OGH vom 07.08.2012, 2Ob2/12a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj N***** G*****, geboren am ***** 1997, über den Revisionsrekurs des Vaters R***** G*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 545/11g 13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom , GZ 1 Pg 9/11i 6, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Mutter auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die 1997 geborene Minderjährige ist die eheliche Tochter der K***** und des R***** G*****. Zwischen den Eltern ist das Scheidungsverfahren anhängig. Die Obsorge über die Minderjährige kommt beiden Elternteilen zu.
Die Mutter stellte beim Pflegschaftsgericht den Antrag, die Sperre eines näher bezeichneten, auf den Vornamen der Tochter lautenden Sparbuchs bis zum Eintritt der Volljährigkeit zu verfügen. Das Sparguthaben resultiere aus einer Zuwendung des Urgroßvaters der Minderjährigen und aus weiteren Einzahlungen aus der Familie. Der Vater habe nun das Sparbuch an sich genommen und behaupte, das Sparguthaben sei in die nacheheliche Vermögensauseinandersetzung einzubeziehen. Zuletzt habe er geäußert, die in seinem Besitz befindlichen Ersparnisse für die Anschaffung einer eigenen Wohnmöglichkeit verwenden zu müssen, sollte er im Zuge der Ehescheidung aus der ehelichen Wohnung ausziehen. Es sei daher zu befürchten, dass der Vater zu Lasten der Tochter eine Auszahlung des angesparten Betrags an sich selbst durchsetzen werde, weshalb die Anordnung einer Sperre des Sparbuchs dringend geboten sei.
Der Vater erwiderte, dass die Familie noch im gemeinsamen Haushalt lebe. Das im Antrag erwähnte Sparbuch gehöre nicht zum Vermögen der Minderjährigen. Es handle sich um ein sogenanntes „Betriebsrats-Sparbuch“, das von ihm eröffnet und ausschließlich aus seiner Vermögenssphäre dotiert worden sei. Den Vornamen der Tochter habe er lediglich aus formalen Gründen als Sparbuchbezeichnung gewählt. Eine Schenkung an sie habe nie stattgefunden, auch wenn eine spätere Zuwendung des Ersparten nicht ausgeschlossen gewesen sei. Da es sich nicht um Vermögen des Kindes handle, komme eine pflegschaftsgerichtliche Verfügung nicht in Betracht. Richtig sei, dass er im Zuge der Vergleichsverhandlungen über eine einvernehmliche Scheidung erklärt habe, im Falle der Räumung der Ehewohnung über ein gewisses Startkapital verfügen zu müssen. Eine Gefährdung der Minderjährigen sei daraus jedoch nicht ableitbar.
Nach Einvernahme der Mutter gab das Erstgericht dem Antrag statt. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei dem Sparbuch offensichtlich um Mündelvermögen handle, weshalb es aufgrund der Höhe des Sparbuchstands zu sperren gewesen sei.
Zum Stichtag der Sperre () wies das Sparbuch ein Guthaben von 10.889,68 EUR auf.
Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass die Sperre des Spareinlagenkontos als einstweilige Vorkehrung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag aufrecht bleibe. Im Übrigen hob es den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs in Ansehung des bestätigenden Teils der Entscheidung zulässig sei.
Das Rekursgericht erachtete das erstinstanzliche Verfahren als mangelhaft, weil weder zur strittigen Frage der Zugehörigkeit des Sparguthabens zum Vermögen der Minderjährigen noch zu dem von der Mutter behaupteten Gefährdungstatbestand die in der Gegenäußerung des Vaters angebotenen Beweise aufgenommen und nachvollziehbare Feststellungen getroffen worden seien. Insoweit bedürfe es einer Ergänzung des Beweisverfahrens. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Bezeichnung des Sparbuchs mit dem Vornamen der Minderjährigen eine Vermögenszugehörigkeit im Sinne der Antragsbehauptungen zumindest indiziere. Im derzeitigen Verfahrensstadium reiche dies als vorläufige Bescheinigung aus. Um einen Vermögensnachteil der Minderjährigen hintanzuhalten, sei daher die vom Erstgericht angeordnete Sperre als einstweilige Vorkehrung bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegenständlichen Verfahrens aufrecht zu erhalten.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für eine einstweilige Vorkehrung iSd § 133 Abs 4 AußStrG in Form einer vorläufig angeordneten Sperre des strittigen Guthabens vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Eine solche wird weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch im Revisionsrekurs dargetan:
1. Gemäß § 149 Abs 1 ABGB idF KindRÄG 2001 haben die Eltern das Vermögen eines minderjährigen Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten. Sofern das Wohl des Kindes nichts anderes erfordert, haben sie es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren; Geld ist nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen.
