw Marke Volvo S 40 oder 750.000 S 3. Gewinnzusage). Ein weiterer persönlich adressierter und als „Preiszuerkennung" überschriebener Brief von Direktor T. S***** enthielt die Mitteilung, der Kläger habe bereits in der Vorrunde der 1. Ziehung das Recht auf Einlösung dieses Gutscheins. Der Zusendung war ein offizielles Gewinnprotokoll der offiziellen 1. Ziehung vom , eine Liste von Preisen und eine Liste mit Namen, auf der sich jener des Klägers neben dem Preis „Volvo S 40 im Wert von etwa 750.000 S oder 750.000 S" befand, angeschlossen. Der Hinweis, dass Preise und Namen in keiner Beziehung zueinander stehen und in keiner bestimmten Reihenfolge abgedruckt sind, war sehr klein gedruckt. Weiters lagen ein kleiner Zettel im Format DIN A6 mit klein gedruckten Spielregeln und Informationen sowie ein Zettel mit drei Losnummern bei. Unter diesen befand sich auch die Losnummer KL5931, aufgrund derer die Teilnahme an der Verlosung von weiteren 9.000 S unter den ersten 1.000 Einsendungen möglich war. Der Kläger klebte die Losnummer auf das Preis-/Mitspielformular und füllte dieses entsprechend den Instruktionen aus. Lediglich die Felder betreffend eine Teilnahme am „ABC-Club-Lotto System" sowie jenes mit der Übertitelung „Zahlungs-Service" ließ der Kläger frei. Gemeinsam mit dem Gutschein, auf den er die „Wahlmarke für etwa 750.000 S" geklebt hatte, schickte er das Preis-/Mitspielformular am an die beklagte Partei. Am erhielt der Kläger seine 4. Gewinnzusage der beklagten Partei mit der Mitteilung, er habe den Bonuscode AO08164; für den Fall, dass seine Gewinnnummer IF150174 und die gewinnende Nummer IF657372 oder IF1149252 sei, habe er einen Pkw der Marke Audi TT im Wert von 850.000 S oder 850.000 S gewonnen. Sende der Kläger sein Teilnahmeformular binnen 24 Stunden an die beklagte Partei, sei dieser Gewinn sogar verdoppelt worden. Es gehe also um 1,7 Mio S, unter den ersten 250 Teilnehmern werde außerdem eine Reise im Wert von 25.000 S verlost. Am 15. Juni schickte der Kläger sein Teilnahmeformular an die klagende Partei ab, er nahm wiederum nicht am „ABC-Club Lotto System" teil.

Der Kläger begehrte insgesamt 314.310,01 EUR sA aus diesen vier Gewinnzusagen. Bei allen vier Zusendungen sei bei ihm der Eindruck entstanden, er habe tatsächlich gewonnen. Er sei Verbraucher, gemäß § 5j KSchG habe er Anspruch auf die Auszahlung des Gewinns. Nach Art 5 EVÜ, allenfalls Art 7 EVÜ sei österr. Recht anzuwenden, weil er die Gewinnanforderungen von Österreich aus an die beklagte Partei geschickt habe.

Die beklagte Partei wendete die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein. Der Kläger sei auch nicht Verbraucher, außerdem liege mangels Warenbestellung durch den Kläger kein vertragliches Schuldverhältnis vor. Bestenfalls handle es sich beim Klageanspruch um einen außervertraglichen Schadenersatzanspruch. Die Zusagen seien dem Kläger früher zugesandt worden als von ihm behauptet, er habe hingegen die Antwortschreiben verspätet abgeschickt. Der jeweilige Gewinn sei in den Schreiben der beklagten Partei klar ersichtlich von verschiedenen Bedingungen abhängig gemacht worden, die der Kläger nicht eingehalten habe.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit aus näher genannten Erwägungen, verhielt die beklagte Partei zur Zahlung von 54.501,35 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 259.808,66 EUR sA ab. Es stellte den eingangs dargestellten Sachverhalt fest und erklärte die vom Kläger erhaltenen Gewinnzusagen Beilagen B bis F als Bestandteil seines Urteils. Rechtlich führte es zusammengefasst aus, die Anwendung österr. Rechts ergebe sich aus § 48 Abs 1 erster Satz IPRG. Der Kläger sei Verbraucher iSd § 1 KSchG, nur bei der 3. Gewinnzusage habe ein verständiger Verbraucher den Eindruck gewinnen können, wirklich gewonnen zu haben. Insoweit sei dem Klagebegehren zufolge § 5j KSchG stattzugeben, im Übrigen es jedoch abzuweisen.

