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OGH vom 20.03.2012, 5Ob215/11w

OGH vom 20.03.2012, 5Ob215/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers E*****, vertreten durch Prof. Dr. Strigl Dr. Horak Mag. Stolz Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin F***** KEG, *****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 und 5 MRG iVm §§ 3, 6 und 8 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss und Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 137/11b 45, mit dem infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 9 Msch 19/08s 38, teilweise als nichtig aufgehoben, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts wird mit der Maßgabe bestätigt, dass Punkt I. (Nichtigerklärung des Punktes 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses) ersatzlos zu entfallen und Punkt II. betreffend die Abweisung zu Punkt 2. des erstinstanzlichen Sachbeschlusses wie folgt zu lauten hat:

„2. Der Antrag, der Antragsgegnerin aufzutragen, binnen 4 Wochen das Verputzen und Tapezieren der durch die Bauführung (Sanierung und Aufstocken des Hauses Sch*****) in der Wohnung des Antragstellers, Top Nummer 1a, im Haus *****, verursachten Sprünge und Risse in Angriff zu nehmen und dann binnen einer weiteren Frist von 6 Wochen durchzuführen, wird abgewiesen.“

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 299,52 EUR (darin 49,92 EUR Umstatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller (= Mieter) begehrte von der Antragsgegnerin (= Vermieterin) die Vornahme bestimmter Arbeiten in der gemieteten Wohnung Top 1a, nämlich soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant die Sanierung von Sprüngen und Rissen, die im Zuge von Baumaßnahmen zur Sanierung und Aufstockung des Hauses entstanden seien.

Die Antragsgegnerin beantragte Antragsabweisung und wandte ein, dass die begehrten Arbeiten keine Erhaltungsarbeiten iSd § 3 MRG seien und die Kosten hiefür auch nicht in der Hauptmietzinsreserve Deckung fänden. In eventu erhob die Antragsgegnerin gegen die Vornahme der Arbeiten Widerspruch nach § 6 Abs 4 MRG.

Das Erstgericht trug der Antragstellerin soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant (mit Spruchpunkt 2.) „... gemäß § 8 Abs 3 MRG … (auf), binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung das Verputzen und Tapezieren der durch die Bauführung (Sanierung und Aufstockung des Hauses …) in der Wohnung des Antragstellers, Top Nummer 1a, … verursachten Sprünge und Risse in Angriff zu nehmen und dann binnen einer weiteren Frist von 6 Wochen durchzuführen“.

Das Erstgericht ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass es sich bei den Putzrissen um rein optische Beeinträchtigungen und möglicherweise um die Verstärkung vorhandener Haarrisse durch die Ausbauarbeiten handle.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass die Risse und Sprünge in der Wohnung des Antragstellers nicht gesundheitsgefährdend seien und auch keine ernsten Schäden des Hauses begründeten, weshalb sie nicht unter § 3 Abs 2 Z 2 MRG zu subsumieren seien. Allerdings habe der Antragsteller seinen Anspruch erkennbar auch auf § 8 Abs 3 MRG gestützt, wonach dem Mieter für Eingriffe in sein Mietrecht im Rahmen von zu duldenden Erhaltungs , Verbesserungs , Änderungs und Errichtungsarbeiten das Recht auf angemessene Entschädigung im Sinn der Wiederherstellung des vorigen Zustands zustehe. Der Antragsgegnerin sei daher die Beseitigung der Risse aufzutragen gewesen.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des von der Antragsgegnerin gegen Punkt 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses erhobenen Rekurses diesen Entscheidungsteil als nichtig auf und änderte diesen zugleich in teilweiser Stattgebung des Rekurses dahin ab, dass es den „Antrag, der Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs 1 MRG iVm § 3 MRG aufzutragen, binnen 4 Wochen das Verputzen und Tapezieren der durch die Bauführung in der Wohnung des Antragstellers verursachten Sprünge und Risse in Angriff zu nehmen und binnen einer weiteren Frist von 6 Wochen durchzuführen“, abwies.

Nach der Rechtsmeinung des Rekursgerichts seien entsprechend jüngerer Judikatur des Obersten Gerichtshofs aus unsachgemäßer Durchführung von Bauarbeiten im Haus abgeleitete, auf Geldersatz gerichtete Ansprüche nicht im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG, sondern im Streitverfahren durchzusetzen (5 Ob 109/08b); für Naturalersatz könne dann nichts anderes gelten. Überhaupt habe § 8 Abs 3 MRG offenkundig überhaupt keinen Naturalersatz im Auge, wenn dort davon die Rede sei, dass der beeinträchtigte Mieter angemessen zu entschädigen sei. Da nicht ausdrücklich oder unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesene Rechtssachen auf den streitigen Rechtsweg gehörten, stehe für Ansprüche des Mieters auf Naturalrestitution nach Durchführung von ihm zu duldender Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten das Außerstreitverfahren nicht zur Verfügung. Der Sachbeschluss des Erstgerichts sei daher in seinem Punkt 2. als nichtig aufzuheben gewesen. Da es sich bei den Putzrissen um bloß optische Beeinträchtigungen, nicht aber um ernste Schäden des Hauses handle, komme eine Antragstattgebung nach § 6 Abs 1 MRG nicht in Betracht, weshalb insoweit mit Antragsabweisung vorzugehen gewesen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil soweit überblickbar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob aus § 8 Abs 3 MRG ein Anspruch auf Naturalrestitution abgeleitet werden könne. In der Entscheidung 7 Ob 218/00k sei diese Frage ausdrücklich offen gelassen worden.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts nicht Folge gegeben und dieser wiederhergestellt werde. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag und er begehrt noch in eventu einen Beschluss nach § 40a JN, mit dem dem Erstgericht die Behandlung des Antrags (gemeint: zu Spruchpunkt 2.) als Klage im streitigen Rechtsweg aufgetragen werden solle.