Sind Eltern mit der Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Obsorge betraut, so hat das Gericht die Verwaltung des Vermögens nur zu überwachen, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigt (§ 133 Abs 2 AußStrG). In jedem Fall hat das Gericht die Verwaltung auch nicht nennenswerten Vermögens zu überwachen, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl des Pflegebefohlenen erforderlich ist (§ 133 Abs 3 AußStrG). Die zulässigen Mittel zur Überwachung der Vermögensverwaltung und Sicherung der Vermögenswerte sind in § 133 Abs 4 AußStrG beispielhaft aufgezählt. Insbesondere kann das Gericht danach dem gesetzlichen Vertreter Aufträge erteilen, Auskünfte von Kreditunternehmen oder von gemäß § 102 AußStrG auskunftspflichtigen Personen einholen, eine Schätzung, die Sperre von Guthaben sowie die gerichtliche Verwahrung von Urkunden und Fahrnissen anordnen und einstweilige Vorkehrungen treffen.
2. Im vorliegenden Fall ist noch ungeklärt, ob das den Verfahrensgegenstand bildende Sparguthaben überhaupt zum Vermögen der Minderjährigen gehört. Dass das Sparbuch auf ihren Namen lautet, kann allerdings ein Indiz dafür sein, dass es sich um Vermögen des Kindes handelt; es kann aber auch sein, dass die Ersparnisse der eigenen Vermögensbildung der Eltern oder auch nur eines Elternteils dienten (vgl 5 Ob 20/05k).
Nach Ansicht des Vaters kommt bei dieser Sachlage eine Sicherungsmaßnahme iSd § 133 Abs 4 AußStrG (zumindest derzeit) nicht in Betracht. Das Rekursgericht vertrat hingegen die Auffassung, dass die Regelungen des § 133 AußStrG zum Schutz der Minderjährigen bis zur Klärung der Zugehörigkeit des strittigen Vermögens bereits anzuwenden seien.
Die Rechtsansicht des Rekursgerichts entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dieser äußerte in ganz ähnlich gelagerten Fällen (auf den Namen des Kindes lautende Bausparverträge), dass das Pflegschaftsgericht regelmäßig jene Anordnungen zu treffen habe, die eine eigenmächtige Verfügung eines Elternteils bis zur endgültigen Feststellung der Rechtsverhältnisse hintanzuhalten geeignet seien (2 Ob 614/83 = RZ 1984/40, 129 mwN; RIS Justiz RS0007598; vgl Nademleinsky in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 150 Rz 9 FN 48).
3. Das Rekursgericht hat anders als das Erstgericht erkennbar nicht darauf abgestellt, dass iSd § 133 Abs 2 AußStrG der Wert des Vermögens 10.000 EUR „wesentlich“ übersteigt (vgl dazu etwa Nademleinsky aaO § 150 Rz 7 FN 37; Fucik , Die Vermögensverwaltung nach dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, FS Hopf 47 [54]). Im Raum steht nach den Antragsbehauptungen und der Gegenäußerung des Vaters vielmehr eine „unmittelbar drohende Gefahr“ iSd § 133 Abs 3 AußStrG. Von einer solchen ist im Sinne der soeben erörterten und weiterhin aktuellen Rechtsprechung auch nach der alten Rechtslage war für die Anordnung der Sperre eines Sparkontos eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls erforderlich (vgl 3 Ob 2204/96f; 6 Ob 12/04i; RIS Justiz RS0008461) auszugehen.
Auch unter diesem Aspekt steht die Entscheidung des Rekursgerichts daher im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur.
4. Welche Maßnahmen zu treffen sind, richtet sich typischerweise nach den Umständen des Einzelfalls (2 Ob 614/83; 7 Ob 183/10b). Angesichts der als geboten erachteten Verfahrensergänzung ist es naheliegend, dass das Rekursgericht zur Sicherung des möglicherweise in das Vermögen der Minderjährigen fallenden Sparguthabens eine einstweilige Vorkehrung iSd § 133 Abs 4 AußStrG, also eine Provisorialmaßnahme traf. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass dieser mit dem neuen AußStrG, BGBl 2003/111, eingeführte Begriff bewusst weiter gefasst wurde als die Vorgängerbestimmung (§ 193 AußStrG idF KindRÄG 2001) und sowohl die Möglichkeiten des § 382 EO als auch andere geeignete Maßnahmen umfasst (7 Ob 38/08a; vgl auch Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG § 133 Rz 5). Da sich die Sperre von Guthaben unter den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Sicherungsmitteln findet, konnte sie auch als Provisorialmaßnahme im Rahmen einer einstweiligen Vorkehrung angeordnet werden. Auch insoweit wirft die angefochtene Entscheidung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Dass mit der Wahl des Sicherungsmittels der dem Rekursgericht zur Verfügung stehende Ermessensspielraum überschritten worden wäre, ist nicht erkennbar und wird im Rechtsmittel auch nicht behauptet.
5. Da es der Beantwortung erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht bedarf, erweist sich der Revisionsrekurs als unzulässig. Er ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 139 Abs 2 AußStrG. In Verfahren über die Vermögensrechte Pflegebefohlener findet kein Kostenersatz statt.