Das Berufungsgericht verwarf - insoweit unanfechtbar und unangefochten - aus näher dargestellten Erwägungen die Berufung der beklagten Partei wegen Nichtigkeit zufolge behaupteten Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit, gab ihr im Übrigen nicht Folge und änderte das Ersturteil in teilweiser Stattgebung der Berufung des Klägers dahingehend ab, dass es die beklagte Partei zur Zahlung von 268.886,21 EUR sA verpflichtete und mit der unangefochtenen Abweisung des Mehrbegehrens von 45.423,80 EUR sA das Ersturteil insoweit bestätigte.

Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus: Welches materielle Recht anzuwenden sei, unterliege der Prüfung nach dem EVÜ, die Vermutung von dessen Art 4 Abs 2 führe zur Anwendung von schweizerischem Recht. Jedoch sei im konkreten Fall aufgrund von Art 7 Abs 2 EVÜ dennoch § 5j KSchG anzuwenden, dieser lasse nämlich die Anwendung von Eingriffsnormen des Erlassstaats zu. Seinem Sinn und Zweck nach stelle § 5j KSchG, eine inländische Eingriffsnorm dar, weil die Anwendung dieser Norm von Unternehmern andernfalls leicht umgangen werden könne. In der Sache sei der Anspruch des Klägers zusätzlich auch beim 1. und 4. Gewinnspiel berechtigt, weil auch bei diesen unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs der Eindruck erweckt worden sei, der Gewinner stehe bereits fest. Ein derartiger Eindruck sei nur bei der

2. Zusendung nicht gegeben.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision wegen Fehlens von Rsp zur Frage, ob § 5j KSchG eine Eingriffsnorm iSd Art 7 Abs 2 EVÜ sei, zu.

Die Revision der beklagten Partei, mit der sie die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) § 5j KSchG wurde gelegentlich der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-RL) durch Art I Abs 2 FernabsatzG 1998 BGBl I 1999/185 in das KSchG eingefügt und lautet: Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden. Da die Wertungen, denen zufolge Spiel- und Wettschulden grundsätzlich unklagbar sind, auf die Gewinnzusagen von Unternehmern zur (unsachlichen) Beeinflussung des Kaufverhaltens des Verbrauchers nicht zutreffen, sind solche Zusagen, soweit sie dem Verbraucher ab dem zugegangen sind, verbindlich und vom Unternehmer zu erfüllen (Apathy in Schwimann3 § 5j KSchG Rz 2). Dass der Kläger als Verbraucher iSd § 1 KSchG anzusehen ist, hat das Berufungsgericht bereits zutreffend dargelegt, daher kann auf dessen rechtliche Erwägungen dazu verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

b) Der klagende Verbraucher, ein in Österreich wohnhafter österr. Staatsangehöriger, erhielt in Österreich die Gewinnzusagen des in der Schweiz domizilierten beklagten Unternehmerin, einer Aktiengesellschaft.

Die Ausführungen der zweiten Instanz zum anzuwendenden Recht sind gleichfalls zu billigen: Das EVÜ ist gemäß § 53 Abs 2 IPRG unmittelbar auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, die - wie hier - nach dem geschlossen wurden, auch wenn dies zur Anwendung des Rechts eines Nicht-Mitgliedsstaats führt (Verschraegen in Rummel³ Vor Art 1 EVÜ Rz 5, Art 2 EVÜ Rz 1 mwN). Mit seinem Urteil vom , C-27/02, Engler - Janus Versand GmbH, Slg 2005, I-00481 qualifizierte der EuGH eine „isolierte Gewinnzusage", die nicht zwingend mit einer Warenbestellung verknüpft ist, als Vertrag iSd Art 5 Nr 1 EuGVÜ und beurteilte die internationale Zuständigkeit nach diesem Gerichtsstand für Vertragsklagen. Solche Gewinnzusagen fielen mangels Vorliegens eines Vertrags über die Lieferung beweglicher Sachen oder über die Erbringung von Dienstleistungen nicht unter den Verbrauchergerichtsstand nach Art 13 EuGVÜ.