Die Antragsgegnerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, die Revision (gemeint: den Revisionsrekurs) des Antragstellers nicht zuzulassen, in eventu diesem keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Antragsteller macht in seinem Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, es liege eine Nichtigkeit begründende unrichtige rechtliche Beurteilung deshalb vor, weil das Rekursgericht Punkt 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses einerseits als nichtig aufgehoben und andererseits im antragsabweisenden Sinn abgeändert habe. Hätte der Antragsteller tatsächlich einen auf dem streitigen Rechtsweg zu verfolgenden Anspruch geltend gemacht, dann hätte das Rekursgericht einen Zuständigkeitsbeschluss gemäß § 40a JN fällen müssen. Tatsächlich habe der Antragsteller aber, wie vom Erstgericht zutreffend erkannt, seinen Anspruch auf Sanierung der Risse jedenfalls auch auf § 8 Abs 3 MRG gestützt. Nach dieser Bestimmung stehe auch Naturalrestitution zu, gelte doch im Schadenersatzrecht gerade der Vorrang des Naturalersatzes.

Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Für das außerstreitige Revisionsrekursverfahren sind die Nichtigkeitsgründe in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG taxativ aufgezählt (1 Ob 140/10k; 7 Ob 181/09g). Einen solchen, namentlich jenen nach § 57 Z 1 AußStrG, vermag der Antragsteller nicht aufzuzeigen. Aus der Entscheidung des Rekursgerichts wird nämlich klar, dass dieses das Begehren des Antragstellers zu Punkt 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses materiell deshalb für unberechtigt erachtete, weil die damit angestrebten Arbeiten keine solchen iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG darstellten und andererseits ein Anspruch auf Naturalrestitution nach Ansicht des Rekursgerichts aus § 8 Abs 3 MRG nicht abgeleitet werden könne.

1.2. Formell verfehlt war allerdings das Vorgehen des Rekursgerichts insoweit, als es ein und dasselbe Begehren zweimal, nämlich einmal nach § 3 Abs 2 Z 2, § 6 Abs 1 MRG und nochmals gesondert nach § 8 Abs 3 MRG beurteilte. Dies stellt inhaltlich eine dem österreichischen Verfahrensrecht fremde Rechtsgrundabweisung dar (7 Ob 2012/96z), die ersatzlos zu beseitigen war.

3. Ein Ausspruch dahin, dass das Begehren des Antragstellers zu Punkt 2. des erstgerichtlichen Sachbeschlusses als Klage zu behandeln sei, war nicht geboten, hat doch der Antragsteller vor der Schlichtungsstelle und dem Erstgericht immer den Standpunkt vertreten, Ansprüche geltend zu machen, die im Außerstreitverfahren zu verfolgen seien. Diese Ansicht hält der Antragsteller auch im Revisionsrekurs weiter aufrecht (vgl insbesondere S 7 seines Revisionsrekurses).

4. Auf die Beurteilung der Vorinstanzen nach §§ 3, 6 MRG kommt der Antragsteller im Revisionsrekurs nicht mehr inhaltlich zurück. Die vom Rekursgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage, ob gestützt auf § 8 Abs 3 MRG auch Naturalrestitution (Wiederherstellung des vorigen Zustands) begehrt werden könne (idS Böhm in Schwimmann ², § 8 MRG Rz 87) stellt sich hier nicht. Nach den Feststellungen des Erstgerichts erfolgte die Entfernung der Tapeten durch den Antragsteller selbst wegen deren Beschädigung bei einem Fensteraustausch. Ursachen und Verantwortlichkeit für diesen Schadensfall können nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht beurteilt werden und es fehlt überdies ein Zusammenhang mit den Ausbauarbeiten, die der Antragsteller für den Anspruch nach § 8 Abs 3 MRG heranzieht, sodass das Tapezieren schon aus diesem Grund nicht zuzusprechen war. Im Übrigen können nach den Feststellungen die Ausbauarbeiten auch nur für die Vergrößerung schon bestehender Haarrisse verantwortlich gewesen sein, ohne dass sich diesfalls deren Wesentlichkeit iSd § 8 Abs 3 MRG aus dem festgestellten Sachverhalt ableiten ließe. Schon aus diesem Grunde hat der Antragsteller einen Anspruch nach § 8 Abs 3 MRG nicht erwiesen, weshalb es bei der Antragsabweisung mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu verbleiben hat.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Bemessungsgrundlage beträgt 1.000 EUR (§ 10 Z 3 lit a) sublit cc) RATG; Wohnungsgröße 25 m²).

Fundstelle(n):
UAAAD-55285