OGH 14.03.2005, 4Ob32/05t
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Joh. Wilh. von E*****, 2. M*****, beide vertreten durch DDr. Meinhard Ciresa, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 327/04v-17, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 34 Cg 5/04y-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagten machen als erhebliche Rechtsfrage (ua) geltend, dass Rechtsprechung zur Anwendung des § 10 Abs 2 MSchG auf Gemeinschaftsmarken im Bereich außerhalb der Warengleichartigkeit sowie zur Frage der Rufsausbeutung bei weit voneinander entfernten Warenklassen fehle.
Die Beklagten verkennen damit, dass der Schutz einer bekannten Gemeinschaftsmarke in der - unmittelbar anwendbaren - GemeinschaftsmarkenVO geregelt ist. Nach Art 9 Abs 1 lit c GMV gestattet es die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber, ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Art 9 Abs 1 lit c GMV stimmt mit § 10 Abs 2 MSchG überein; die Rechtsprechung zu § 10 Abs 2 MSchG kann daher auch auf die Verletzung einer bekannten Gemeinschaftsmarke angewendet werden. Die Entscheidung 4 Ob 36/04d (= EvBl 2005/3 - Firn) bejaht eine Ausbeutung des Rufs der bekannten Marke „Firn" durch die Verwendung des Zeichens für den Betrieb eines Cafés und einer Bar und damit auch unabhängig von der gleichfalls angenommenen Warenähnlichkeit und der dadurch begründeten Verwechslungsgefahr (iwS) eine Verletzung der (bekannten) Marke „Firn". Auch die Entscheidung 4 Ob 234/01t (= ecolex 2002/106 - BOSS-Zigaretten III) befasst sich mit der Verletzung einer bekannten Marke durch schmarotzerische Ausbeutung und Beeinträchtigung ihres Rufs. Es trifft daher nicht zu, dass keine Rechtsprechung zur Anwendung des § 10 Abs 2 MSchG „außerhalb der Warengleichartigkeit" bestünde. Die angefochtene Entscheidung steht mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung im Einklang. Die von der Beklagten zitierte BGH-Entscheidung GRUR 1991, 465 - Salomon ist vor der Einführung des Schutzes der bekannten Marke durch das deutsche MarkenG und damit zu § 1 UWG ergangen; einer Rechtsfortbildung auf diesem Gebiet bedarf es daher nicht.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf eine Beeinträchtigung der Wertschätzung ihrer für Snowboards und Snowboardzubehör bekannten Marke. Maßgeblich ist daher die Bekanntheit in Bezug auf diese Warengruppe. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Unternehmensgruppe Burton bereits seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts weltweit Marktführer im Snowboardbereich. Sie hat in Österreich wie auch in Europa einen Marktanteil an Boards, Bindungen und Snowboardschuhen von 25 bis 28 %. Zum Prioritätszeitpunkt der Marke der Erstbeklagten () kannten 50 % der 15- bis 30-jährigen am Wintersport Interessierten die Marke „Burton" als Bezeichnung für Snowboardausrüstung und Equipment. Die Auffassung der Vorinstanzen, die diesen Personenkreis als Zielgruppe des klägerischen Angebots (Snowboard und Equipment) beurteilte, begegnet keinen Bedenken, zumal sich auch die hier beanstandete Ausnutzung der Wertschätzung (Rufausbeutung) in Bezug auf diese Personengruppe verwirklicht. Die Beklagten verbreiten nämlich preisgünstige Zigaretten unter der für die Produkte der Klägerin bekannten Marke „Burton" und bewerben diese auch ganz bewusst bei - vor allem junge Sportler ansprechenden - Wintersportveranstaltungen.
Das Berufungsgericht hat - von den hier vorliegenden besonderen Umständen des Einzelfalls ausgehend - eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der klägerischen Marke deshalb bejaht, weil sie den Eindruck erwecke, ein renommierter Sportartikelhersteller, dessen Angebot auf die Förderung des sportlichen Lebens - vor allem von jungen Menschen - ausgerichtet sei, versuche diese Zielgruppe zugleich zum gesundheitsschädlichen Zigarettenkonsum zu animieren.
Eine - im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende - auffallende Fehlbeurteilung liegt damit jedenfalls nicht vor.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wird zurückgewiesen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00032.05T.0314.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAD-55252