Die Vermutung des Art 4 Abs 2 EVÜ würde zur Anwendung schweizerischen Sachrechts führen, weil Art 15 EVÜ die Rück- und Weiterverweisung gänzlich ausschließt.

Jedoch berührt das EVÜ gemäß dessen Art 7 Abs 2 nicht die Anwendung

der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichtes geltenden

Bestimmungen, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende

Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Damit sind sogenannte

Eingriffsnormen gemeint, das sind zwingende Vorschriften privat- oder

öffentlich-rechtlicher Natur, die (zumindest auch) im öffentlichen

Interesse erlassen wurden. Diese vorrangig geltenden

Ordnungsvorschriften vor allem des Wirtschaftslenkungsrechts wie etwa

des Devisen-, Grundverkehrs-, Preis-, Außenhandels- und

Transportrechts, gelten unberührt vom Internationalen Privatrecht

ausschließlich nach ihrem eigenen Anwendungswillen (6 Ob 88/01m und 2

Ob 24/05a [zum Haftungsprivileg des § 333 ASVG als arbeitsrechtliche

Eingriffsnorm], je mwN; RIS-Justiz RS0076728, RS0076721; Verschraegen

aaO Art 7 Rz 1 ff; Schwimann, Internationales Privatrecht³ 21, 46, 67

f). Die kollisionsrechtliche Bedeutung der sogenannten

Eingriffsnormen liegt darin, dass ihnen, die das öffentliche

Interesse des rechtssetzenden Staates an ihrer Beachtung

dokumentieren, grundsätzlich der Vorrang vor der überwiegend an

privaten Interessenkollisionen orientierten allgemeinen Anknüpfung

des Schuldstatuts gebührt (1 Ob 648/90 = JBl 1992, 189 [Schwimann

192] = RdW 1991, 75 = IPRax 1992, 47 [Posch 51]. Der Oberste

Gerichtshof hat in seiner E 1 Ob 164/01a (= SZ 74/160 = JBl 2002, 333

= EvBl 2002/40 = IPRax 2002, 530 [Schefold 535] = ZfRV 2002, 239

[Hoyer]) - ebenfalls noch zum IPRG - das Erkennungsmerkmal von Eingriffsnormen als „deren vom öffentlichen Interesse getragener ordnungspolitischer Gehalt, der über die Rechtssicherheit hinausgehende, spezifisch staatliche Lenkungsziele verfolgt" definiert. Art 5 EVÜ regelt zwar den Verbraucherschutz und ist als lex specialis auf alle Vertragstypen anzuwenden, die von ihm erfasst sind, jedoch ist in Ansehung aller nicht dem Art 5 EVÜ unterliegenden Vertragstypen eine Sonderanknüpfung über Art 7 EVÜ möglich (Heiss in Czernich/Heiss, EVÜ Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen Art 5 Rz 57), u.a. aus Gründen des Verbraucherschutzes (Kresbach/Rathkolb, Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen EVÜ 1980 62 f). Ob eine Norm internationalen Geltungswillen beansprucht, bestimmt der Staat, der eine solche Vorschrift erlässt (Verschraegen aaO Art 7 Rz 9).

Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin, wonach § 5j KSchG

keine Eingriffsnorm darstelle, weil der Gesetzgeber ein Jahr vor

Erlassung dieser Norm durch das BGBl I 1998/119 in § 13a Abs 2 KSchG

ausdrücklich Eingriffsnormen (§ 6 KSchG sowie §§ 864a und 879 Abs 3

ABGB bei Verbraucherverträgen) definiert habe und außerdem § 5j KSchG

kein eigener Anwendungswille unterstellt werden könne, ist die

genannte Regelung als solche mit internationaler Geltung zu

qualifizieren: Ob eine gesetzliche Regelung „konfliktfest" und

„rechtswahlfest" ist, bedarf keiner ausdrücklichen Anordnung des

Gesetzgebers, sondern ist durch Auslegung zu ermitteln. Zu prüfen ist

daher, ob § 5j KSchG ein eigenständiger internationaler Geltungswille

zugrunde liegt, welchen Zweck diese Norm also hat (8 Ob 575/86 = EvBl

1987/145 = IPRE 2/111 = IPRax 1988, 240 [Reichelt 251] = MietSlg

38/50; 1 Ob 164/01a; RIS-Justiz RS0077356; Heiss aaO Art 5 Rz 51 ff;

Art 7 Rz 6; Verschraegen aaO).

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, ist Hauptzweck des § 5j KSchG nicht, dem einzelnen Verbraucher einen Schutz vor als lästig empfundenen Zusendungen zu gewähren oder ihm einen Anspruch auf den zugesagten Gewinn zu verschaffen, sondern vor allem, die verbreitete aggressive Wettbewerbspraxis der Unternehmer abzustellen, vermeintliche Gewinnzusagen persönlich adressiert an Verbraucher verschicken, um diese zur Warenbestellung zu motivieren. Mit einem derartigen Vorgehen der Unternehmer sind regelmäßig Verstöße gegen das UWG verbunden, dessen § 28a derartige Verstöße nur unzureichend mit Verwaltungsstrafen pönalisieren kann (vgl dazu Feil, KSchG4 § 5j Rz 1). Derartige gesetzwidrige Verhaltensweisen von Unternehmern sollten mit der Einführung des § 5j KSchG beendet werden, ist doch die Sanktion ungleich schärfer. Der Anspruch des Einzelnen auf Auszahlung des Gewinns, der nicht immer einbringlich zu machen sein wird, ist also lediglich Mittel zum Zweck zur Durchsetzung von überindividuellen wirtschaftspolitischen Interessen. Dies ergibt sich auch zweifelsfrei aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FernabsatzG 1998 BlgNR 20. GP, 12 (im Folgenden nur RV), wonach Gewinnspiele Wettbewerbsverzerrungen bewirken und das Kaufverhalten des Verbrauchers in einer unsachlichen Weise beeinflussen können. Da die Mittel des Wettbewerbsrechts allein nicht effektiv genug waren, um derartige Vorgehensweisen hintanzuhalten und Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren zeigten, dass die Unterstellung derartiger Gewinnzusagen unter das Verwaltungsstrafrecht „nicht ausreichen dürfte, um dieser Übelstände Herr zu werden" wurde angeregt, zivilrechtliche Instrumente einzusetzen (RV aaO 12), indem man die damals bestehenden Schranken der Einklagung beseitigt mit dem Ziel, "diese Praktiken abzustellen" (RV aaO 30). Innerhalb der Europäischen Union wurden von den Mitgliedsstaaten Österreich und Bundesrepublik Deutschland anlässlich der, aber nicht in Umsetzung der Fernabsatz-RL Regelungen erlassen (zu § 5j KSchG siehe die RV aaO 11 f; Apathy aaO Rz 1 mwN; für das deutsche Recht etwa Lorenz, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und Anwendbarkeit von § 661a BGB bei Gewinnmitteilungen aus dem Ausland: Erweiterungen des Verbrauchergerichtsstands durch die „Brüssel I-Verordnung", IPRax 2002, 192 ff). In anderen Staaten, so auch in der im vorliegenden Fall betroffenen Schweiz, gibt es derartige Bestimmungen offenbar nicht. Wäre § 5j KSchG nicht als Eingriffsnorm zu qualifizieren, wäre eine Umgehung dieser Regelung durch Verlegung des Sitzes der Hauptniederlassung eines Unternehmens leicht möglich, abgesehen davon, dass auch die Rechtsdurchsetzung erschwert wäre. Dies würde jedenfalls dem klar definierten Zweck des § 5j KSchG zuwider laufen. Die Regelung des § 5j KSchG, die der Gesetzgeber als effektiver als eine verwaltungsstrafrechtliche Sanktionierung wie in § 28a UWG ansieht, wird daher vom erkennenden Senat sowohl als erforderlich als auch geeignet angesehen, das dargestellte Ziel zu verwirklichen (RV 30; Lorenz aaO 196). Die Bestimmung kann auch nicht als diskriminierend beurteilt werden oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen (Verschraegen aaO Art 7 Rz 8).

Auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) beurteilte jüngst in seiner Entscheidung vom (AZ III ZR 191/03 = BGHZ 153, 82) § 661a BGB, die deutsche Parallelbestimmung zu § 5j KSchG, der für jenen sogar als Vorbild diente (BGH III ZR 102/02 mwN; Lorenz aaO 192 FN 9; Seiler in MünchKomm4 § 661a BGB Rz 2), als Eingriffsnorm, also als Regelung mit internationalem Geltungsanspruch iSd Art 34 EGBGB (ebenso Lorenz aaO 196; Palandt/Heldrich, BGB65 Art 34 EGBGB Rz 3a; anders, in erster Linie Individualansprüche erkennend Martiny in MünchKomm4 Art 34 EGBGB Rz 114). Mangels ausdrücklicher Anordnung seien dafür die mit der Norm verfolgten ordnungspolitischen Interessen maßgebend. Sinn und Zweck der Erlassung der Bestimmung sei gewesen, unlauterer Werbung durch Vortäuschung scheinbarer Gewinne entgegenzuwirken. Neben dem Verbraucherschutz verfolge sie ein öffentliches Interesse an der Lauterkeit des Geschäftsverkehrs. Ausgehend von der dargelegten Auslegung des § 5j KSchG geht die Argumentation der Revisionswerberin fehl, es erscheine den Gerichten praktikabler, österr. Recht anzuwenden, daher würde eine gerne anzuwendende Norm kurzerhand als Eingriffsnorm qualifiziert. Der eigene Anwendungswille des § 5j KSchG ergibt sich schon aus der ansonsten bestehenden einfachen Umgehungsmöglichkeit dieser Regelung und ihrer in diesem Fall bestehenden praktischen Wirkungslosigkeit. Von einer „explorativen und einzelfallbezogenen, unverhältnismäßig überschreitenden Auslegung" kann demnach nicht gesprochen werden. § 5j KSchG ist demnach als nicht als eine Norm des Verbraucherschutzes, sondern als eine im öffentlichen Interesse erlassene, dem Gemeininteresse dienende österr. wettbewerbspolitische Eingriffsnorm zu beurteilen, die der Sonderanknüpfung nach dem eigenen räumlichen Anwendungswillen des rechtssetzenden Staates unterliegt.

Zusammengefasst ist festzuhalten: § 5j KSchG ist eine international zwingende Norm mit eigenständigem Anwendungswillen („Eingriffsnorm"), die in Fällen mit Auslandsbezug unabhängig von dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht anzuwenden ist.

An dem für die Anwendung des § 5j KSchG erforderlichen Nahebezug des Sachverhalts zu Österreich besteht kein Zweifel, ergibt sich doch aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, dass einerseits die beklagte Partei auf die dargestellte Art in Österreich geworben hat und andererseits nach den, den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen der Kläger alle seine Anforderungsschreiben an die beklagte Partei von Österreich aus weggeschickt hat.

d) Nach nunmehr stRsp entsteht der Anspruch auf Auszahlung des Gewinns bereits dann, wenn es ein verständiger Verbraucher bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit aufgrund der Gestaltung der Zusendungen „zumindest ernstlich für möglich halten" durfte, dass er gewonnen habe. Er muss sich seines Gewinns also keineswegs sicher sein. Nur wenn die Zusendungen ihrem Inhalt und ihrer Gestaltung nach „von vornherein keine Zweifel offen lassen", dass der Gewinner erst durch einen weiteren Akt ermittelt wird, können die Rechtsfolgen des § 5j KSchG nicht eintreten (RIS-Justiz RS0117341, RS0117343). Die inhaltliche Beurteilung der hier zu beurteilenden Gewinnzusagen durch die zweite Instanz entspricht diesen Grundsätzen (§ 510 Abs 3 ZPO). Gleiches gilt für die in der Revision aufgestellte Behauptung, dass sehr Kläger die in den Gewinnspielen aufgestellten Bedingungen (Spielregeln) nicht eingehalten habe.

Der Revision kann daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.